Arturo Rafael Brito Goncalvez ist 22 Jahre alt, Pilot in Ausbildung und stammt aus Venezuela. In der Weihnachtswoche saß er plötzlich in Haft. Festgenommen nicht bei einer Kontrolle, nicht nach einer Anzeige, sondern während eines regulären Termins bei der Einwanderungsbehörde in Westerville bei Columbus. Ein Termin, zu dem man erscheint, wenn man nichts zu verbergen hat. Brito Goncalvez wurde von Beamten der U.S. Immigration and Customs Enforcement abgeführt und in das Butler County Gefängnis gebracht. Der Vorwurf: Er sei illegal in die Vereinigten Staaten eingereist. Seine Reaktion, war ebenso schlicht wie verzweifelt. Was habe er getan, fragte er. Was sei sein Verbrechen. Die Antwort, die er erhielt, war knapp: Er sei illegal eingereist.

Die Familie widerspricht dem entschieden. Sie sagt, Arturo Brito Goncalvez habe einen gültigen Pass, ein Visum, eine Arbeitserlaubnis und alle erforderlichen Dokumente. Seit ihrer Ankunft im Jahr 2023 hätten sie sich regelmäßig bei den Behörden gemeldet, so wie es verlangt wurde. Auch unsere Recherchen in mehreren Countys in Ohio ergaben keinerlei Hinweise auf Strafverfahren oder Verurteilungen gegen den jungen Mann. Er selbst sagt, er sei nie von der Polizei angehalten worden, habe nie Ärger gehabt. Die Festnahme erfolgte im Rahmen von „Operation Buckeye“, einer groß angelegten Maßnahme von ICE, die offiziell auf jene zielt, die als „die schlimmsten der Schlimmen“ bezeichnet werden. In diesem Raster taucht nun ein 22-jähriger Pilot auf, der zur Behörde kam, weil er sich an Regeln hielt. Der Kontrast könnte größer kaum sein.

Brito Goncalvez’ Schwester Andrea schildert, dass die Familie ihre Unterlagen stets griffbereit halte. Visa, Genehmigungen, Dokumente. Alles, was Ordnung belegen soll. Doch in dem Moment, in dem die Beamten zugriffen, verloren diese Papiere ihre Wirkung. Rechtlicher Status schützte nicht mehr. Aus einem Akt gegen die Grundrechte wurde Haft. Besonders schwer wiegt für die Familie die Perspektive einer Abschiebung nach Venezuela. Sie sagen, sie seien genau deshalb geflohen. Wegen politischer Verfolgung. Wegen konkreter Bedrohungen. Brito Goncalvez berichtet von bewaffneten Angriffen, bei denen aus einem fahrenden Auto auf ihn und seine Brüder gezielt worden sei. Er sagt, man habe versucht, sie zu töten. Die Gefahr sei nicht theoretisch. Sie habe Namen, Orte, Erinnerungen.

Auf die Frage, ob er Angst habe, nach Venezuela zurückgebracht zu werden, antwortete er schlicht, er könne nicht zurück. Nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Furcht. Für die Familie fühlt sich die Situation wie eine Rückkehr in den Zustand an, den sie hinter sich lassen wollte. Andrea Brito beschreibt, dass ihre Mutter unter Stress und Angst leidet, so wie früher in Venezuela. Der Kreislauf schließt sich. Gleichzeitig zerbrechen Zukunftspläne. Die Flugschule von Arturo. Das Pflegestudium seiner Schwester. Die Ausbildung der Mutter zur Rechtsanwaltsgehilfin. All das hängt nun an einem Verfahren, das bislang ohne öffentlich benannte Straftat geführt wird. Ein juristischer Kampf hat begonnen, ein Anwalt wurde eingeschaltet. Doch während Akten geprüft werden, sitzt ein junger Mann in Haft.
Der Fall wirft Fragen auf, die über Ohio hinausreichen. Was bedeutet es, sich an Regeln zu halten, wenn sie im entscheidenden Moment nicht zählen. Was bedeutet ein legaler Status, wenn er bei Bedarf übergangen wird. Und was geschieht mit Menschen, die Schutz suchen, wenn Verfahren nicht mehr zwischen Verwaltung und Schuld unterscheiden. ICE hat auf Anfragen zu dem Fall bislang nicht reagiert und es ist alles mittlerweile an Hilfe organisiert, was notwendig ist. Für die Familie Brito Goncalvez bleibt vorerst nur das Warten. Und die Angst, dass ein bürokratischer Vorgang sie dorthin zurückschickt, wo sie ihr Leben in Gefahr sehen.
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