„Und wer sich dann weigert, wird erklären müssen, warum er mutmaßliche Täter geschützt hat“ – Ein Präsident im Schwanken

VonRainer Hofmann

November 18, 2025

Donald Trump hat sich lange darauf verlassen, dass ihm politisch niemand etwas anhaben kann. Ein Präsident, der sich unverwundbar gibt, der seine Macht demonstrativ zur Schau stellt, der glaubt, jede Krise mit Druck und Einschüchterung überrollen zu können. Doch ausgerechnet jetzt, mitten zwischen den ersten Vorboten der Midterm-Schlacht, beginnt diese Fassade Risse zu bekommen. Zwei Konflikte drängen sich nach vorne und lassen ihn ins Straucheln geraten: die wachsende Wut über die steigenden Lebenshaltungskosten – und ein offener Aufstand in seiner eigenen Partei, die ihn zu einer Entscheidung zwingt, die er unbedingt vermeiden wollte: die Freigabe weiterer Epstein-Akten.

Ghislaine Maxwell, Jeffrey Epstein

Es sind zwei Fronten, die ihn an einem empfindlichen Punkt treffen. Der Wahltag liegt wenige Wochen zurück, und in mehreren Bundesstaaten haben die Demokraten deutliche Siege eingefahren. Es ist jene Art politischer Wetterwechsel, bei dem selbst ein Präsident merkt, dass sich die Stimmung gegen ihn drehen kann. Während draußen die Stimmen lauter werden, die fragen, wie lange man sich Lebensmittel, Mieten und Energiepreise in diesem Land noch leisten soll, brennt es drinnen im Maschinenraum seiner eigenen Partei. Und dieses Feuer ist nicht leicht zu löschen.

„Operation Charlotte`s Web“ – Über 120 Festnahmen in den letzten 48 Stunden

Trump hat die Regierung in seiner zweiten Amtszeit mit einer Härte umgebaut, die vielen erschreckend vorkam. Er setzt Truppen in Städten ein, ließ Warnungen über die Rechtmäßigkeit militärischer Maßnahmen einfach an sich abperlen und gönnte sich mitten in allem den Bau eines vergoldeten Ballsaals am Weißen Haus – ein Projekt, das mehr über seine Prioritäten erzählt als jede Rede. Doch all das hilft ihm jetzt nicht mehr. Denn auf dem Küchentisch der Wählerinnen und Wähler liegt kein goldener Ballsaal, sondern ein Kassenzettel, der von Monat zu Monat teurer wird.

Thomas Massie

Gleichzeitig wird Trump daran erinnert, dass seine Macht Grenzen hat. Es ist die Verfassung selbst, die bestimmt, dass er nicht wieder antreten darf. Und ausgerechnet Thomas Massie, jener Abgeordnete aus Kentucky, der Trump seit Jahren auf die Nerven geht, sprach am Wochenende das aus, was viele hinter vorgehaltener Hand denken. Er sagte zu seinen republikanischen Kolleginnen und Kollegen, sie sollten sich gut überlegen, wie sie über die Freigabe der Epstein-Akten abstimmen, denn: „In ein paar Jahren wird Trump nicht mehr Präsident sein. Und dann wird jeder erklären müssen, warum er mutmaßliche Täter geschützt hat.“

Es war ein Satz, der saß. Massie traf damit den Punkt, den Trump am meisten fürchtet: dass seine Kontrolle über die eigene Partei nicht mehr ausreicht, um sie geschlossen hinter einer Entscheidung zu halten, die Millionen Amerikaner als Vertuschung empfinden würden. Trump wusste, dass er diese Schlacht verliert – und er wusste, dass es besser ist, die Niederlage selbst zu inszenieren, als vorgeführt zu werden. Also drehte er plötzlich um und erklärte, es sei nun „Zeit, die Akte freizugeben“. Nicht aus Überzeugung, sondern weil ihm keine andere Wahl blieb.

Marjorie Taylor Greene

Parallel dazu zerrt ihn ein weiterer Konflikt in eine Lage, die er kaum beherrschen kann. Marjorie Taylor Greene, eine der lautesten Stimmen im rechten Lager, hat sich mit ihm überworfen. Die Spannungen zwischen beiden stehen beispielhaft für eine Partei, die sich mehr an internen Fehden als an klarer Strategie abarbeitet. Trump versucht nun, seine Macht auf anderem Wege zu sichern: durch Einflussnahme auf Wahlkarten. Er treibt Bundesstaaten dazu, Wahlkreise neu zuzuschneiden, damit seine Partei ihre Sitze halten kann. Als Indiana sich weigerte, drohte er offen mit Gegenkandidaten. „Wir müssen die Mehrheit um jeden Preis halten“, schrieb er – ein Satz, der mehr Verzweiflung verrät als Stärke.

Dabei wird immer klarer, wie sehr sich die Wut über die Preise in den Mittelpunkt schiebt. Trump musste am Wochenende zugeben, dass „manche Dinge etwas teurer geworden sind“ – eine Formulierung, die fast schon hilflos wirkt angesichts dessen, was Menschen derzeit zahlen müssen. Und während er öffentlich so tut, als lägen die Ursachen anderswo, ruderte seine Regierung leise zurück: Zölle auf Kaffee, Rindfleisch oder tropische Früchte wurden gesenkt. Eine stillschweigende Bestätigung, dass seine Handelspolitik den Alltag vieler Familien verteuert hat.

Gleichzeitig bewirbt er eine neue Idee: Eine Zahlung von 2.000 Dollar an alle Amerikaner – außer den Reichen –, finanziert durch Zolleinnahmen. Es klingt wie ein Geschenk, das die Wut mildern soll. Doch im Kongress hat der Vorschlag kaum Aussicht auf Zustimmung, und selbst wenn er umgesetzt würde, könnte er die Inflation weiter antreiben. Es ist ein Vorschlag, der nach Aktionismus riecht, nicht nach Lösung und über die Verteilung von Geld, das überhaupt nicht vorhanden ist. Siehe dazu unsere Recherche unter: „Die 2.000-Dollar-Lüge – und ein Präsident, der wieder einmal auf Zeit spielt“, unter dem Link: https://kaizen-blog.org/die-2-000-dollar-luege-und-ein-praesident-der-wieder-einmal-auf-zeit-spielt/

Die Wahlergebnisse von New Jersey, Virginia und mehreren anderen Bundesstaaten lassen keinen Zweifel daran, wie tief die Unzufriedenheit reicht. Neil Newhouse, ein erfahrener republikanischer Meinungsforscher, fasste es so zusammen: Die Niederlagen seien nicht überraschend gewesen – nur das Ausmaß habe alle alarmiert. Er warnte seine Partei davor, denselben Fehler zu machen wie Biden damals: den Menschen einzureden, dass die Lage sich bessert, während sie beim Einkaufen erleben, dass das Gegenteil stimmt. „Man kann ihnen hundertmal sagen, dass die Preise sinken“, sagte er. „Wenn sie es nicht an der Kasse sehen, glaubt es niemand.“

So steht Trump nun zwischen Preiswut und Parteiaufstand, zwischen einer Akte, die er nicht mehr kontrollieren kann, und einer Wählerbasis, die ihm ihre Geduld kündigt. Es ist der Moment, in dem ein Präsident begreift, dass die Wirklichkeit nicht nach seiner Stimme sucht. Und dass Macht zerbrechlich wird, sobald sie den Kontakt zur Wirklichkeit verliert.

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