Trumps Massenentlassungen – Amerika kündigt sich selbst den Frieden

VonRainer Hofmann

Oktober 10, 2025

Am Freitagmorgen setzte das Weiße Haus einen Schritt in Gang, der die Grundfesten des öffentlichen Dienstes erschüttert: den Beginn massenhafter Entlassungen von Bundesbediensteten. Was nüchtern als „Personalreduzierung“ bezeichnet wird, ist in Wahrheit ein politisches Machtinstrument – kalkuliert, um Druck zu erzeugen und Loyalität zu erzwingen. In den frühen Stunden meldete das Budgetbüro des Präsidenten, dass die sogenannten „Reductions in Force“ angelaufen seien – bürokratisch verbrämt, aber in ihrer Wirkung verheerend. Donald Trump ließ keinen Zweifel daran, dass es diesmal nicht um Einsparungen geht, sondern um Vergeltung. „Wir geben den Demokraten eine kleine Kostprobe ihrer eigenen Medizin“, sagte er im Kabinettssaal. Die Formulierung war zynisch gewählt: Die Entlassungen treffen gezielt Programme, die von Demokraten gefördert oder verteidigt werden – vom Bildungsministerium über Gesundheitsbehörden bis zu sozialen Förderprogrammen. Der Präsident sprach von Effizienz, doch das Wort klang hohl in einem Moment, in dem Tausende Menschen per E-Mail ihre Kündigung erhielten.

Das Weiße Haus hatte die Offensive akribisch vorbereitet. Bereits Ende September forderte Budgetdirektor Russ Vought alle Ministerien und Bundesbehörden auf, Listen einzureichen, welche Abteilungen im Falle eines Shutdowns „nicht mit den Prioritäten des Präsidenten vereinbar“ seien. Es war ein politischer Selektionsprozess, der Verwaltung zu Gesinnung machen sollte. Seit dem 1. Oktober, dem Tag des Haushaltsstillstands, lagen die Pläne bereit – nun wurden sie umgesetzt.

Wenn es in Amerika eines Tages zum Bürgerkrieg kommt, wird die Geschichte wissen, wo er mitgeschrieben wurde – im Büro von Russ Vought und jenen, die Project 2025 nicht nur in den USA als Plan für die Macht verankern wollen

Am stärksten betroffen ist das Bildungsministerium, das Trump bereits mehrfach öffentlich zur Disposition gestellt hat. Nach Angaben der Gewerkschaft AFGE Local 252 verlieren dort fast alle Angestellten unterhalb der Direktion im Office of Elementary and Secondary Education ihre Stellen. Dieses Amt verteilt Bundesmittel an Schulen, unterstützt Katastrophenregionen und organisiert Lehrerfortbildungen – also jene Grundlagenarbeit, die man nur bemerkt, wenn sie ausbleibt. Die Abteilung war nach einem Stellenabbau im März bereits halbiert worden, nun bleibt ein Torso zurück. Auch die Kommunikationsabteilung wird weiter verkleinert; eines von zwei Teams soll aufgelöst werden.

Ähnliche Szenen spielen sich im Gesundheitswesen ab. Das Gesundheitsministerium bestätigte am Nachmittag, dass beurlaubte Mitarbeiter nun entlassen werden – „als direkte Folge des Shutdowns“, wie es in einer Mitteilung hieß. Ein Sprecher begründete die Maßnahme mit der Schließung „ineffizienter, redundanter Strukturen“, die nicht zur Agenda „Make America Healthy Again“ passten. Doch selbst an den Centers for Disease Control and Prevention in Atlanta herrschte Unklarheit: Viele Beschäftigte wussten bis zum Abend nicht, ob sie am Montag noch eine Zugangskarte haben würden.

In Virginia, wo über 120.000 Bundesbedienstete arbeiten, nannten die Senatoren Mark Warner und Tim Kaine die Entlassungen „eine bewusste Entscheidung, keine Notwendigkeit“. Der Präsident und sein Budgetdirektor seien, so die beiden Demokraten, „rücksichtslose Ideologen, bereit, hart arbeitenden Amerikanern Leid zuzufügen, um politische Punkte zu sammeln“. In der Sprache des Kongresses klang das wie eine Anklage.

Doch der Widerstand bleibt nicht auf Worte beschränkt. Die größten Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, darunter die AFGE und die AFSCME, reichten am Freitag Klage beim Bundesgericht in San Francisco ein. Sie fordern eine einstweilige Verfügung, um die Massenentlassungen sofort zu stoppen. Die Klageschrift spricht von einem „rechtswidrigen Machtmissbrauch“, der die Schutzmechanismen eines Shutdowns bewusst aushebelt. Diese Schutzmechanismen sollen verhindern, dass ein Regierungsstillstand zum Vorwand wird, um den öffentlichen Dienst zu zerstören. Genau das, so argumentieren die Kläger, geschehe nun.

Senatsmehrheitsführer Chuck Schumer sprach von „vorsätzlichem Chaos“. Niemand zwinge den Präsidenten, Tausende Menschen zu entlassen. „Sie wollen es tun“, sagte Schumer. „Sie fügen denjenigen absichtlich Schaden zu, die unser Land schützen, unser Essen kontrollieren und in Katastrophen helfen.“ Selbst aus dem republikanischen Lager kam Widerspruch. Senatorin Susan Collins, Vorsitzende des mächtigen Haushaltsausschusses, nannte die Entlassungen „willkürlich, grausam und schädlich für Familien in Maine und im ganzen Land“. Es sind seltene Worte in einer Partei, die in den letzten Jahren gelernt hat, Schweigen mit Loyalität zu verwechseln.

Hinter der politischen Rhetorik steht eine nüchterne Zahl: Seit Trumps Amtsantritt wurde die Belegschaft des Bildungsministeriums von 4.100 auf rund 2.500 Mitarbeiter reduziert – nun schrumpft sie weiter. Das Muster ist überall dasselbe: Wo staatliche Strukturen schwächen, wachsen private Interessen. Bildung, Gesundheit, Forschung – alles, was sich nicht kurzfristig politisch kapitalisieren lässt, gilt als Ballast. In ökonomischer Logik ist ein solcher Kahlschlag irrational. In ideologischer Logik ist er konsequent. Die Regierung will zeigen, dass sie bereit ist, das eigene Land in Geiselhaft zu nehmen, um ihre Haushaltsforderungen durchzusetzen. Der öffentliche Dienst wird zur Druckkulisse, die Arbeitslosigkeit zum Verhandlungschip. Die Botschaft lautet: Der Staat ist nur so viel wert, wie er dem Präsidenten nützt.

Was an diesem 10. Oktober begann, ist deshalb mehr als ein bürokratischer Vorgang. Es ist ein Wendepunkt in der amerikanischen Verwaltungsgeschichte. Noch nie hat ein Präsident während eines Haushaltsstillstands massenhaft Bundesbedienstete entlassen. Noch nie wurde die Idee des öffentlichen Dienstes so offen als Feindbild behandelt. Die Tragik liegt darin, dass jene, die den Staat am Laufen halten – Lehrer, Inspektoren, Wissenschaftler, Verwaltungsangestellte –, nun als Hindernis gelten. Und während in Washington die Kameras auf den Präsidenten gerichtet sind, verlieren Menschen in Chicago, Atlanta und Denver ihre Arbeit – nicht wegen Inkompetenz oder Korruption, sondern weil sie für den Staat arbeiten.

Das ist die Achse dieser neuen Politik: nicht Verwaltung, sondern Demontage. Nicht Reform, sondern Strafe. Und wenn Trump sagt, er wolle den Demokraten „ihre eigene Medizin“ verabreichen, dann meint er eine bittere: ein Land, das sich selbst vergisst, aber ihn niemals vergessen wird.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
0
Would love your thoughts, please comment.x