Trump verkauft Träume – Und das Echo hallt durch den Westen

VonRainer Hofmann

Juni 16, 2025

In der endlosen Weite von Arizona, wo Windmühlen den Horizont durchschneiden und Stacheldraht die Erinnerung an ein anderes Jahrhundert bewahrt, ringt ein alter Mann mit der Zeit. Brantley Baird, 88 Jahre alt, ein Mann aus Lederhaut und Geschichten, steht zwischen Planwagen, rostigen Pflugblättern und Erinnerungen an eine Welt, die im Verschwinden begriffen ist. Er erzählt vom Reiten zur Schule, vom Aufstieg der Viehbarone und vom Rhythmus des Landes, der einst vom Stampfen der Eisenbahn bestimmt wurde. Heute aber ist es der leise Klang des Verschwindens, der bleibt. Die Cholla Power Plant, einst Rückgrat der lokalen Ökonomie, hat im März ihren Betrieb eingestellt. Was früher die Zukunft versprach, steht nun als mahnendes Monument einer vergangenen Ära. Doch wie so oft im Westen Amerikas ist das Vergangene nicht einfach tot. Es ruht unter der Erde, in den Gesprächen am Stammtisch, in Wahlkabinen und Gebeten. Und es findet seinen politisch höchst lebendigen Vertreter im Präsidenten.

Donald Trump hat neue Exekutivverordnungen unterzeichnet. „Beautiful, clean coal“ nennt er das. Er will Cholla reaktivieren, Kohle retten, den Westen erhalten – und, implizit, das Weltbild jener, die sich durch Wandel bedroht fühlen. In Joseph City hoffen viele, dass es gelingt. Doch Hoffnung ist hier ein widersprüchliches Ding. Sie hält sich an Erinnerungen und widerspricht gleichzeitig der Realität. Denn die Fakten sind erbarmungslos: Immer mehr Kohlekraftwerke werden stillgelegt, aus wirtschaftlichen, aus regulatorischen, aus ökologischen Gründen. Und die Energieversorger? Sie sprechen von der Zukunft in Form von Solar, Gas, Wasserstoff. Von Nachhaltigkeit. Von Marktlogik. Von Verantwortung.

Und doch: In Springerville fühlt sich Fortschritt wie Bedrohung an. Der Bau von Windturbinen provoziert Wut. Man will den Blick auf den Himmel nicht teilen mit stählernen Rotoren. Tourismus sei in Gefahr, heißt es. Und mit ihm die letzte Illusion von Autonomie. Die Menschen dort sind keine Feinde der Vernunft. Sie sind Überlebende. Ihre Bindung zur Kohle ist keine Ideologie, sondern Überzeugung aus Erfahrung. Der Strom kommt nicht aus Ideen, sondern aus Generatoren. Und wer in einem Landstrich lebt, der ohne Kraftwerk zum Geisterdorf zu werden droht, fühlt sich von politischen Versprechungen weniger betrogen als vom Verstummen der realen Maschinen. Doch auch das ist Teil der Tragik: Was Trump verspricht, liegt nicht in seiner Hand. Die Energieversorger entscheiden. Und sie folgen nicht dem Pathos, sondern der Rentabilität.

Trump verkauft Träume, keine realen Perspektiven. Was er suggeriert, ist eine Rückkehr zu einer Vergangenheit, die wirtschaftlich, technisch und politisch nicht mehr tragfähig ist. Doch weil diese Vergangenheit gefühlt sicherer war als jede noch so vernünftige Zukunft, wird sie geglaubt. Nicht weil sie real ist, sondern weil sie Trost verspricht. Und Trost ist oft stärker als Wahrheit. So bleibt eine Landschaft zwischen Aufbruch und Abbruch. Solarzellen werden auf Rinderweiden montiert, Staub liegt auf alten Eisenbahnschienen, und Brantley Baird sieht die Welt sich weiterdrehen. „Hell, who knows?“ sagt er. Und meint damit nicht nur die Zukunft der Energie, sondern das Wesen Amerikas selbst: den ewigen Kampf zwischen Fortschritt und Erinnerung. Wir glauben an das, was wir verlieren. Und im Westen der USA glaubt man an die Kohle, weil sie geht. Nicht aus Unwissenheit. Sondern aus dem Wissen, dass ihre Zeit die eigene war. Was bleibt, ist das Warten. Und die leise Ahnung, dass auch dieser suggerierte Traum die Menschen von Joseph City in ein noch größeres Loch stürzen wird – weil man die Zukunft endgültig verpasst hat. Und mit ihr viele Hoffnungen.

„Und der Sonnenschein Arizonas ist ebenso wie die Atmosphäre: direkt, positiv, unverfälscht. Die Klarheit der Luft erlaubt es ihm, den Menschen und die Erde so zu erreichen, wie es göttlich vorgesehen war, und das Ergebnis ist, dass er Heilung, Stärke und Kraft auf seinen Flügeln bringt.“— George Wharton James, Arizona, the Wonderland (1917)

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
1 Kommentar
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Helga M.
Helga M.
3 Monate zuvor

…die unendlichen Weiten der USA… Die Menschen leben ein wenig hinter dem Mond, scheint mir. 😔🙈

1
0
Would love your thoughts, please comment.x