Der Supreme Court hat am Montag den Weg für neue, groß angelegte Migrationsrazzien in Los Angeles freigemacht – ein Schritt, der tief in die Grundrechte von Millionen Menschen eingreift. Mit einer Mehrheit von sechs zu drei Stimmen hob das konservativ dominierte Gericht die Verfügung der Bundesrichterin Maame E. Frimpong auf, die seit Juli das Vorgehen von ICE-Patrouillen in der Metropole erheblich eingeschränkt hatte. Frimpong hatte damals von einem „Berg an Beweisen“ gesprochen, der zeige, dass die „roving patrols“ der Einwanderungsbehörden in Los Angeles Menschen willkürlich aufhielten – darunter auch US-Bürgerinnen und Bürger. Sie hatte den Behörden untersagt, Personen allein aufgrund von Hautfarbe, Akzent, Aufenthaltsort oder Beruf zu kontrollieren. Dieser Schutzschirm ist nun weg. Der Supreme Court folgte der Argumentation des Justizministeriums, die Verfügung schränke die Handlungsfähigkeit der Beamten unzulässig ein und drohe ihnen Sanktionen an, selbst wenn sie weitere Verdachtsmomente hätten.
Die Entscheidung fällt in eine Zeit, in der die Trump-Regierung ihre Migrationspolitik mit aller Härte durchsetzt: Die Nationalgarde ist in der Hauptstadt stationiert, Marines unterstützen Abschiebeoperationen, und ICE fährt inzwischen wieder tägliche Razzien in der Region Los Angeles. Berüchtigt ist eine Operation vom August, bei der Agenten aus dem Laderaum eines gemieteten Umzugstrucks sprangen und Arbeiter auf einem Home-Depot-Parkplatz überwältigten – eine Szene, die inzwischen viral ging und die Angst vieler Menschen vor staatlicher Willkür bestätigt. Die drei liberalen Richterinnen und Richter, angeführt von Sonia Sotomayor, warnten in ihrer abweichenden Meinung vor einer massiven Aushöhlung des vierten Verfassungszusatzes. „Zahllose Menschen in der Region Los Angeles wurden bereits gegriffen, auf den Boden geworfen und in Handschellen gelegt – allein wegen ihres Aussehens, ihres Akzents oder weil sie einfache Arbeiten verrichten. Heute setzt das Gericht zahllose weitere denselben Demütigungen aus“, schrieb Sotomayor. Ihre Worte klingen wie eine Anklageschrift gegen das eigene Gericht, doch die Mehrheit der Richter ließ sich davon nicht beeindrucken.

Dieser Umbau des Gerichts ist eng mit einem Namen verbunden: Mitch McConnell. Der langjährige republikanische Mehrheitsführer im Senat nutzte jede prozedurale Lücke, um den Supreme Court dauerhaft nach rechts zu verschieben. 2016 blockierte er die Nominierung von Merrick Garland, dem gemäßigten Kandidaten von Barack Obama, mit der Begründung, es sei ein Wahljahr – eine Entscheidung, die als beispielloser Machtgriff in die Geschichte einging. Vier Jahre später, nur wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl 2020, peitschte er hingegen in Rekordzeit die Ernennung von Amy Coney Barrett durch – und verschaffte den Konservativen eine stabile 6:3-Mehrheit. McConnell machte daraus nie ein Geheimnis: Es ging ihm darum, die ideologische Ausrichtung des Gerichts für eine Generation festzuschreiben. Mit dieser Mehrheit wurden nicht nur Abtreibungsrechte gekippt, sondern nun auch die Schutzmechanismen gegen rassistisch motivierte Razzien in Los Angeles ausgehöhlt. Doch zunehmend geraten auch einzelne Richter persönlich in die Kritik. Besonders zwei Fälle stechen hervor: Clarence Thomas genießt seit Jahrzehnten Luxusurlaube auf der Yacht sowie private Flugreisen auf dem Jet des republikanischen Großspenders Harlan Crow – ohne diese als Geschenke offenzulegen. Diese und andere undeklarierte Leistungen summieren sich auf über vier Millionen Dollar in zwei Jahrzehnten. Auch Samuel Alito geriet in die Schlagzeilen, nachdem er sich zu einer exklusiven Luxusreise mit dem Hedgefonds-Milliardär Paul Singer einladen ließ – inklusive Hochseeangeln in Alaska. Statt Reue zeigte Alito demonstrativen Trotz und veröffentlichte einen Rechtfertigungsartikel im Wall Street Journal.

Zwar wurde 2023 ein Ethikkodex für die obersten Richter eingeführt, doch er ist zahnlos: Die Richter kontrollieren sich selbst, Sanktionen gibt es keine. Damit bleibt der Eindruck, dass ausgerechnet jene, die über die Verfassung wachen sollen, sich selbst über elementare Regeln der Transparenz hinwegsetzen. Ein Gericht, dessen Mitglieder mit Luxusreisen, Aktiengeschäften und Millionengeschenken Schlagzeilen machen, verliert jede moralische Autorität, wenn es im selben Atemzug Millionen Menschen in Los Angeles grundlegende Rechte entzieht. Die Kläger, ein Zusammenschluss von Einwanderungsrechtsgruppen, wollen sich damit nicht abfinden. Sie betonen, dass die eigentliche Klage nun in Kalifornien weitergehe und sie weiter dafür kämpfen werden, dass Bundesbehörden nicht ohne konkreten Verdacht Menschen festhalten dürfen. „Zahlreiche US-Bürgerinnen und -Bürger sowie Menschen mit gültigem Status wurden bereits Opfer von Übergriffen, viele wurden verletzt, mindestens zwei landeten in Haft“, heißt es in ihrer Stellungnahme. Doch die Entscheidung aus Washington ist mehr als nur ein juristischer Schlag: Sie ist ein politisches Signal. Los Angeles, eine Stadt mit fast 20 Millionen Menschen in der Metropolregion, fast die Hälfte davon mit hispanischen Wurzeln, ist seit Jahren ein Brennpunkt der Auseinandersetzung zwischen Sanctuary-Politik und Abschreckungsstrategie.

Siehe auch: Die zerbrochene Stadt: Los Angeles im Juni 2025 – Eine journalistische Aufarbeitung nach wochenlangen Recherchen unter: https://kaizen-blog.org/die-zerbrochene-stadt-los-angeles-im-juni-2025-eine-journalistische-aufarbeitung-nach-wochenlangen-recherchen/
Mit diesem Urteil könnte das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht werden. Schon jetzt wächst die Wut über Razzien, die an Kriegsbilder erinnern. Sollte ICE die Eskalation fortsetzen, droht Los Angeles zur Bühne eines Konflikts zu werden, der nicht nur juristisch, sondern auch gesellschaftlich kaum noch beherrschbar ist.
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Warum wundert mich das nicht?
Dieser Marionetten Supreme Court ist nur noch dazu da Trumps Dekrete zu legitimieren, seine Linie durchzupeitschen.
All das ohne mit der Wimper zu zucken, auch wenn es der Verfassung und geltendem Recht widerspricht.
Warum wird diese Korruption bei den Richtern nicht mehr in die Öffentlichkeit gerückt?
Oder gibt es dann trotzdem keinerlei Handhabe?
Du schriebst noch vor ein paar Tagen, dass die anderen Bundesrichter den Supreme Court „eigenhändig niederbrennen“, wenn die Urteile weiter so gefällt werden.
Tja, der korrupte Supreme Court macht genau so weiter.
Legitimation für Trump, in schõnster Einheit (außer den 3 demokratischen Richtern)
Und Trumps Regime bekommt immer mehr Macht.
Die Demontage der Demokratie läuft unvermindert weiter.
Trotz ein paar kleiner Hoffnungsfunken … die leider verglühen ohne den entscheidenden Flächenbrand zu entfachen.
Ich schrieb bei 7-0 für Trump würden sie den Supreme abbrennen ….das geht noch weiter, aber aktuell ist das Urteil so, aber ich bin gespannt, ob Trump das in L.A. wirklich komplett durchzieht, denn dann brennt es in L.A. – Es ist mittlerweile ein Kampf auf Augenhöhe, der gewinnt dort, die anderen wieder dort, heute war es trotzdem kein guter Tag für Trump und seine Zustimmung fällt und fällt. Bei 30% werden die Republikaner reagieren, und das könnte passieren, denn der Epstein Geburtswunsch, auch wenn das Wall Street Journal es an die Wand gefahren hatte, könnte sehr schwer für Trump wiegen. Man muss cool bleiben, egal wie es ist. Lasse Trump brüllen, das ist egal, nach vorne und auf sie mit Gebrüll