Süßes, Macht und Wahn – wenn der Präsident seine Verletzungen vor Kindern zeigt. Das hatten wir doch schon einmal …

VonRainer Hofmann

Oktober 31, 2025

Washington – Auf dem Südrasen des Weißen Hauses standen Kinder in bunten Kostümen, zwischen Kürbissen und Musik, als der Präsident der Vereinigten Staaten den Schritt auf die Bühne seiner eigenen Selbstinszenierung machte. Donald Trump erschien ohne Maske, aber doch verkleidet – in seiner Rolle als Herrscher über ein Land im Stillstand. Es war der 30. Tag des Regierungs-Shutdowns, Millionen Amerikaner wussten nicht, wie sie ihre Lebensmittel bezahlen sollten, doch der Präsident feierte Halloween.

Neben ihm: Melania Trump, elegant und kühl, in einem braunen Mantel über einem orangefarbenen Kleid. Die beiden verteilten Schachteln mit Twizzlers und großen Hershey-Schokoladentafeln, verziert mit dem Siegel des Präsidenten. Davor eine lange Reihe von Kindern und Eltern – Superhelden, Dinosaurier, Prinzessinnen. Manche Kinder trugen rote „USA“-Kappen wie er, zwei Jungen sogar Anzug und Krawatte, lächelnd, mit Mini-Trump-Miene. Ein Mädchen neben ihnen trug einen weißen Mantel, fast eine Kopie eines Outfits der First Lady.

Während das Orchester eine Instrumentalversion von Michael Jacksons „Thriller“ spielte, blieb der Blick auf die Baustelle hinter den Mauern verdeckt. Provisorische Wände verbargen, was Trump lieber nicht zeigen wollte: den Bau seines neuen Ballsaals, für den Teile des East Wing abgerissen wurden. Nur ein verlassener Bulldozer war durch eine Lücke zu erkennen – Symbol einer Präsidentschaft, die selbst an Halloween lieber baut als heilt.

„Es ist eine lange Schlange“, witzelte Trump. „Fast so groß wie der Ballsaal.“

Doch hinter dem Scherz lag der alte Reflex: alles auf sich zu beziehen. Noch vor wenigen Tagen war er von einer sechstägigen Asienreise zurückgekehrt – Malaysia, Japan, Südkorea – und präsentierte sich nun, als sei nichts geschehen. Kein Wort über die über 40 Millionen Amerikaner, deren Lebensmittelhilfe wegen des Shutdowns zu enden droht. Kein Wort über die Eltern, die an Tafeln anstehen, während ihre Kinder in der Hauptstadt verkleidet Zucker sammeln.

Ein erschreckendes Schauspiel krankhafter Selbstverherrlichung

Stattdessen zeigte Trump inmitten der Halloween-Feier Kindern erneut Bilder, die ihn verletzungsgezeichnet nach dem Attentat vom 13. Juli 2024 zeigten – dieselben Aufnahmen, die er bereits am Osterfest 2025 vor Kindern präsentiert hatte.

Bereits am 22. April 2025 dokumentierten wir eine identische Szene im Artikel: „Das gefährliche Lächeln des Märtyrers – Wie Donald Trump sich Kindern als Überlebender eines Attentats inszeniert“ unter dem Link: https://kaizen-blog.org/das-gefaehrliche-laecheln-des-maertyrers-wie-donald-trump-sich-kindern-als-ueberlebender-eines-attentats-inszeniert/

Auf dem Bild ist Trump mit erhobener Faust und blutverschmiertem Gesicht zu sehen. Die Karte trägt den Slogan: „Fight Fight Fight“ – und wird derzeit auf eBay für 24,95 Dollar verkauft, eingeschweißt in Schutzfolie, wie ein historisches Artefakt aus einer entgleisten Zeit.

Nun wiederholte er die Szene, zwischen Kürbissen und Lächeln, während kleine Kinder auf ihn starrten. Es war, als wollte er sich selbst als Held der Nacht darstellen, als Opfer und Sieger zugleich. Dutzende ausgesuchte Reporter beobachteten, wie er mit seiner roten Kappe durch die Reihen ging. Für einen kurzen Moment schien es, als würde er sich an den Kindern erfreuen – bis ein Junge in einem aufblasbaren Toilettenkostüm an ihm vorbeiging. Auf dem Rücken stand „Wide Load“. Trump beugte sich zu ihm hinunter und sagte etwas Unverständliches, das Lachen in der Menge klang erzwungen.

Das Weiße Haus war geschmückt mit Herbstblättern aus Stoff, orangeroten Chrysanthemen und geschnitzten Kürbissen auf der Treppe zum Balkon. Alles wirkte sorgfältig inszeniert, fast zu perfekt – als wolle man vergessen, dass das Land draußen stillsteht. Keine Gehaltszahlungen für hunderttausende Staatsangestellte, keine Lebensmittelgutscheine ab November, kein Ende in Sicht. In dieser Kulisse wirkt Halloween wie ein Spiegel der Macht: Kinder in Plastikmasken spielen Unschuld, während der Präsident seine eigene trägt. Er spricht von Einheit, aber verteilt Schokolade auf einem Rasen, auf dem kein Lohn, kein Gesetz, kein Kompromiss mehr wächst. So bleibt von diesem Abend weniger das Bild einer fröhlichen Feier als das eines Mannes, der die Bühne selbst dann nicht verlässt, wenn das Land im Dunkeln steht. Ein Präsident, der die Schwäche anderer als Kulisse nutzt und seine eigene Verletzung vor Kindern zur Ikone erhebt. Kein normaler Mensch würde das tun. Doch Donald Trump spielt längst nicht mehr in der Welt der Normalität. Er regiert im Theater seiner eigenen Wunden – und ruft selbst an Halloween: Vorhang auf.

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