Rubio als Held? Machtkämpfe in der Trump-Regierung? In Deutschland kursiert eine verdrehte Geschichte – und sie ist einfach Unsinn

VonRainer Hofmann

November 27, 2025

Gerade in Deutschland verbreitet sich ein Bild, das mit der Realität in Washington wenig zu tun hat: Marco Rubio als der Mann, der in letzter Sekunde einen für die Ukraine fatalen Plan entschärft habe. Ein Außenminister als letzter Schutzwall gegen Kreml-Forderungen. Ein Republikaner, der sich angeblich gegen Jared Kushner, Steve Witkoff und JD Vance gestellt habe. Doch wer sich die Fakten anschaut, sieht etwas völlig anderes. Das romantisierte Bild, das gerade in sozialen Netzwerken und selbst in seriösen Medien die Runde macht, ist kein Missverständnis – es ist verzerrt, unvollständig und politisch bequem. Und es lenkt vom entscheidenden Punkt ab: Rubio verteidigt bis heute denselben Rahmen, den seine angeblichen Gegenspieler entworfen haben. Und genau dieser Rahmen ist das Problem, denn am 18. November 2025 ließ Rubio nach Einsicht in den Entwurf erkennen, dass er ihn für unausgewogen hielt und vor allem als Risiko für amerikanische Interessen betrachtete – nicht für die Ukraine.“

Der ursprüngliche 28-Punkte-Plan aus dem Trump-Umfeld, entworfen von Witkoff und Kushner und mit Kreml-nahen Kontakten abgestimmt, verlangte der Ukraine nichts Geringeres ab als Gebietsverzicht, eine Entmachtung der eigenen Armee, den Abschied von der Nato-Perspektive und eine Sonderrolle Russlands ohne gleichwertige Verpflichtungen. In Europa löste das Alarm aus – zu Recht. Doch in Deutschland machte man daraus plötzlich die Geschichte eines Mannes, der heldenhaft dazwischen glitt und in Genf „die schlimmsten Punkte herausverhandelte“.

Genau hier beginnt die Irreführung. Denn die entscheidende Passage fehlt fast überall: Der Plan existiert weiter. Und Rubio verteidigt ihn. Selbst nachdem NBC berichtete, US-Heeresminister Daniel Driscoll habe der Ukraine mit einer „unmittelbar bevorstehenden Niederlage“ gedroht, standen Rubio und Vance zusammen, reagierten öffentlich auf X und nannten die Berichte „zu hundert Prozent erfunden“. Sie stellten sich nicht gegeneinander – sie stellten sich nebeneinander. Sie sprachen von „geschlossener Arbeit“ und „Einigkeit im Vorgehen“. Wer behauptet, hier sei Rubio der innere Widerstand gegen die eigene Regierung, verbreitet ein falsches Bild. Und noch wichtiger: Rubio dementierte nur das Schlagwort von der „unmittelbaren Niederlage“. Er dementierte nicht, dass Driscoll den Plan in Kiew vorgelegt hat. Er dementierte nicht, dass der Plan Gebietsverzicht vorsieht. Er dementierte nicht, dass die Begrenzung der ukrainischen Streitkräfte weiterhin Teil des Rahmens ist. Er dementierte nicht, dass die USA die Ukraine unter massiven Druck setzen.

„Diese Geschichte ist nur das jüngste Beispiel einer seit Langem laufenden Serie von zu hundert Prozent erfundenen Falschmeldungen, die einen Riss innerhalb der Trump-Regierung darüber behaupten, wie der Krieg in der Ukraine beendet werden soll. Diese Leute liegen nicht einfach falsch – sie erfinden Dinge.“

Das alles lässt man in Deutschland großzügig unter den Tisch fallen – denn es passt nicht in die bequeme Geschichte vom „guten Republikaner“, der sich dem Chaos entgegenstellt. Es klingt schöner zu behaupten, Rubio habe den Plan auf „19 Punkte“ zusammengekürzt und „ukrainischer gemacht“. Doch die Wahrheit ist schlicht: Keiner kennt genau die Änderungen. Die Republikaner, die sich tatsächlich gegen den Plan stellen, die hingegen bleiben zumeist unerwähnt.

In Brüssel und Kiew spricht kaum jemand von einem „geretteten Plan“. Man spricht von einem Dokument, das kosmetisch verändert wurde, aber in seiner Grundlinie gleich blieb. Man spricht von wachsendem Druck aus Washington. Man spricht von einem möglichen Ende der militärischen Unterstützung, falls Kiew nicht nachgibt. In Deutschland aber wird aus dieser Lage ein Märchen gestrickt – und das ist nicht nur falsch, sondern gefährlich. Denn wer behauptet, Rubio sei der Garant dafür, dass die Ukraine nicht fallen gelassen wird, schafft eine Illusion. Eine Illusion, die die Lage harmloser erscheinen lässt, als sie ist. Eine Illusion, die den tatsächlichen Druck verschweigt, der auf Kiew lastet. Und eine Illusion, die die Verantwortung der US-Regierung vernebelt, die seit Monaten versucht, einen Deal durchzudrücken, der in Moskau gefeiert würde. Die harte Realität lautet: Rubio und Vance unterscheiden sich weniger, als manche glauben. Sie haben unterschiedliche Töne, aber dieselbe Richtung. Wer das ignoriert, trägt zur Verwirrung bei – und zur Verharmlosung eines Plans, der die Ukraine an den Rand drängt.

„Der Friedensvorschlag wurde von den USA verfasst. Er wird als starkes Gerüst für laufende Verhandlungen angeboten. Er beruht auf Beiträgen der russischen Seite. Aber er beruht ebenso auf früheren und laufenden Beiträgen der Ukraine.“

Was gerade in Deutschland geteilt wird, ist keine Analyse. Es ist ein geglättetes Bild, das den politischen Druck, die tatsächlichen Machtverhältnisse und die Rolle des Außenministers verzerrt. Es ist Desinformation durch Weglassen. Und genau deshalb muss man das offen ansprechen. Rubio ist nicht der Mann, der die Ukraine gerettet hat. Er ist der Mann, der den Rahmen verteidigt, der sie in ein gefährliches Abhängigkeitsverhältnis drängt und amerikanische Interessen gefährdet.

Und das ist die Geschichte.

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