Es ist ein sonniger Julitag in Wien, doch was sich in der Innenstadt abspielt, ist eine Zumutung für jede demokratische Gesellschaft. Gelbe Fahnen, martialische Parolen, Rauchbomben und ein sichtlich euphorischer Martin Sellner, der am Denkmal des Antisemiten Karl Lueger steht, den rechten Aufmarsch eröffnet – mit Handschlag für die Polizei und breitem Grinsen in die Kameras. Die selbsternannte „Identitäre Bewegung“ marschiert wieder – geschützt von einem massiven Polizeiaufgebot, begleitet von Gegendemonstrationen und Wut, von entschlossenem Protest und ohnmächtiger Fassungslosigkeit. Und die zentrale Frage lautet: Wie kann es sein, dass eine verfassungsfeindliche Bewegung wie diese noch immer demonstrieren darf? Unter dem Tarnbegriff „Remigration“ ruft die IB zu Massenabschiebungen auf, hetzt gegen Migranten, fabuliert vom „Bevölkerungsaustausch“ und inszeniert sich als Hüterin eines vermeintlich bedrohten Europas. Was sie in Wahrheit propagiert, ist rassistische Selektion – eine Ideologie, die tief in neofaschistische Gedankenwelten reicht und längst internationale Netzwerke ausgebildet hat. Die diesjährige Mobilisierung war europaweit, angereist waren wieder einmal auch Vertreter der AfD-Jugend und FPÖ-Funktionäre. Und während Sellner sich über das mediale Interesse freut, reiben sich Passant:innen fassungslos die Augen – Wien ist für einen Nachmittag zum Durchmarschplatz der extremen Rechten geworden.
Doch dem Aufmarsch am 26. Juli 2025 stellte sich Widerstand entgegen. Hunderte Antifaschist:innen, viele davon aus zivilgesellschaftlichen und linken Bündnissen, zogen lautstark durch die Stadt. Die Kommunistische Jugend, feministische Gruppen, migrantische Initiativen und Studierende versammelten sich unter Mottos wie „Rassismus hat keinen Platz in Wien“ und „Gegen faschistische Wiederbetätigung“. Immer wieder kam es zu Sitzblockaden – insbesondere am Stephansplatz, an der Wollzeile und auf Höhe Tuchlauben. 48 Personen wurden vorläufig festgenommen, manche wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, andere, weil sie versuchten, die Route der Identitären zu blockieren. Eier flogen, auch mit Fäkalien befüllte Beutel – Auswüchse eines Tages, an dem der demokratische Konsens auf offener Straße brüchig wirkte. Was besonders verstörte: Der demonstrative Gleichmut der Behörden gegenüber der rechtsextremen Inszenierung. Während Gegendemonstrant:innen abgedrängt und weggetragen wurden, marschierten die Identitären, begleitet von Musik und „Ausländer raus“-Rufen, durch die historische Altstadt – vorbei an irritierten Tourist:innen, flankiert von Beamten in voller Montur. Der Staat wirkt in solchen Momenten nicht wie ein Verteidiger der Verfassung, sondern wie ein Statist auf der Bühne der Verächtlichmachung. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten: SPÖ-Vizekanzler Andreas Babler nannte die Veranstaltung einen „Angriff auf die Menschenwürde“. Die Grünen sprachen von einem „Reinfall für die neofaschistischen Identitären“, da trotz monatelanger Mobilisierung nur wenige hundert Rechte kamen. Doch das ändert nichts am Prinzip: Sie durften kommen. Und marschieren. Und ihre Parolen brüllen.
Es reicht. Wer heute noch glaubt, der Begriff der Meinungsfreiheit sei ein Freifahrtschein für organisierte Hetze, irrt gewaltig. Eine Demokratie darf ihre Feinde nicht hofieren. Sie muss sie erkennen, benennen – und ihnen Grenzen setzen. Die Identitäre Bewegung ist keine Jugendgruppe, keine Denkfabrik, kein kulturelles Korrektiv. Sie ist das ideologische Einfallstor eines neuen Faschismus, und ihre Strukturen sind gut dokumentiert. Dass Österreich dieser Bewegung Jahr für Jahr gestattet, unter Polizeischutz durch die Hauptstadt zu ziehen, ist ein demokratischer Offenbarungseid. Dass auch Deutschland trotz Beobachtung durch den Verfassungsschutz kein Verbot ausspricht, ist ein Versäumnis mit Ansage. Martin Sellner mag sich als smarter Stratege inszenieren – in Wahrheit ist er der Schreihals einer Bewegung, die auf Verachtung gründet. Verachtung für Vielfalt, für Pluralismus, für die offene Gesellschaft. Wenn man ihn und seine Gefolgschaft noch weiter gewähren lässt, werden sie das politische Klima weiter vergiften. Die Grenze ist längst überschritten. Die Identitäre Bewegung gehört verboten. Nicht irgendwann. Sondern jetzt.
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1933 …. die Geschichte wiederholt sich.
Ich hoffe, dass die Demokratie stark genug ist.
Mutige genug endlich antidemokratische Vereinigungen zu verbieten.
Damit meine ich ALLE verfassungsfeindlichen Vereinigungen.
Freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut.
Ebenso das Recht auf Versammlung/Demonstration.
Aber es darf kein Freifahrtschein für antidemokratische und verfassungsfeindliche Aufmärsche sein.
Kein Freifahrtschein für offene Hetze, die weit uber das Maß an tolerierbaren hinaus geht.
kein Freifahrtschein für Parallelgesellschaften, die offen demokratische Grundwerte und die Gleichheit der Menschen ablehnen.
Irgendwann ist genug!
Dieser braune Dreck muß einfach weg.