Provo: Erste Anhörung im Fall Tyler Robinson – Anklage wegen Mordes mit besonderer Schwere – Die Beweislast ist erdrückend

VonRainer Hofmann

September 16, 2025

Es war ein nüchterner Rahmen für ein Ereignis, das in seiner Tragweite längst die Grenzen von Utah überschritten hat: Im vierten Distriktgericht von Provo, Utah County, fand am Dienstag die erste Anhörung im Fall State of Utah v. Tyler James Robinson statt. Der 22-Jährige, dem vorgeworfen wird, den extrem rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk auf dem Campus der Utah Valley University erschossen zu haben, wurde per Videoschaltung aus der Haftanstalt zugeschaltet. Bei der kurzen Videoschalte machte Robinson selbst keine Angaben zur Sache.

Der Richter beschränkte sich darauf, die Anklagepunkte zu verlesen und den weiteren Ablauf des Verfahrens zu skizzieren. Bis zur Bestellung eines Verteidigers bleibt Robinson ohne rechtliche Vertretung in Untersuchungshaft. Der zuständige Staatsanwalt Jeff Gray verlas die Anklagepunkte: „Aggravated Murder“ (Mord mit besonderer Schwere), „Felony Discharge of a Firearm“ (schweres Entladen einer Schusswaffe mit Verletzungsfolge) und „Obstruction of Justice“ (Behinderung der Justiz). Das Verfahren läuft unter der OTN-Nummer 70090584.

Die Staatsanwaltschaft machte deutlich, dass es um ein Kapitalverbrechen geht, bei dem die Todesstrafe im Raum steht. Gray sprach von einer „amerikanischen Tragödie“ und präsentierte eine Reihe von Beweisen, die Robinson direkt mit der Tat in Verbindung bringen sollen. DNA-Spuren, die „mit Robinson übereinstimmen“, wurden am Abzug des Repetiergewehrs, an weiteren Teilen der Waffe, an einer abgeschossenen Patronenhülse sowie an zwei der drei nicht abgeschossenen Patronen sichergestellt. Auch auf einem Handtuch, in das das Gewehr eingewickelt gewesen war, fanden Ermittler entsprechende Spuren. Darüber hinaus wiesen die Fahnder Kleidungsstücke als Beweismittel aus, die Robinson nach der Tat abgelegt und verborgen haben soll. Eine von den Ermittlern sichergestellte Notiz, die unter einer Tastatur in seiner Wohnung gefunden wurde, enthält den Satz: „Ich hatte die Gelegenheit, Charlie Kirk auszuschalten, und ich werde sie nutzen.“ Ergänzt werden diese Indizien durch Textnachrichten an seinen Mitbewohner und Lebenspartner, in denen Robinson seine Beteiligung eingestand und erklärte, er habe „genug von Kirks Hass“ gehabt.

Dieser Dialog, der kurz nach dem Mord entstand, markiert den Bruch zwischen zwei jungen Männern – und liest sich wie das unfassbare Protokoll einer Selbstentlarvung.

Robinson: „Mir geht es noch ganz okay, Liebes, aber ich stecke noch eine Weile in Orem fest. Sollte nicht lange dauern, bis ich nach Hause kommen kann, aber ich muss mein Gewehr noch holen. Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dieses Geheimnis bis zu meinem Tod im hohen Alter zu bewahren. Es tut mir leid, dass ich dich da mit hineingezogen habe.“

Mitbewohner: „Du warst nicht derjenige, der es getan hat, oder????“

Robinson: „Doch, tut mir leid.“

Mitbewohner: „Ich dachte, sie hätten den Täter gefasst?“

Robinson: „Nein, sie haben irgendeinen alten Typen geschnappt und dann jemanden mit ähnlicher Kleidung verhört. Ich hatte geplant, mein Gewehr kurz darauf von meinem Ablageort zu holen, aber der größte Teil der Stadtseite wurde abgeriegelt. Es ist ruhig, fast genug, um rauszukommen, aber ein Fahrzeug bleibt dort stehen.“

Mitbewohner: „Warum?“

Robinson: „Warum ich es getan habe?“

Mitbewohner: „Ja.“

Robinson: „Ich hatte genug von seinem Hass. Manche Formen von Hass kann man nicht wegdiskutieren. Wenn ich mein Gewehr unbemerkt holen kann, bleibt keine Spur zurück. Ich werde versuchen, es wiederzubekommen, hoffentlich sind sie inzwischen weg. Ich habe nichts gesehen, dass sie es gefunden hätten.“

Mitbewohner: „Wie lange hast du das geplant?“

Robinson: „Etwas mehr als eine Woche, glaube ich. Ich komme nah ran, aber da steht ein Streifenwagen direkt daneben. Ich denke, sie haben den Ort schon durchsucht, aber ich will es nicht riskieren.“

Robinson: „Ich wünschte, ich wäre zurückgegangen und hätte es gleich geholt, als ich zu meinem Wagen kam. … Ich mache mir Sorgen, was mein Vater tun würde, wenn ich das Gewehr meines Opas nicht zurückbringe … keine Ahnung, ob es eine Seriennummer hat, aber es würde nicht zu mir zurückverfolgt werden. Ich mache mir Sorgen wegen Fingerabdrücken – ich musste es in einem Gebüsch zurücklassen, wo ich die Kleidung gewechselt habe. Ich hatte weder die Möglichkeit noch die Zeit, es mitzunehmen. … Vielleicht muss ich es aufgeben und hoffen, dass sie keine Abdrücke finden. Wie zum Teufel soll ich meinem Alten erklären, dass ich es verloren habe …“

Die Worte wirken verstörend in ihrer Kälte, zugleich fast beiläufig in ihrer Vertraulichkeit. Zwischen dem Bedürfnis, Beweise verschwinden zu lassen, und der Angst, dem eigenen Vater Rechenschaft ablegen zu müssen, öffnet sich der Abgrund einer Tat, die das Land erschüttert hat.

Robinson, geboren 2003, in St. George aufgewachsen, Sohn republikanischer Eltern, war einst Teil des konservativen Milieus, bevor er sich nach Angaben seiner Familie in den letzten Jahren politisch nach links bewegte. Die Ermittler sprechen von Radikalisierung in „dunklen Ecken des Internets“. Er selbst schrieb über Kirk: „Ich hatte genug von seinem Hass. Manche Formen von Hass kann man nicht verhandeln.“ Nach der Tat entsorgte Robinson das Gewehr und Kleidungsstücke, er bat seinen Mitbewohner, Beweise verschwinden zu lassen. Er selbst blieb in der Gegend, fuhr nicht weit – und wurde zwei Tage später bei St. George festgenommen. Entscheidend war der Hinweis aus seiner Familie, die das Fahndungsfoto im Fernsehen erkannte und ihren Sohn zur Rückkehr bewegte.

Staatsanwalt Jeff Gray

Die Staatsanwaltschaft präsentierte zudem Munition, auf deren Patronen Robinson Botschaften eingeritzt hatte – von hämischen Parolen bis zu Spott über politische Gegner. Es wirkt wie der Versuch, die Tat in ein Spiel zu verwandeln, das am Ende in einer tödlichen Realität mündete. Der Ablauf des Mordes ist inzwischen klar umrissen: Am 10. September sprach Charlie Kirk im Innenhof der Utah Valley University vor Studierenden, als Robinson vom Dach des Losee Center mit einem Repetiergewehr das Feuer eröffnete. Der Schuss traf Kirk in den Hals, er starb kurz darauf im Krankenhaus. Ein Universitätsbeamter, der die Menschenmenge von erhöhter Position aus überwachte, hatte den Schützenstand schnell identifiziert. Dort fanden Ermittler unmittelbar Spuren, die zu Robinson führten. Dass der Angeklagte nun per Videolink aus der Haftanstalt zugeschaltet wurde, war auch Ausdruck der Vorsicht: Die Sicherheitslage, die schon am Tatabend kritisiert wurde, prägt weiter den Umgang mit diesem Verfahren. Staatsanwalt Jeff Gray verlas bei der Anhörung auch eine von Ermittlern ausgewertete Nachricht Robinsons. Darin bezeichnete dieser die Gravuren auf den Patronen als „hauptsächlich nur ein Meme“. Wörtlich schrieb er: „Wenn ich ‚notices bulge OwO‘ bei Fox News sehe, kriege ich einen Schlaganfall, klar.“ Damit stellte Robinson die öffentliche Deutung der Inschriften als ideologische Botschaften infrage.

Robinsons Mutter erklärte, dass ihr Sohn im letzten Jahr politischer geworden sei und sich stärker nach links orientiert habe – er sei zunehmend pro-schwul und transrechte-orientiert gewesen. Sie sagte, Robinson habe angefangen, mit seinem Mitbewohner zu daten, einem biologischen Mann, der sich im Übergang befand. Dies habe zu mehreren Diskussionen mit Familienmitgliedern geführt, insbesondere zwischen Robinson und seinem Vater, die sehr unterschiedliche politische Ansichten hätten. In einem Gespräch vor der Schießerei erwähnte Robinson, dass Charlie Kirk eine Veranstaltung an der UVU abhalten würde, die Robinson als einen „dummen Ort“ für das Event bezeichnete. Robinson warf Kirk vor, Hass zu verbreiten.

Robinsons Vater berichtete, dass er, als seine Frau ihm das Überwachungsbild des mutmaßlichen Schützen in den Nachrichten zeigte, zustimmte, dass dieser wie ihr Sohn aussah. Er glaubte außerdem, dass das Gewehr, von dem die Polizei vermutete, es sei verwendet worden, dem Gewehr ähnele, das er seinem Sohn als Geschenk gegeben hatte. Infolgedessen habe Robinsons Vater seinen Sohn gebeten, ihm ein Foto des Gewehrs zu schicken. Robinson habe jedoch nicht geantwortet. Robinsons Vater habe daraufhin telefonisch mit ihm gesprochen. Robinson habe angedeutet, dass er vorhabe, sich das Leben zu nehmen. Robinsons Eltern konnten ihn jedoch überzeugen, sich mit ihnen bei ihrem Zuhause zu treffen.

Während sie die Situation besprachen, deutete Robinson an, dass er der Schütze sei, und erklärte, er könne nicht ins Gefängnis gehen und wolle einfach damit Schluss machen. Auf die Frage, warum er es getan habe, erklärte Robinson, dass „dieser Typ [Charlie Kirk] zu viel Hass verbreitet“. Sie sprachen darüber, dass Robinson sich stellen solle, und überzeugten ihn schließlich, mit einem Familienfreund zu reden, der ein pensionierter Sheriff-Stellvertreter war. Auf Bitte von Robinsons Vater traf sich der Familienfreund mit Robinson und dessen Eltern und überzeugte Robinson, sich zu stellen.

Die juristische Dimension ist eindeutig: „Aggravated Murder“ – Mord mit besonderer Schwere – macht den Fall zu einem der seltenen Prozesse in Utah, bei denen die Todesstrafe ernsthaft in Betracht gezogen wird. Gleichzeitig bleiben die gesellschaftlichen Fragen offen: Wie konnte ein junger Mann in einem konservativen Elternhaus zu einem politischen Attentäter werden? Welche Rolle spielten das Internet, persönliche Konflikte, politische Polarisierung? Und wie geht ein Land damit um, wenn die eigene Demokratie zu einer Arena tödlicher Feindschaften geworden ist?

Siehe auch unseren Artikel: „Die verzerrten Wahrheiten um Tyler Robinson und Nachrichten aus der Hölle“, unter dem Link: https://kaizen-blog.org/die-verzerrten-wahrheiten-um-tyler-robinson-und-nachrichten-aus-der-hoelle/

Am Ende der Anhörung machte Staatsanwalt Jeff Gray deutlich, dass dies kein Fall sein werde, der in juristischen Details versande: „Die Ermordung von Charlie Kirk ist eine amerikanische Tragödie.“ Worte, die schwer im Raum lagen – schwerer noch als das Bild des Angeklagten, der mit ernster Miene aus der Ferne in den Gerichtssaal zugeschaltet war.

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Ela Gatto
Ela Gatto
7 Tage zuvor

Es wird zur Todesstrafe führen.
Wenn ich sehe, was der Tod von Kirk ausgelöst hat, ist das die einzige und traurige Folge.

Nur am Rande …. es hat keiner die Todesstrafe für den Mörder von Melissa Hortman und ihrem Mann gefordert …..

So heuchlerisch ist MAGA

Helga
Helga
4 Tage zuvor

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