Medienkritik: Wenn die FAZ den USA das Mikro hinhält – und Deutschland sprachlos bleibt

VonRainer Hofmann

August 15, 2025

Es ist ein bemerkenswertes Schauspiel, wenn einer der größten Tageszeitungen Deutschlands eine Breitseite aus Washington dokumentiert – und sie im Kern einfach so stehen lässt. Der jüngste Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums attestiert Deutschland „schwerwiegende Menschenrechtsverstöße“ und stellt die Bundesrepublik damit schlechter dar als El Salvador.

https://www.faz.net/aktuell/politik/usa-unter-trump/usa-werfen-deutschland-schwere-menschenrechtsverstoesse-vor-110635582.html

Wahrscheinlich hat diesen Bericht Rubio persönlich geschrieben – nachdem er bei Weidel und Höcke durchgeklingelt hat, um sich ein paar knackige Formulierungen abzuholen. Das ist nicht nur diplomatischer Sprengstoff, sondern in seiner politischen Zielrichtung offensichtlich. Doch anstatt diese Angriffe inhaltlich zu sezieren, wählt die FAZ in ihrem Bericht den Weg des geringsten Widerstands: Die Vorwürfe werden präsentiert, garniert mit ein paar formelhaft-verteidigenden Zitaten aus Berlin – und bleiben damit im öffentlichen Raum hängen, wie in Marmor gemeißelt. Dabei gäbe es reichlich Stoff für eine fundierte Gegenrecherche. Die US-Bewertung stützt sich auf „glaubwürdige Berichte“, ohne sie zu belegen. Wo sind diese Berichte eigentlich? Aus dem geheimen Archiv des Doktor Mabuse? Oder hat sie ein Praktikant bei einem schnellen Anruf bei NIUS zusammengekratzt? Langsam wird es richtig peinlich. Sie übernimmt den längst widerlegten, populistischen Spin, „Massenzuwanderung“ sei ein Haupttreiber für Antisemitismus in Deutschland – ein Narrativ, das in rechtsextremen Kreisen seit Jahren zirkuliert. Sie verschweigt, dass die drastische Herabstufung Deutschlands und die auffällige Aufwertung El Salvadors in frappierendem Gleichschritt mit der politischen Agenda der Trump-Regierung stehen, die in Europa gezielt Druck auf liberale Demokratien aufbaut. All das wäre erklär- und belegbar – doch in der Berichterstattung bleibt es unerwähnt.

Hier noch einige Urlaubsimpressionen aus dem „demokratischen“ El Salvador – Teile der Aufnahmen, die uns dank guter Kontakte und im Verborgenen gelingen konnten.

Was bleibt, ist der Eindruck einer deutschen Leitmedienlandschaft, die in internationalen Machtspielen lieber stenografiert als kontert. Wer einem politisch motivierten US-Bericht auf diese Weise Raum gibt, ohne dessen schwache Beweisbasis und parteiliche Schlagseite zu demontieren, wirkt nicht wie ein kritischer Wächter der Demokratie, sondern wie ein bereitwilliger Verstärker fremder Propaganda. Rückgrat sähe anders aus. Es würde bedeuten, die eigenen demokratischen Standards offensiv zu verteidigen – nicht nur mit einem Zitat wie „Das ist ein freies Land“, sondern mit harten Fakten, klaren Vergleichen und der schonungslosen Analyse, wie und warum die USA Deutschland in diesem Bericht zum Feindbild formen. Alles andere ist Schweigen in der Pose des Journalismus. Und was investigativen Journalisten bei solchem Pseudo-Journalismus so richtig auf den Zeiger geht: Diese Medien kassieren dafür auch noch – wahrscheinlich exakt 30 Silberlinge. In Washington, D.C. unterhält die FAZ ein Korrespondentenbüro – genau dort also, wo die Autorin dieses Artikels ihren Arbeitsplatz hat. Man fragt sich unweigerlich, was geschehen ist. Vielleicht hat man sie schlicht nicht mehr hinausgelassen, weil doch alles so „human“ in den Vereinigten Staaten sein soll, oder ist noch immer auf der Suche nach dem Büro für Menschenrechte des Außenministeriums der USA, ja, das wird schwer zu finden sein …

So sieht echte Demokratie aus mit einem freundlichen Gruß von der Union StationMan läuft sich bestimmt hier mal über den Weg

Vielleicht sollten wir der FAZ mal einen kleinen Ausflug spendieren – runter nach El Salvador, wo wir schon oft genug waren – und ihnen dort bei einem schönen Gefängnishofgang erklären, was „politische Gastfreundschaft – made in USA“ wirklich bedeutet. Danach könnte man sie an die Union Station in Washington stellen, mit einem großen Schild in der Hand: „Trump is not my president“. Und dann, ja dann, darf der FAZ-Schreiberling erleben, wie schnell man in Amerika seinen Arbeitsplatz gegen eine Zelle eintauscht. Die Kolumnen schreibt man dann aus dem US-Knast – aber keine Sorge: Die Meinungsfreiheit in den USA ist ja bekanntlich „sehr hoch“. Lachhaft. Und liebe FAZ, in Washington – das ist nicht etwa die amerikanische Ausgabe der Mittelalterfestspiele, sondern so sieht es aus, wenn die Rechte der Menschen mit Füßen getreten werden.

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Claudia
Claudia
1 Monat zuvor

Ich denke, wir sollten langsam mit den USA über Ramstein reden. Auszug asap.

Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

Ein super Bericht Rainer, der mir sehr aus der Seele spricht.

Schon seit Monaten ärgere ich mich über due Schlagzeilen, die unzureichenden oder gar falschen Berichte in der deutschen Medienlandschaft.

Und damit meine ich nicht Bild und Co.
Sondern Tagesschau, Tagesspiegel, ZDF, FAZ, den Fernsehsender Welt, etc.
Auch bei Ntv mehren sich unbelegte Narrative, Wobei sie noch am „besten“ berichtet.

In den USA kommt von den Medien fast nichts mehr an kritischen Stimmen.
Wenn, dann wird „sachlich“ nicht mehr kritisch, berichtet.
Proteste werden nur noch als Randnotiz erwähnt.
Da stehen die Journalisten auch mit einem Bein im Knast, dem Sender/Zeitung drohen Milliardenklagen und der Job ist ein Schleudersitz geworden.
Ach ja, das Land der freien Meinungsäußerung…. 1st Amendment verkommt zur Lachnummer.

Euer Mut Rainer ist unbezahlbar.
Leider ist nicht Jeder so stark und geradlinig für die demokratischen Grund- und Menschenrechte einzustehen.

Last edited 1 Monat zuvor by Ela Gatto
Irene Monreal
Irene Monreal
1 Monat zuvor

Die Anhänger der AfD teilen das schon tausendfach und unsere Medien, sowie die politische Kaste machen Sommerferien.
Nö, brauchen wir nicht kommentieren, weiß doch jeder…., ach ja?!

Last edited 1 Monat zuvor by Irene Monreal
Geisler Manfred
Geisler Manfred
1 Monat zuvor

Ich kann gar nicht sagen, wie traurig mich das macht.

BjörnK
BjörnK
1 Monat zuvor

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