Los Angeles ist ein Pulverfass – Trumps Nationalgarde gegen die eigene Bevölkerung

VonRainer Hofmann

Juni 8, 2025

Es ist ein Licht, das über der Stadt flackert – kein Sonnenaufgang, sondern das Zucken von Polizeisirenen, brennenden Müllcontainern und der grellen, unversöhnlichen Gegenwart eines Staates, der sich gegen seine Bürger wendet. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni ist Los Angeles zum Zentrum einer politischen Erschütterung geworden, die sich längst nicht mehr in Parolen oder Transparenten ausdrückt – sondern in Rebellion, Tränengas und der Präsenz bewaffneter Soldaten. Gegen 20 Uhr am Abend des 7. Juni trafen erste Einheiten der Nationalgarde in der Metropole ein. Zeitgleich erreichte die Wut der Straße ein neues Niveau: Demonstrationen gegen die jüngsten Deportationen durch ICE, gegen die geheimen Verlegungen von Inhaftierten, gegen das Schweigen der Gerichte wurden zu einem chaotischen Gemisch aus Sprechchören, Barrikaden und Polizeiknüppeln. Auslöser war das Bekanntwerden mehrerer Massenverhaftungen im Raum Kalifornien – und das Gefühl, dass der Bundesstaat seine Souveränität an Washington verloren hat.

Auch am 8. Juni dauern die Proteste an. In Boyle Heights, Downtown, aber auch in Santa Monica und Compton sammeln sich Menschen. Der Ton ist angespannt, die Polizei sichtbar nervös. Es ist nicht nur der Protest gegen Trump – es ist der Protest gegen einen Staat, der sich entkleidet hat. Die Nationalgarde patrouilliert nun an Gebäuden der Bundesimmobilienverwaltung, ICE-Zentralen und Hafteinrichtungen. Eine friedliche Lösung scheint in weiter Ferne. Das Weiße Haus hat unterdessen nicht nur verbal aufgerüstet, sondern auch juristisch: Präsident Donald Trump unterzeichnete ein Memorandum, das den Einsatz der Nationalgarde unter Bundeskommando legitimiert – unter dem Vorwand des Schutzes von ICE-Einrichtungen. Wörtlich heißt es:

„Zahlreiche Gewalttaten und Unruhen haben sich kürzlich ereignet und drohen, in Reaktion auf die Durchsetzung des Bundesrechts durch die U.S. Immigration and Customs Enforcement (ICE) und andere Bundesbeamte, die mit der Ausführung föderaler Aufgaben betraut sind, weiterzugehen. Diese Beamten unterstützen die pflichtgemäße Umsetzung der Einwanderungsgesetze der Vereinigten Staaten. (…) Soweit Proteste oder Gewalthandlungen direkt die Ausführung der Gesetze behindern, stellen sie eine Form der Rebellion gegen die Autorität der Regierung der Vereinigten Staaten dar.“

Das Memorandum, das Trump am 7. Juni unterzeichnete, bezieht sich auf 10 U.S.C. 12406 – eine Bestimmung, die es dem Präsidenten erlaubt, Nationalgardisten unter bestimmten Umständen in den Bundesdienst zu überführen. Insgesamt 2.000 Soldaten sollen zunächst für 60 Tage im Einsatz bleiben, unterstützt durch reguläre Streitkräfte. Der Verteidigungsminister erhält umfassende Befugnisse – sogar über den Rückzug der Soldaten.

Was sich abzeichnet, ist eine Eskalation mit Ansage. Bürgerrechtsorganisationen warnen vor der Entgrenzung militärischer Macht nach innen. Gouverneur Gavin Newsom kritisierte die Maßnahme scharf, nannte sie „verfassungsrechtlich bedenklich“ und einen „Angriff auf die föderale Struktur der USA“.

Doch Los Angeles braucht keine juristischen Kommentare mehr. Es braucht Luft zum Atmen. Denn die Nacht zum 9. Juni könnte zur gefährlichsten seit Beginn der Proteste werden. Es sind nicht nur Tränengas und Gummigeschosse, die die Stadt heimsuchen. Es ist die Angst, dass das, was einst Demokratie war, nun mit Waffen verteidigt wird – gegen die, die sie einfordern.

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ClaraSieger
ClaraSieger
4 Monate zuvor

War die Nationalgarde denn in LA im Einsatz? Im Netz habe ich heute schon gelesen, dass es nur ein Gerücht sei, aber ich meine, ich habe gestern im Live Stream der BBC Schilde mit deren Aufdruck gesehen. Danke für eure Berichterstattung!!!

Katharina Hofmann
Admin
4 Monate zuvor
Reply to  ClaraSieger

ja, die Nationalegarde ist im Einsatz

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