In den Korridoren des Pentagons hallt derzeit vor allem eines: das Echo der eigenen Angst. Wo früher Journalisten auf Schritt und Tritt über Militärstrategien, Auslandseinsätze und Skandale berichteten, herrscht jetzt das Schweigen eines Systems, das sich selbst vor der Wahrheit fürchtet. Verteidigungsminister Pete Hegseth, Trumps wortgewaltiger Frontmann im Kampf gegen die Presse, hat dem freien Zugang den Krieg erklärt – mit Formularen statt Gewehren. Siehe auch unseren Artikel: „Jeder Ausweis eine Schweigepflicht – Wie das Pentagon die Presse an die Sprachfessel legt und warum ausgerechnet Leaks die Öffentlichkeit retten“ unter dem Link: https://kaizen-blog.org/jeder-ausweis-eine-schweigepflicht-wie-das-pentagon-die-presse-an-die-sprachfessel-legt-und-warum-ausgerechnet-leaks-die-oeffentlichkeit-retten/
Wer weiterhin durch die Türen des Verteidigungsministeriums will, soll künftig unterschreiben, dass er keine „nicht autorisierten Informationen“ verwendet – selbst wenn diese völlig unklassifiziert sind. Mit anderen Worten: Wer noch etwas wissen will, muss zuerst um Erlaubnis bitten. Und wer sich weigert, verliert seinen Passierschein. Eine neue Definition von „eingebettetem Journalismus“ – diesmal nicht an der Front, sondern direkt im Bauch des Leviathans. Doch das Spiel hat nicht funktioniert. Fast alle großen Medienhäuser – von CNN über Fox News bis zur New York Times, Journalistinnen, Journalisten – haben die Unterschrift verweigert. Sie nannten Hegseths Papiere das, was sie sind: ein Maulkorb im Patriotendesign. Selbst Newsmax, sonst ein treuer Flügelmann der Regierung, fand das Ganze „unnötig und übertrieben“. Nur One America News, jener Sender, der die Realität regelmäßig mit einem Schlag patriotischer Fiktion verziert, unterschrieb bereitwillig. Es war, als würde man einem einzigen Journalisten den Schlüssel zu einem leeren Gebäude überreichen.
Denn leer ist es im Pentagon tatsächlich. Die Briefings sind eingestellt, die Arbeitsräume der Journalistinnen und Journalisten geräumt, und wer sich im Gebäude noch bewegen darf, braucht einen Begleiter – am besten bewaffnet mit einem Lächeln und einem Formular. Diese Regierung nennt das Sicherheit. Die Presse nennt es das, was es ist: ein schleichender Staatsumbau, bei dem Öffentlichkeit zur Bedrohung erklärt wird. Hegseth selbst reagierte auf die Empörung mit einem Zynismus, der in Washington längst zur Kommunikationsstrategie geworden ist. Auf X, dem neuen Lieblingsschlachtfeld der Regierung, schrieb er: „Die Presse läuft nicht mehr frei herum. Die Presse trägt ein sichtbares Abzeichen. Die Presse darf keine Verbrechen mehr begehen.“ Darunter ein winkendes Emoji. Ein digitaler Abschiedsgruß an die vierte Gewalt.

Es ist die Logik einer Macht, die nicht mehr unterscheidet zwischen Loyalität und Kontrolle. Hegseths Pressestab hat die Regeln nach zähen Verhandlungen leicht überarbeitet, aber das Prinzip blieb: Journalistinnen und Journalisten sollen zustimmen, dass jede Informationsweitergabe Schaden verursacht – egal ob geheim, banal oder längst öffentlich. Der Gedanke dahinter ist so durchsichtig wie gefährlich: Wenn man jede Wahrheit zur Bedrohung erklärt, kann man jedes Schweigen rechtfertigen. Selbst erfahrene Journalistinnen und Journalisten, die seit Jahrzehnten den Pentagon-Beat begleiten, sprachen von einer „historischen Zäsur“. Zum ersten Mal seit den 1960ern droht der völlige Ausschluss kritischer Medien aus dem militärischen Machtzentrum. In den Gängen, in denen einst die Kriegsberichterstattung des Vietnamzeitalters begann, läuft jetzt nur noch das Geräusch der Klimaanlage. Die Transparenz, einst ein Grundpfeiler militärischer Glaubwürdigkeit, wurde ersetzt durch Zutrittskarten, Sicherheitszonen und die subtile Kunst der Abschottung.
Investigative Journalistinnen und Journalisten arbeiten längst im Untergrund
Was bleibt, ist eine Regierung, die Journalismus als feindliche Operation begreift. Eine, die Pressefreiheit mit Sabotage verwechselt und Berichterstattung mit Verrat. Und ein Kriegsminister, der aus seiner Abneigung gegen Journalistinnen und Journalisten kein Geheimnis macht – der aber offenbar vergessen hat, dass es ohne sie keine Demokratie gibt, nur Dekoration. „Wir werden die Armee weiter abdecken“, erklärten die Redaktionen in einer gemeinsamen Stellungnahme, „mit oder ohne Zugang.“ Es klang wie ein Schwur – trotzig, fast romantisch – in einer Zeit, in der Wahrheit wieder Untergrundarbeit geworden ist, sich oft schwer verkaufen lässt und viele sich nicht mehr bewusst sind, wie teuer die Wahrheit ist. Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, Unterstützung für investigativen Journalismus zu bekommen – und wie hoch der Preis sein kann, wenn man wirklich etwas bewegen will, weil die Lügen oft viel spannender sind.
Im Pentagon dagegen bleibt es still. Die Flure glänzen, die Kameras sind abgeschaltet, und der Raum, der einst den Puls des amerikanischen Sicherheitsapparats zeigte, wirkt wie eine teure Kulisse für einen längst abgedrehten Film. Die Wände wissen mehr, als sie sagen dürfen. Und vielleicht ist genau das Prinzip: Wer nichts sieht, kann nichts verraten. Wer nichts weiß, kann nichts fragen. Und wer nichts schreibt – der bleibt.
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Ich bin positiv überrascht, dass auch Sender, wie FOX,sich dieser Anordnung von Hegseth nicht beugen wollen.
Ein Fünkchen Hoffnung.
Aber Eure Arbeit ist jnbezahlbar, Rainer.
Danke dafür
Danke für die Aufklärung! Da bleibt einem die Spuke weg…..