„Im Würgegriff der Politik – Warum Amerikas Bauernhöfe untergehen“

VonRainer Hofmann

Juli 19, 2025

Es sind nicht nur die Zinsen. Nicht nur die Saatgutpreise, nicht nur der fehlende Regen. Es ist ein stilles Beben, das durch die ländlichen Regionen der USA zieht – ein strukturelles Beben, das Familienfarmen ins Wanken bringt, Existenzen zerreißt und eine jahrhundertealte Kultur in den Ruin treibt. Neue Zahlen der Universität von Arkansas zeigen, wie dramatisch sich die Lage im Verborgenen zuspitzt: Über 250 Farmen meldeten zwischen April 2024 und März 2025 Insolvenz nach Kapitel 12 an – ein Notmechanismus für landwirtschaftliche Betriebe, der einst als Rettungsleine gedacht war. Jetzt ist er zum Normalfall geworden. Im ersten Quartal 2025 verdoppelte sich die Zahl der Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr. Achtundachtzig Höfe mussten allein in diesen drei Monaten aufgeben. Für Ryan Loy, Agrarökonom an der Universität, ist das mehr als ein statistischer Ausreißer. „Was wir hier sehen, ist ein landesweites Warnsignal“, sagt er. „Die finanziellen Belastungen erinnern zunehmend an die Krisenjahre 2018 und 2019.“ Damals wie heute: steigende Kosten, sinkende Erträge, politische Instabilität.

Die Erntekrise von heute ist – so bitter es klingt – zu einem großen Teil selbstverschuldet.

Denn während Betriebsmittel wie Dünger und Saatgut weiter teuer bleiben, geraten die Bauern in eine doppelte Zinsfalle. Kredite, die einst zu 3 oder 4 Prozent finanziert wurden, liegen heute bei 7 bis 9 Prozent. Wer neu investieren will, steht vor kaum tragbaren Belastungen – insbesondere junge Landwirte, die sich mit hohen Anfangsschulden ins Abenteuer Landwirtschaft gestürzt haben. „Das ist ein Druckkessel“, sagt Quinn Kendrick, Chefjurist der landwirtschaftlichen Investmentfirma Peoples Company. „Wenn gleichzeitig die Erzeugerpreise fallen, bleibt oft nur der Weg in die Insolvenz, um überhaupt weitermachen zu können.“ Das alles geschieht vor dem Hintergrund eines sich verschärfenden Arbeitskräftemangels. Besonders Betriebe mit arbeitsintensiven Anbauformen – etwa Obst, Gemüse oder Viehzucht – schlagen Alarm: Sie finden keine Erntehelfer mehr. Grund dafür sind nicht nur demografische Faktoren, sondern vor allem die politische Großwetterlage. Seit Monaten geht die Einwanderungsbehörde ICE mit Razzien gegen undokumentierte Arbeiter auf Feldern, in Ställen und auf Verpackungshöfen vor. Präsident Donald Trump hatte die Razzien im Juni kurzfristig ausgesetzt – auf Druck einflussreicher Agrarverbände. Doch die Aussetzung wurde keine zwei Wochen später kommentarlos wieder zurückgenommen. Seither herrscht unter Landwirten, wie ein Farmer es ausdrückte, „permanenter Krisenmodus“.

Die Erntekrise von heute ist – so bitter es klingt – zu einem großen Teil selbstverschuldet.

Landwirtschaftsministerin Brooke Rollins, eine enge Vertraute des Präsidenten, zeigt Verständnis – zumindest rhetorisch. Sie habe mit vielen Farmern gesprochen, die kaum noch über der Nulllinie wirtschafteten. „Das ist nicht tragfähig für Familienbetriebe in der dritten, vierten oder fünften Generation“, so Rollins. Gleichwohl verspricht sie: Am Ende dieser Entwicklung würden Amerikas Landwirte zu den „größten Gewinnern der Neuausrichtung des Präsidenten“ zählen. Doch vielen erscheint das wie Hohn. Denn was sich als „Neuausrichtung“ ankündigt, bedeutet in der Praxis oft das genaue Gegenteil: Deregulierung zugunsten von Konzernen, einbrechende Exportmärkte durch Zölle, das Ende pandemiebedingter Hilfsprogramme – und eine politische Sprache, die das Bild vom „unabhängigen Bauern“ verklärt, während dieselben Betriebe an politischer Ignoranz zugrunde gehen. Für junge Landwirte wie Blake Hurts aus Missouri ist der Druck kaum noch auszuhalten. „Wer sich verschuldet hat, um in die Landwirtschaft einzusteigen, steht jetzt mit dem Rücken zur Wand“, sagt er. Die Gesamtzahl der Insolvenzen sei zwar noch nicht so hoch wie 2019 – doch die Richtung ist klar. Und was in den Zahlen nicht auftaucht, sind all jene, die ihre Höfe still aufgeben, Land verkaufen, sich in Zweitjobs flüchten, die einstige Berufung im System des Marktes verlieren. Amerikas Felder sind nicht leer. Noch nicht. Aber sie klingen hohl. Denn was da wächst, wächst immer seltener aus Vertrauen – und immer öfter auf Pump. Viele Farmer hätten aus der ersten Amtszeit Donald Trumps lernen können – doch sie taten es nicht. Die Warnzeichen waren da: ein Präsident, der Exportmärkte mit Zöllen zerstörte, Agrarsubventionen willkürlich vergab, Migranten dämonisierte und die Interessen großer Konzerne über die der Familienbetriebe stellte. Und doch setzten viele Landwirte auch 2024 wieder auf ihn – aus Hoffnung, aus Trotz, aus einem falsch verstandenen Glauben an Unabhängigkeit. Dass die aktuelle Krise nun so tiefgreifend ist, liegt auch daran, dass all diese Hinweise ignoriert wurden. Wer sich als Mitversorger einer Nation begreift, trägt Verantwortung – für Böden, für Menschen, für das Gemeinwesen. In dieser Verantwortung wirkte das Verhalten vieler als arrogant, unklug und kurzsichtig. Die Erntekrise von heute ist – so bitter es klingt – zu einem großen Teil selbstverschuldet.

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Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Da muss man klar sagen:
Sehenden Auges in den Abgrund gelaufen.
Wie bestellt (gewählt) so geliefert.

Die erst Amtszeit von Trump hat schon viele Krisen in der Landwirtschaft hervorragend gerufen.

Wenn man dann aber die gleiche fault Orange wieder zählt…….
Etwas fiesta zu sagen, wer nicht hören konnte, muss jetzt fühlen.

Aber auch dahinter steckt Kalkül.
Große Investoren werden das Farmland günstig kaufen und damit dann die Preise diktieren.

Es ist erst der Anfang vom Ende der kleinen Farmern.

Frank Schwalfenberg
3 Monate zuvor
Antwort auf  Ela Gatto

Genau das steht zu befürchten. Ich denke aber auch, dass das beabsichtigt war.

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