Groß oder schön?“ – Wie Trumps Megagesetz das republikanische Gewissen sprengt

VonRainer Hofmann

Juni 3, 2025

Es ist ein politisches Monument, ein Monument der Selbstüberschätzung, getauft mit dem Namen eines Marketingversprechens: The One Big Beautiful Bill Act. Donald Trump hat es als Meisterwerk der Sparpolitik angekündigt – doch in den eigenen Reihen bröckelt der Konsens. Während der Schuldenberg der Vereinigten Staaten auf beinahe 37 Billionen Dollar angeschwollen ist, ringt der Senat nun mit einem Gesetz, das laut Kongresshaushaltsamt zwar Einsparungen von 1,5 Billionen Dollar bringt, gleichzeitig aber neue Schulden von über drei Billionen verursachen könnte. Einige wie Thomas Massie befürchten sogar ein Minus von bis zu 20 Billionen in den kommenden zehn Jahren. Ein Prachtstück der Selbsttäuschung.

Mitten im Zentrum dieses Dramas stehen Senatoren wie Rand Paul und Ron Johnson, die dem Gesetz die politische Gefolgschaft verweigern. Ihre Kritik ist nicht leise, sondern frontal: Die Einsparungen seien „wimpy and anemic“ – blutleer und mutlos. Paul fordert Kürzungen in Bereichen, die bisher als sakrosankt galten, darunter Medicaid und Sozialversicherungen. Doch gerade dort zieht Trump selbst die rote Linie. Für ihn – und für den Missouri-Senator Josh Hawley – wäre es „moralisch falsch und politisch selbstmörderisch“, die Gesundheitsversorgung der arbeitenden Armen aufs Spiel zu setzen. Zwischen beiden Lagern tobt nun ein Kampf, der nicht nur ideologisch, sondern persönlich geworden ist. Trump selbst hat am Wochenende reagiert – nicht mit Argumenten, sondern mit einem Angriff. Sollte Rand Paul gegen das Gesetz stimmen, so schreibt der Präsident auf Truth Social, werde „das großartige Volk von Kentucky ihm das nie verzeihen“. Eine Warnung, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt – und die das neue Gesicht republikanischer Disziplinierung offenlegt: Widerspruch gilt als Verrat, fiskalische Ehrlichkeit als Schwäche.

Doch auch die Zahlen der Regierung stehen auf wackligem Grund. Pressesprecherin Karoline Leavitt präsentierte jüngst eine eigene Rechnung: 1,6 Billionen Dollar Einsparung über zehn Jahre – die größte je auf dem Capitol Hill verabschiedete Einsparung. Der Unterschied zur Analyse des Kongresshaushaltsamts? Leavitt bezeichnete dessen Annahmen schlicht als „shoddy“, als schlampig – und die gesamte Methodik als parteiübergreifend untauglich. Eine bemerkenswerte Delegitimierung einer Institution, auf die sich der Kongress jahrzehntelang stützte. Währenddessen verschärft sich der Ton im Senat. Drei Gegenstimmen könnten das Gesetz scheitern lassen – und Rand Paul spricht bereits von vieren. Sollte es zu Änderungen im Text kommen, müsste der Entwurf zurück ins Repräsentantenhaus, wo er zuvor mit nur einer Stimme Mehrheit verabschiedet wurde. Ein Rückweg, der ebenso gefährlich ist wie der Weg nach vorn. Sprecher Mike Johnson versichert zwar, dass das Gesetz die Schulden nicht erhöhen werde, doch gleichzeitig sieht es eine Erhöhung der Schuldengrenze um vier Billionen Dollar vor – der höchste Sprung in der Geschichte der USA. „Die GOP wird diese Schulden besitzen“, sagt Paul, und spricht aus, was viele nur denken.

Auch Elon Musk hat sich nun von der Gesetzesarchitektur distanziert. Der Tech-Milliardär, dessen Sonderberaterrolle im Weißen Haus nach 130 Tagen endete, sagte im Interview mit CBS: „Ein Gesetz kann groß sein oder schön. Aber ich glaube nicht, dass es beides gleichzeitig sein kann.“ Es ist eine sanfte, aber deutlich formulierte Absage – an ein Gesetz, das mehr Pathos als Substanz enthält. Was bleibt, ist ein Schauspiel politischer Selbstverklärung. Trump versucht, mit Gigantismus zu punkten – mit einem Gesetz, das Größe simuliert und Schönheit beansprucht. Doch das Fundament ist porös. Die Partei ringt mit sich selbst, zwischen Applausmaschine und wirtschaftlicher Realität, zwischen Treue zum Präsidenten und Verantwortung gegenüber künftigen Generationen. Vielleicht sagte Senator Ron Johnson es am klarsten: „Ich versuche, Realität einzubringen. Ich versuche, Zahlen und Fakten einzubringen. Und sie sind auf meiner Seite.“ Ob das genügt – in einer Ära, die Größe mit Macht verwechselt und Wahrheit mit Stimmung – bleibt offen.

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