Grenzkontrolle im digitalen Zeitalter – Warum die US-Einreise für Reisende riskanter geworden ist

VonTamzee Zadah

August 23, 2025

Wer in diesen Tagen in die Vereinigten Staaten reist, sei es als Tourist, Geschäftsreisender oder sogar als US-Staatsbürger, sollte sich auf eine Realität einstellen, die kaum jemand offen anspricht, die aber jeden betreffen kann: die Durchsuchung von Mobiltelefonen und elektronischen Geräten durch die Zoll- und Grenzschutzbehörde (Customs and Border Protection, CBP). Zwischen April und Juni 2025 durchsuchten CBP-Beamte fast 15.000 Geräte – so viele wie noch nie zuvor in einem vergleichbaren Zeitraum. Der Anstieg gegenüber dem bisherigen Rekordquartal 2022 beträgt fast 17 Prozent. Die Botschaft ist unmissverständlich: Smartphones, Laptops oder Tablets sind längst kein privater Raum mehr, sobald man eine US-Grenze übertritt.

Das liegt an einer Besonderheit des amerikanischen Rechts. Grenzzonen – darunter nicht nur Flughäfen, sondern auch Seehäfen und Landgrenzen – gelten in den USA traditionell als Ausnahmen vom vierten Verfassungszusatz, der Bürger sonst vor unangekündigten Durchsuchungen schützt. Das bedeutet: Beamte benötigen keinen richterlichen Beschluss, um Geräte zu durchsuchen. Auf der offiziellen Website der Behörde wird Reisenden geraten, ihre Elektronik „in einem Zustand zu präsentieren, der die Untersuchung des Geräts und seiner Inhalte ermöglicht“. Im Klartext: entsperrt, mit offenem Zugriff – und auf Nachfrage sogar mit Preisgabe des Passworts. Für US-Bürger und Inhaber einer Green Card gilt zwar theoretisch, dass ihnen die Einreise nicht verweigert werden darf, selbst wenn sie eine Durchsuchung verweigern. Doch auch sie müssen damit rechnen, dass ihr Gerät beschlagnahmt wird, dass es für Tage oder Wochen in Behördenhand verschwindet und dass sie selbst stundenlangen zusätzlichen Befragungen ausgesetzt sind. Wer hingegen mit einem Visum oder im Rahmen des Visa-Waiver-Programms einreisen möchte, hat weit weniger Rechte: Eine Weigerung kann in solchen Fällen zur sofortigen Zurückweisung, zu stundenlanger Festhaltung oder sogar zur Einleitung eines Abschiebeverfahrens führen.

Das von dem Knight First Amendment Institute an der Columbia University und dem Reporters Committee for Freedom of the Press eingereichte Amicus-Schreiben legt überzeugend dar, dass Durchsuchungen von Mobiltelefonen ohne richterlichen Beschluss nicht nur einen ungerechtfertigten staatlichen Eingriff in die privaten Ausdrucksformen von Religion, persönliche Beziehungen und journalistische Tätigkeiten von Reisenden darstellen – sie bergen auch die Gefahr, die Ausübung dieser Rechte einzuschüchtern. Konkret weisen die Amici darauf hin, dass Grenzdurchsuchungen elektronischer Geräte die Pressefreiheit beeinträchtigen können, indem sie die vertrauliche Kommunikation zwischen Reportern und ihren Quellen unterbinden. Sie argumentieren, dass „Journalisten besonders anfällig für die abschreckenden Wirkungen von Durchsuchungen elektronischer Geräte sind, sowohl weil vertrauliche oder verletzliche Quellen sich weigern könnten, mit Reportern zu sprechen, aus Angst, dass alles, was sie sagen, in den Händen der Regierung landet, als auch weil solche Durchsuchungen genutzt werden können, um gegen Berichterstattung vorzugehen oder diese zu verhindern, wenn sie regierungskritisch ist.“

Für Touristen ist dies mehr als eine bürokratische Fußnote. In einer Zeit, in der Smartphones unser gesamtes Leben enthalten – persönliche Fotos, Nachrichten, Bankzugänge, Reisedokumente, berufliche Daten – bedeutet eine Grenzdurchsuchung faktisch einen vollständigen Einblick in das eigene Privat- und Berufsleben. Reisende, die sensible Daten mit sich führen, müssen sich bewusst machen, dass die Schwelle zur Preisgabe dieser Informationen an der US-Grenze erschreckend niedrig ist. Rechtsanwälte und Bürgerrechtsorganisationen warnen vor dieser Entwicklung. Sie verweisen darauf, dass die „digitale Entkleidung“ an der Grenze nicht nur die Privatsphäre massiv einschränkt, sondern auch ein gefährliches Präzedenzmodell darstellt. Was heute unter dem Vorwand der Sicherheit geschieht, kann morgen in anderen Bereichen Schule machen.

Tipps für Reisende – so schützen Sie Ihre Daten bei der Einreise

Wer trotz aller Risiken in die USA reist, kann Vorkehrungen treffen. Es ist ratsam, elektronische Geräte vor der Reise zu entschlacken: alte Chats, sensible Dokumente, vertrauliche Fotos sollten ausgelagert oder gelöscht werden. Noch sicherer ist es, ein Ersatzgerät – etwa ein einfaches „Reisehandy“ ohne private Daten – zu verwenden. Cloud-Dienste lassen sich vorübergehend deaktivieren, um zu verhindern, dass Beamte über gespeicherte Zugangsdaten Zugriff auf ganze Online-Archive erhalten. Passwörter sollten so gewählt sein, dass sie im Zweifel schnell geändert werden können, sobald man eingereist ist. Auch lohnt es sich, sich vorab rechtlich zu informieren: US-Bürgern darf die Einreise nicht verweigert werden, doch die Beschlagnahme von Geräten ist möglich. Für ausländische Besucher gilt, dass die Verweigerung einer Durchsuchung erhebliche Konsequenzen haben kann. In beiden Fällen gilt: Wer vorbereitet ist, wer die eigenen Geräte bewusst konfiguriert und sensible Inhalte von vornherein fernhält, reduziert das Risiko drastisch.

Die Freiheit unter Vorbehalt

Die Vereinigten Staaten präsentieren sich gerne als Land der Freiheit. Doch an ihren Grenzen wird deutlich, dass diese Freiheit unter Vorbehalt steht. Für Besucher heißt das: Die schönste Reise kann bereits im Ankunftsterminal zu einer ungewollten Konfrontation mit dem digitalen Überwachungsstaat werden. Wer sich der Realität bewusst ist und die nötigen Schutzmaßnahmen trifft, kann wenigstens dafür sorgen, dass diese Begegnung nicht zum Totalschaden der eigenen Privatsphäre gerät.

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Heidi Dettinger
2 Monate zuvor

Eines sollte vor der Einreise zusätzlich bedacht werden: Wer mit einem „Reisesmartphone“ einreist, macht sich u.U. genauso leicht verdächtig, wenn so gar nichts drauf zu finden ist – keine chats, keine (oder kaum) Adressen etc. Ergo: Auch ein leeres Billig-Phone will vorbereitet sein!

Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor
Antwort auf  Heidi Dettinger

Das stimmt.
Ein wenig „Nutzung“ sollte ersichtlich sein.

Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Wer nicht muss, sollte es tunlichst lassen in due USA zu reisen.

Menschen mit regulären Visa werden jetzt ALLE überprüft und es werden sicher zig tausende Visa entzogen.
Vielleicht dürfen diese Personen dann ein teures Visum kaufen?

Visa Waiver, leichter kann man Menschen gar bicht einschüchtern.
Ein falsches Meme und schon findet man sich (im Günstigsten Fall) auf dem Heimflug, oder Schlimmeres.

Reporter sollen damit bewusst eingeschüchtert werden.
Man will Verbindungen und Kontakte herausfinden. Vielleicht sogar Whistleblower.

Aber Hauptsache Putin kann einreisen und ein 4-Augen-Limousinengespräch führen.
Schon etwas eigenartig, dass genauch danach so Vieles noch schlimmer im Abbau der Demokratie passiert.

Bitte passt auf Euch auf!

Rainer Hofmann
Administrator
2 Monate zuvor
Antwort auf  Ela Gatto

…es gibt zwei flughäfen, da ist einreisen easy,,,:), da wir viel pendeln, auch oft nach deutschland oder frankreich müssen

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