Gottes Werk, Trumps Wille – Wie Pete Hegseth den Kulturkampf zur Regierungspolitik macht

VonRainer Hofmann

August 10, 2025

Es gibt politische Gesten, die mehr sagen als jede Rede – und die in ihrer Symbolik schwerer wiegen als jede spontane Äußerung. Als US-Verteidigungsminister Pete Hegseth nun ein Video weiterverbreitete, in dem ein führender Kopf der christlich-evangelikalen Bewegung zur Wiedereinführung eines Gesetzesverbots für gleichgeschlechtlichen Sex aufruft, war das eine solche Geste. Kein Missverständnis, keine zufällige Like-Geste in sozialen Medien – sondern eine bewusste, öffentliche Verstärkung einer Botschaft, die tief in die Zeit vor entscheidende Bürgerrechtsurteile zurückreicht. In dem Clip spricht Doug Wilson, Mitbegründer der Communion of Reformed Evangelical Churches (CREC) und langjähriger Mentor Hegseths, mit nostalgischem Unterton über eine Epoche, in der Sodomie in allen 50 Bundesstaaten ein Verbrechen war. Er nennt es ausdrücklich keine totalitäre Hölle – sondern deutet an, dass ein solches strafrechtliches Verbot Ausdruck einer gesunden Gesellschaft sei. Damit reaktiviert Wilson nicht nur ein gesellschaftspolitisches Weltbild, das längst als Relikt autoritärer Kontrolle gilt, sondern stellt sich offen gegen die Grundpfeiler moderner Gleichberechtigung. Dass Hegseth genau diesen Clip teilt, ist kein unbedeutender Ausrutscher, sondern ein politisches Statement – ein Bekenntnis zu einer reaktionären Agenda, die seit Jahren im Windschatten der Republikanischen Partei gedeiht. Hegseth, der sich selbst als gläubiger Christ inszeniert und von Donald Trump zum Verteidigungsminister gemacht wurde, pflegt eine enge Verbindung zu Wilson und dessen CREC-Netzwerk. Diese Bewegung ist bekannt für ihre fundamentalistische Bibelauslegung, ihre patriarchale Geschlechterordnung und ihre gezielte Einflussnahme auf Bildungseinrichtungen und Lokalpolitik.

Die Signalwirkung des geteilten Videos reicht weit über die Kreise eingefleischter Kulturkämpfer hinaus. In einer Zeit, in der die Trump-Regierung bereits juristische und administrative Hebel nutzt, um LGBTQ-Rechte zurückzudrehen, wirkt Hegseths Beitrag wie ein bewusst gesetztes Zeichen: Die Ziele sind größer als nur die Einschränkung bestimmter Gesetzesinitiativen – es geht um die Rückabwicklung gesellschaftlicher Akzeptanz. Das offene Aussprechen dieser Agenda, flankiert von der höchsten militärischen Autorität des Landes, verschiebt das, was im öffentlichen Diskurs sagbar ist, und gibt radikalen Kräften Rückenwind. Pete Hegseth ist nicht irgendein konservativer Politiker, der gelegentlich christliche Werte zitiert, um die eigene Basis zu mobilisieren. Er ist Teil eines strategischen Projekts, das Religion, Nationalismus und autoritäre Gesellschaftsvorstellungen zu einer politischen Leitlinie verschmilzt. Seine Nähe zu Doug Wilson und der Communion of Reformed Evangelical Churches (CREC) ist dabei keine Fußnote, sondern eine Achse, um die sich seine Ideologie dreht. Die CREC hat seit ihrer Gründung eine klare Agenda verfolgt: den Einfluss auf lokale Gemeinschaften auszuweiten, eigene Bildungsstrukturen zu schaffen und eine Gesellschaft zu propagieren, in der Männer und Frauen klar voneinander getrennte, gottgegebene Rollen ausfüllen. Ihre Gemeinden sind nicht bloß religiöse Treffpunkte, sondern Kaderschmieden für eine Generation, die bereit ist, politische Institutionen nach biblisch-fundamentalistischen Prinzipien umzugestalten. Dass Hegseth genau hier sein geistiges Zuhause gefunden hat, ist kein Zufall – er passt in diese Struktur, weil er militärische Disziplin, mediale Reichweite und politische Macht miteinander verbinden kann.

Seit seiner Ernennung zum Verteidigungsminister unter Donald Trump agiert Hegseth nicht nur als militärischer Entscheidungsträger, sondern als ideologischer Verstärker. Seine Nähe zu Trump ist geprägt von wechselseitiger Nützlichkeit: Trump erhält in Hegseth einen loyalen Verteidiger seiner Agenda, der sich nicht scheut, Kulturkämpfe offen zu führen. Hegseth wiederum profitiert von Trumps Plattform und der Möglichkeit, konservativ-evangelikale Kernanliegen in Regierungsentscheidungen einfließen zu lassen. Das Teilen des Videos mit Doug Wilson ist deshalb kein isolierter Vorgang, sondern Teil einer länger angelegten Strategie: die Grenzen dessen zu verschieben, was öffentlich sagbar und politisch durchsetzbar ist. Wenn ein amtierender Verteidigungsminister eine Forderung unterstützt, die die Kriminalisierung einvernehmlicher, gleichgeschlechtlicher Beziehungen impliziert, dann wird eine Linie überschritten, die lange als unantastbar galt. Diese bewusste Provokation dient nicht nur der Mobilisierung der eigenen Basis, sondern testet, wie weit der gesellschaftliche Konsens in Fragen individueller Freiheit bereits erodiert ist. Der Effekt ist zweifach: Zum einen signalisiert es radikalen Gruppen, dass ihre Positionen in den höchsten Regierungskreisen Gehör finden. Zum anderen zwingt es politische Gegner in eine Abwehrhaltung, in der sie sich gezwungen sehen, selbst längst geklärte Grundrechte erneut zu verteidigen. So entsteht ein permanenter Kulturkampf, in dem jede gewonnene oder verlorene Auseinandersetzung den Boden für die nächste bereitet – ein Szenario, das in Trumps strategischem Denken perfekt funktioniert. Wenn Hegseth also das Vermächtnis seiner Mentoren und die politischen Ziele seines Präsidenten miteinander verbindet, geht es um mehr als um persönliche Überzeugung. Es ist der Versuch, das Fundament einer pluralistischen Gesellschaft zu untergraben – nicht mit einem einzigen Schlag, sondern in einer Serie gezielter, ideologisch motivierter Interventionen. Und darin liegt die eigentliche Gefahr: das eine schleichende Axt, mit der soziale Werte mehr und mehr durch eine wahnhafte Religion in Gefahr geraten – und journalistische Gemeinschaftsproduktionen, die genau diese Gefahr aufdecken und sich ihr entschieden entgegenstellen.

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Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Hegseth ist ein gefährlicher Faschist.
Alleine seine Tattos zeigen seine Gesinnung

An diesem Mann ist nichts, rein gar nichts christlich.
Wer die Bibel liest, sieht darin Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Vergebung.

All das ist bei Hegseth und diesen wahnsinnigen Evangelikalen nicht vorhanden.
Glaube ist hier nur noch Rhetorik und Instrument zur Kontrolle.

The Handmaids Tale scheint hier die Vorlage zu sein.

Je mehr und lauter Jemand gegen Homosexualität wettert, desto wahrscheinlicher ist, dass derjenige seine eigene Neigung unterdrückt.

Aber traurig, dass im Jahr 2025 Homosexualität immer noch ein Stigma ist.

Josef Sanft
Josef Sanft
2 Monate zuvor
Antwort an  Rainer Hofmann

Wenn ich es richtig mitbekommen habe geht es auch um einen geteilten Post Wilsons, in dem dieser die Wahlrecht für Frauen in Frage stellt. Was sich derzeit im den USA abspielt ist erschütternd.

Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor
Antwort an  Josef Sanft

Und es folgen dieser Ideologie erstaunlich Viele.
Sehr erschreckend.
All diese Sektenfanatiker gehören in die weiße Jacke.

Irene Monreal
Irene Monreal
2 Monate zuvor

Erinnert mich an ein Kinderbuch „Die kleine Hexe“
Die kleine Hexe wurde aufgefordert, ein Jahr lang eine gute Hexe zu sein. Sie tat ein Jahr nur Gutes und wurde dafür bestraft, denn sie sollte eine gute „böse“ Hexe sein.
Diese sektiererische Fundamentalistenbrut bezeichnet sich also als gute Christen und ist an heuchlerischer Bösartigkeit durch nichts zu übertreffen.

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