Globales Hühnerspiel: Zoll dich reich: 90 Handelsabkommen in 90 Tagen – sagt Trump

VonRainer Hofmann

Juli 9, 2025

Es klang wie ein Versprechen aus einem schlechten TV-Spot: „90 Deals in 90 Tagen“. Doch was Donald Trump im April ankündigte, entpuppte sich drei Monate später als leere Drohung mit viel Theater, wenig Substanz und einer Weltwirtschaft, die auf der Bremse steht. Ganze zwei Handelsabkommen wurden bislang abgeschlossen – mit Vietnam und dem Vereinigten Königreich. Ein Rahmenvertrag mit China wurde zwar angekündigt, doch die Details bleiben nebulös. Dafür hagelte es Drohbriefe, Zollandrohungen, Rückzieher und hektisches Fristen-Schach bis zum nächsten Verhandlungstermin am 1. August. Der weltweite Handel? In Wartestellung. Investitionen? Zurückgestellt. Arbeitsplätze? Auf Eis.

Trump hatte am 2. April seinen sogenannten „Befreiungstag“ ausgerufen. Mit einer pauschalen 10-Prozent-Einfuhrsteuer und „reziproken Zöllen“ von bis zu 50 Prozent auf Staaten mit Handelsdefiziten gegenüber den USA wollte er ein neues Zeitalter einläuten. Doch schon wenige Stunden nach Inkrafttreten ruderte das Weiße Haus zurück: Die Zölle wurden für 90 Tage ausgesetzt, um Zeit für Verhandlungen zu schaffen. Nun ist die Frist abgelaufen, das Chaos aber geblieben. Japan, Südkorea und ein Dutzend weiterer Länder erhielten Anfang Juli neue Schreiben aus Washington: entweder Deal oder 25 Prozent Zoll ab 1. August. Und obwohl Trump beteuert, diesmal keine Verlängerung mehr zuzulassen, glauben viele Beobachter: Es ist nur ein weiteres Kapitel in einer Serie aus Drohkulissen und politischem Theater. Die „Financial Times“ hat für dieses Verhaltensmuster bereits ein Kürzel: TACO – „Trump Always Chickens Out“.

Faktisch steht die Weltwirtschaft vor einem strukturellen Problem. Das multilaterale Handelssystem, jahrzehntelang abgesichert durch komplexe Abkommen wie die Uruguay-Runde und das Prinzip der Meistbegünstigung, wird durch Trumps selektive Zollerhebung unterminiert. Länder wie Japan oder die EU sollen zahlen, während Vietnam pauschale 20-Prozent-Abgaben auf Exporte in die USA akzeptierte – dafür aber zollfreie Einfuhren amerikanischer Produkte gewährte. Ein „Deal“, wie ihn Trump liebt: unbalanciert, unilateral, US-dominiert. Doch Größenmächte wie die EU oder Südkorea zeigen sich zäh. Sie wissen, dass Trump selbst unter Druck gerät, wenn seine Strategie keine Resultate bringt. Und tatsächlich scheint der Präsident zu taktieren: Laut Handelsministerium hat die US-Regierung trotz wiederholter Ankündigungen bislang kaum neue Zollregelungen verankert. An den Börsen war die Wirkung dennoch spürbar. Trumps April-Zölle lösten einen weltweiten Kursrutsch aus, der vier Tage anhielt. Analysten sprechen von wachsenden Rezessionsrisiken. Gleichzeitig kletterten die Aktienkurse von Tech-Riesen wie Nvidia, Amazon oder Meta wieder – weniger wegen Trumps Politik, als wegen guter Quartalszahlen und der Hoffnung auf stabile Konsumlaune. Derweil kündigte Trump neue Strafzölle an: 200 Prozent auf Medikamente, 50 Prozent auf Kupfer. Auch diese Drohungen bleiben vorerst in der Schwebe. Hinter den Kulissen sieht die Realität komplexer aus. Viele Regierungen brauchen innenpolitisch sichtbare Erfolge, wenn sie Zugeständnisse machen. Südkorea etwa will Gegenleistungen bei Stahl- und Aluminiumzöllen. Ohne Gegenwert, so fürchten sie, wirkt jeder Deal wie eine Kapitulation. Genau das aber ist Trumps eigentlicher Hebel: Er weiß, dass kleinere Staaten wie Vietnam eher bereit sind, sich zu beugen, um Schlimmeres zu vermeiden. Doch große Volkswirtschaften spielen ein anderes Spiel: Das globale Hühnerspiel ist in vollem Gange. Die einen hoffen, Trump werde einknicken. Die anderen setzen darauf, dass er längst keine neue Eskalation mehr riskieren will. Doch eins ist klar: Die 90 Tage sind vorbei. Und Trumps Zollroulette hat der Weltwirtschaft mehr Fragen als Antworten beschert.

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Ela Gatto
Ela Gatto
4 Monate zuvor

Er wird die Zölle ob nun mit oder ohne Deals, immer wieder als Waffe nutzen.

Das Tru** sich nicht an Verträge hält, dürfte doch in der Zwischenzeit Jedem klar sein.
Nur so lange sie ihm passen und nutzen.
Das kann morgen schon ganz anders sein.

Helga
Helga
4 Monate zuvor

Dieser Clown im WH, einer der alles ruiniert statt sein Puplikum zu amüsieren.
Er muss weg, egal wie, aber schnell.

Katharina Hofmann
Administrator
4 Monate zuvor
Antwort auf  Helga

Da haben sie recht, darum setzen wir alles daran aufzudecken was nur geht – nur leider gibt es nicht mehr sehr viele investigative journalisten, weil der weg sehr steinig ist und dann kommt noch dazu, dass agentur-journalisten dort eben easy money machen, ohne was zu riskieren

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