Glaubenszeugnis im Schatten der Abschiebung – Wie die Kirche in San Diego Geflüchteten zur Seite steht

VonRainer Hofmann

Juni 13, 2025

Es wird früh sein am 20. Juni, dem Internationalen Tag der Geflüchteten. Noch bevor das kalifornische Licht über den Bundesgerichten von San Diego dämmert, werden sich Priester, Diakone und Glaubensführer versammeln – schweigend, betend, anwesend. Ihre Mission ist keine juristische und kein Akt der politischen Provokation. Es ist ein Akt der Solidarität. Ein stilles, aber kraftvolles Zeichen, dass der Glaube dort beginnt, wo die Menschlichkeit angegriffen wird. Die Diözese San Diego hat in einem eindringlichen Schreiben vom 11. Juni 2025 ihre Gemeinden aufgerufen, an diesem Tag sichtbar an der Seite von Migrantinnen und Migranten zu stehen – jener Menschen, die in einem Land Zuflucht gesucht haben, aber vor Gericht erscheinen müssen, nur um wenig später mit Abschiebebescheiden konfrontiert zu werden. Was die US-Regierung fordert, ist die Teilnahme am Verfahren. Was viele erwartet, ist der Rückflug in Unsicherheit, Hunger, Verfolgung.

„Wir wissen, dass Migranten und Flüchtlinge sich in der schwierigen Lage befinden, zu Gericht geladen zu werden – nur um dann einen Befehl zur beschleunigten Ausweisung zu erhalten“, heißt es in dem Schreiben der Bischöfe Ramon Bejarano, Felipe Pulido und des designierten Bischofs Michael Pham. Doch sie wollen nicht länger nur zusehen. Sie wollen anwesend sein, mit den Augen, den Herzen und der stillen Kraft ihres Glaubens. Denn, so die Überzeugung der Diözese: „Die bloße Anwesenheit von Glaubensführern verändert etwas im Verhalten der Behörden.“ Was nach einer symbolischen Geste klingt, ist in Wirklichkeit eine zutiefst menschliche Intervention. Der frühe Morgen am Gericht ist für viele Migrant*innen kein Ort der Hoffnung. Und doch kann er es werden – durch Präsenz, durch Zeugenschaft, durch das Wissen: Ich bin nicht allein. Dass diese Geste das Urteil nicht ändern wird, weiß auch die Kirche. Aber sie kann die Würde schützen, die sonst im kalten Verwaltungsakt der Abschiebung zerbricht.

Im Anschluss an die Gerichtsverhandlungen soll eine Pressekonferenz folgen. Sie dient nicht der kirchlichen Selbstinszenierung, sondern der Öffentlichkeit: Damit es gehört wird, dass Menschen des Glaubens in Zeiten der Verrohung nicht schweigen. Dass die Kirche nicht nur predigt, sondern handelt – und zwar dort, wo die Not am größten ist. „Es ist eine gute Gelegenheit, Zeugnis zu geben und an der Seite von Immigranten zu stehen“, heißt es abschließend im Brief der Diözese. Und das an einem Tag, an dem in allen Pfarreien der Region besondere Messen für Geflüchtete gefeiert werden – nicht als Pflichtübung, sondern als spiritueller Widerstand gegen ein System, das immer weniger fragt, wohin es Menschen schickt – solange sie nur verschwinden.

In einer Zeit, in der Migration zum Feindbild stilisiert wird und Abschiebung zur politischen Pose, zeigt San Diego ein anderes Gesicht: eines, das sich nicht abwendet. Und das, wenn Worte nicht mehr helfen, einfach da ist. Am 20. Juni. Vor dem Gericht. Für jene, die nichts mehr haben – außer die Hoffnung, dass irgendwer hinsieht.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
0
Would love your thoughts, please comment.x