Manchmal offenbart sich der Zustand einer Regierung nicht in ihren Gesetzen, sondern in den Nebensätzen ihrer führenden Köpfe. JD Vance, Vizepräsident der Vereinigten Staaten, hat auf einer Bühne in Mississippi, bei einer Turning Point USA Veranstaltung an der der University of Mississippi in Oxford einen jener Sätze gesagt, die weit über den Moment hinaus nachhallen. Er sprach von seiner Frau, der Juristin Usha Chilukuri Vance, einer Hinduistin, mit der er seit elf Jahren verheiratet ist. Und er sagte, er hoffe, sie werde „eines Tages zum Christentum finden“. Es war kein beiläufiger Gedanke, kein privates Geständnis, sondern ein öffentliches Bekenntnis – gesprochen in einem Saal voller Studierender bei einer Veranstaltung von Turning Point USA, jener rechtskonservativen Jugendbewegung, die den politischen Glaube längst mit religiöser Mission verwechselt.
Vizepräsident Vance erklärte öffentlich, dass er seine Kinder im christlichen Glauben erzieht – und dass er sich wünscht, seine hinduistische Ehefrau möge eines Tages ebenfalls zum Christentum finden.
„An den meisten Sonntagen begleitet mich Usha inzwischen in die Kirche“, sagte er. „Ich habe ihr das schon oft gesagt – und ich habe es öffentlich gesagt, und ich sage es jetzt noch einmal, hier vor 10.000 meiner engsten Freunde: Hoffe ich, dass sie eines Tages von dem berührt wird, was auch mich bewegt hat? Ja, ehrlich gesagt, das tue ich. Denn ich glaube an das christliche Evangelium und hoffe, dass meine Frau es eines Tages genauso sehen wird.“
Der Satz fiel ruhig, fast andächtig. Doch er zeigte, wie tief in Teilen der amerikanischen Führungsschicht das Bedürfnis verankert ist, Glauben zu vereinnahmen und Andersgläubige in ein vorgefertigtes Heilsmodell zu pressen. „Do I hope that she is somehow moved by what I was moved by in church? Yeah, honestly, I do,“ sagte Vance. Er glaube an das Evangelium, und er hoffe, seine Frau werde es eines Tages ebenso sehen. Sollte sie das nicht tun, so fügte er hinzu, „habe Gott schließlich den freien Willen gegeben“. Ein Satz, der wie eine milde Geste klingen sollte – und doch wie eine Decke über einem Feuer lag, das er selbst entzündet hatte.

Die Reaktion kam prompt. Die Hindu American Foundation erinnerte in einer Erklärung an die jahrhundertelange Geschichte christlicher Missionsversuche und die Zunahme antihinduistischer Rhetorik, die sich inzwischen im Netz in beunruhigender Weise ausbreitet. Vances Aussage, so die Organisation, spiegle „die Überzeugung wider, es gebe nur einen wahren Weg zur Erlösung – einen Begriff, den der Hinduismus nicht kennt – und dieser Weg führe allein über Christus.“ Es war ein präziser, schmerzhafter Hinweis darauf, dass selbst im Jahr 2025 ein Mann im höchsten Staatsamt offenbar nicht versteht, was religiöser Pluralismus bedeutet.
Vizepräsident JD Vance und Second Lady Usha sind am Abend beim Marine Corps Ball eingetroffen. Ihr gemeinsamer Auftritt bei der traditionsreichen Militärgala am 8. November 2025 markierte einen weiteren Höhepunkt im protokollarischen Kalender des Weißen Hauses.
Die Tragweite des Moments liegt weniger in der persönlichen Ebene einer Ehe, sondern in dem, was sie über das Denken jener Menschen offenbart, die derzeit die Regierung der Vereinigten Staaten führen. Wer glaubt, Liebe müsse zur Bekehrung führen, wer Ehe als Missionsfeld betrachtet, der zeigt, dass religiöse Freiheit in dieser Regierung weniger als universelles Prinzip gilt, sondern als Verfügungsrecht der Mehrheit. Es ist das alte Muster einer Macht, die sich göttlich wähnt.
Susan Katz Miller, Autorin des Buches Being Both, erklärte einmal: „Den Partner in all seinen Facetten zu respektieren – jedes Element seiner Identität – ist zentral für die Ehrlichkeit, die eine Ehe braucht.“ Sie meint damit nicht bloß häusliche Toleranz, sondern eine Haltung, die den anderen nicht als Ziel religiöser Überzeugungsarbeit betrachtet, sondern als gleichwertigen Träger seiner Wahrheit. „Geheime Agenden führen selten zum Erfolg“, sagt sie. JD Vance jedoch sprach mit der Gewissheit eines Mannes, der glaubt, auf der richtigen Seite der göttlichen Geschichte zu stehen.

Seine Ehe mit Usha Vance, Tochter einer hinduistischen Einwandererfamilie, begann ohne Religion. Beide waren Agnostiker, als sie sich an der Yale Law School begegneten. 2014 heirateten sie – in einer Zeremonie, die hinduistische Rituale einschloss. Fünf Jahre später trat Vance zum Katholizismus über. Seitdem hat er, wie er selbst sagt, seine Familie auf einen „christlichen Weg“ geführt. Die Kinder besuchen eine katholische Schule; der älteste Sohn empfing im vergangenen Jahr die Erstkommunion. Es klingt nach geordneter Familienarchitektur – bis man erkennt, dass sie auf einer stillen Hierarchie gebaut ist.

Als JD Vance am Tiefpunkt seines Lebens war, war es seine „hinduistische“ Ehefrau und ihre hinduistische Erziehung, die ihm halfen, durch die schwierigen Zeiten zu kommen. Heute, in einer Machtposition, ist ihre Religion plötzlich eine Belastung. Was für ein Absturz. Was für ein gewaltiger Fall für diesen Mann. Damals kämpfte Vance mit einer zerrütteten Familie, Armut, Drogenproblemen in seinem Umfeld und einer tiefen Sinnkrise. Er hat mehrfach erzählt, dass seine spätere Ehefrau Usha Chilukuri Vance – damals noch seine Kommilitonin – ihm Stabilität, Disziplin und emotionale Orientierung gab. Sie half ihm, wie er sagt, „einen anderen Weg“ zu sehen, ihn zu strukturieren und ihn zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen.
Der Katholizismus verlangt von Gläubigen, die außerhalb der Kirche heiraten, das Versprechen, ihre Kinder katholisch zu erziehen. Theologen wie John Grabowski sprechen von einer „natürlichen Ausdrucksform der Liebe“, wenn ein Christ wünsche, dass der Ehepartner denselben Glauben teile. Doch Grabowski fügt hinzu: Niemand dürfe gedrängt werden. Es ist, wie er sagt, „ein schmaler Grat“. Einer, den Vance offenkundig verlässt.
Denn seine Worte waren nicht das stille Gebet eines Ehemanns, sondern das öffentliche Lehrstück eines Politikers, der seine private Sehnsucht als moralisches Vorbild präsentiert. Dass er dies tat, umgeben von den Symbolen einer Bewegung, die sich auf „Gottes Amerika“ beruft, macht die Sache ungleich schwerer. Der Applaus kam prompt, von jenen, die Religion als kulturelle Waffe begreifen. Und genau darin liegt der Skandal: Nicht in einem persönlichen Wunsch, sondern in der Selbstverständlichkeit, mit der er ausgesprochen wird – als wäre der Glaube des anderen nur ein Irrtum, den die Zeit korrigieren wird.

Der Philosoph und Religionsberater Dilip Amin warnt seit Jahren davor, dass Bekehrungswünsche in Ehen zerstörerisch wirken. „Wenn du konvertierst, weil du eine echte Wandlung erlebt hast, ist das in Ordnung“, sagt er. „Aber wenn es durch Druck oder Missionierung geschieht, ist das falsch. Sprecht miteinander – ihr braucht keinen Dritten, der eure Situation interpretiert.“ Ani Zonneveld von Muslims for Progressive Values formuliert es noch schärfer: „Ich habe oft erlebt, dass ein Mann, der anfangs kaum religiös war, nach der Geburt der Kinder orthodox wurde. Das ist unfair.“
All diese Stimmen eint eine Erkenntnis: Wer Religion in der Familie als Kampfplatz begreift, zerstört sie. Und doch ist genau diese Versuchung im politischen Amerika zurück – in einer Regierung, die Gott wieder in den Amtseid presst, als handle es sich um eine Waffe der nationalen Identität. Die Geschichte kennt solche Momente. Sie beginnen im Privaten, mit einer Aussage über eine Ehefrau, und enden im Öffentlichen, als kulturelle Doktrin. JD Vance hat, vielleicht ohne es zu begreifen, den innersten Widerspruch seiner Bewegung sichtbar gemacht: den Wunsch, ein Land zu einen – indem man ihm vorschreibt, woran es zu glauben hat.

Es gibt Ehen, die an der Stille reifen. Und es gibt Regierungen, die an dieser Stille scheitern, weil sie sie nicht aushalten. Die Worte des Vizepräsidenten waren keine Liebeserklärung, sondern eine Machterklärung. Sie offenbaren ein Denken, das nicht trennt zwischen Glauben und Gehorsam. Und sie zeigen, dass in Washington jene gefährliche Gleichung wieder an Boden gewinnt, die Amerika so oft ins Dunkel geführt hat: Gott als Besitz – und Glaube als Befehl.
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