Ein einzelner Richter in Washington hat am Donnerstag eine Entscheidung getroffen, die über Leben und Tod von Kindern entscheiden kann – und zugleich ein grelles Schlaglicht auf die Methoden der Trump-Regierung wirft. Timothy J. Kelly, Bundesrichter am U.S. District Court, setzte den Versuch der Regierung, hunderte guatemaltekische Kinder über Nacht in Flugzeuge zu setzen und nach Mittelamerika zurückzuschicken, abrupt außer Kraft. Es ist ein Urteil mit doppeltem Gewicht. Denn Kelly, selbst ein von Trump ernannter Richter, erklärte unmissverständlich, dass die offizielle Begründung der Regierung wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen sei. Die Behauptung, Eltern hätten sich eine Rückkehr ihrer Kinder gewünscht, sei nicht durch Beweise gedeckt, sondern auch durch Recherchen widerlegt. „Es gibt keinerlei Nachweis vor Gericht, dass die Eltern dieser Kinder ihre Rückkehr beantragt hätten“, schrieb Kelly – eine seltene und scharfe Bloßstellung einer Exekutive, die sich längst daran gewöhnt hat, Fakten zu beugen, bis sie ins eigene Kalkül passen.
Siehe auch: https://kaizen-blog.org/wieder-ein-kleiner-erfolg-gericht-stoppt-abschiebung-von-guatemaltekischen-kindern/ +++ https://kaizen-blog.org/recherchen-ueberfuehrten-regierung-der-luege-entscheidung-ueber-kinderabschiebung-faellt-morgen/
Der Hintergrund dieses Eilentscheids ist so erschreckend wie aufschlussreich. Am Wochenende des Labor Day hatte die Regierung in einer nächtlichen Aktion Unterkünfte und Pflegefamilien angewiesen, guatemaltekische Kinder binnen Stunden zur Abschiebung bereitzuhalten. Vertragsfirmen von ICE fuhren sie zum Flughafen, insgesamt 76 Minderjährige stiegen in Texas sogar schon in Flugzeuge nach Guatemala ein. Geplant war dies als „erste Phase“ – insgesamt standen 327 Kinder auf der Abschiebeliste, aus einer ursprünglich noch größeren Zahl von 457. Die Bilder dieser Nacht stehen für eine Administration, die selbst die Schwächsten nicht als Schutzbedürftige, sondern als Zahlen in einer politischen Inszenierung behandelt. Dass dieser Plan überhaupt gestoppt wurde, lag maßgeblich am Einschreiten von Kinderrechtsanwälten, die die vorliegenden Informationen direkt, und ohne nach einem Honorar zu fragen, zum Anlass nahmen, vor Gericht zu ziehen. Sie verwiesen darauf, dass die Kinder in vielen Fällen vor Gewalt, Missbrauch und existenzieller Not geflohen waren und dass die Regierung mit ihrem Vorgehen fundamentale Schutzmechanismen des US-Rechts unterlief. Schon zuvor hatte ein anderer Bundesrichter eine zweiwöchige Notanordnung gegen die Deportation erlassen, die aber kurz vor dem Auslaufen stand. Kellys nun erlassene einstweilige Verfügung gibt den Kindern vorerst unbegrenzten Schutz – auch wenn der Regierung noch der Weg zur Berufung offensteht.
Bemerkenswert ist, dass der Richter zugleich eine Ausweitung auf Kinder anderer Nationalitäten ablehnte, obwohl bereits Berichte kursierten, dass auch honduranische Minderjährige ins Visier genommen werden sollten. Kelly deutete jedoch klar an, dass auch solche Abschiebungen rechtswidrig wären, sollten sie ohne ordentliches Verfahren erfolgen. Es ist diese Mischung aus juristischer Zurückhaltung und deutlicher Warnung, die zeigt, wie dünn das Eis geworden ist, auf dem sich die Trump-Regierung bewegt. Die offizielle Argumentation Washingtons wirkt im Rückblick wie eine Mischung aus Panik und politischem Kalkül. Mal hieß es, man wolle Familien zusammenführen, mal, man handle im Auftrag der guatemaltekischen Regierung, die sich um Kinder sorge, die bald 18 würden und dann in Erwachsenengewahrsam landen könnten. Doch alle diese Erklärungen wirkten wie hastig nachgeschobene Vorwände. Die Wahrheit ist einfacher – und düsterer: Man wollte ein Exempel statuieren, koste es, was es wolle.
Die Kinder, um die es geht, sind Teil des regulären Verfahrens: Wer allein die Südgrenze überquert, kommt zunächst in Einrichtungen des Office of Refugee Resettlement. Dort bleiben die Minderjährigen, bis ein Sponsor gefunden ist, meist Verwandte. Dieses System ist alles andere als perfekt, doch es garantiert zumindest, dass kein Kind einfach im Niemandsland verschwindet. Die Nacht- und Nebelaktion der Regierung zielte genau darauf ab, diesen Schutz auszuhebeln. Das Urteil von Richter Kelly ist deshalb mehr als eine juristische Formalie. Es ist ein seltenes Stoppsignal in einem Amerika, in dem die Politik der Trump-Regierung immer häufiger rote Linien überschreitet. Es erinnert daran, dass selbst im Schatten einer restriktiven Agenda noch Prinzipien gelten – und dass die Würde von Kindern nicht verhandelbar ist. Dass es dazu eines Richterspruchs bedurfte, ist ein Skandal für sich. Dass dieser Spruch nun erst einmal Leben rettet, ist ein Hoffnungsschimmer in einer Zeit, in der Menschlichkeit systematisch zur Nebensache erklärt wird.
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Zwischen all dem Leid gibt es doch immer wieder Lichtblicke
…das stimmt, es sind aber auch harte Kämpfe
Ein sehr mutiger Richter mit Gewissen!
Wahrscheinlich wird es nur ein kurzer Aufschub sein.
Obwohl ich noch hoffe, dass es für die Kinder eine sichere Zukunft gibt.
Aber Trumps Abschiebemasfhinerie wird immer größer, immer „perfekter“ …. wie lange dauert es wohl, bis anstatt abgeschoben zu werden, die ersten Kinder einfach verschwinden?