Fünf Schritte zurück – Wie Amerikas Oberstes Gericht den Umweltschutz dem Öl geopfert hat

VonRainer Hofmann

Mai 29, 2025

Der Supreme Court der Vereinigten Staaten hat am Donnerstag entschieden, dass ein milliardenschweres Ölbahnprojekt im US-Bundesstaat Utah weitergebaut werden darf – trotz massiver Umweltbedenken, trotz offener Klimafolgen, trotz allem, was die Wissenschaft seit Jahrzehnten mahnt. Das Urteil: 8 zu 0. Das Signal: Der Umweltschutz hat in den USA keinen Platz mehr. Es war kein Urteil. Es war eine Kapitulation.

Im Mittelpunkt steht die Uinta Basin Railway, eine 142 Kilometer lange Schienenverbindung durch Wüsten, Felsen und Ölfelder. Sie soll künftig Abertausende Tonnen Rohöl aus einem der entlegensten Teile Utahs auf den Weltmarkt bringen – ein Geschenk für die Fossilindustrie, ein Todesstoß für das Klima. Das Ende einer Schutzidee

Noch schlimmer als das Projekt selbst ist das, was das Urteil mit sich bringt: eine massive Schwächung des National Environmental Policy Act (NEPA) – jenes Gesetzes, das seit 1970 sicherstellen soll, dass Infrastrukturvorhaben auf ihre Umweltfolgen geprüft werden.

Doch für das höchste Gericht der USA genügt es künftig, wenn Behörden nur noch die unmittelbaren Auswirkungen prüfen – nicht aber die langfristigen Schäden, nicht das CO₂ in der Atmosphäre, nicht die Brände, nicht das schleichende Gift in Luft und Wasser.

„NEPA ist ein Verwaltungswerkzeug, kein Hindernis“, schrieb Richter Brett Kavanaugh, flankiert von Trumps konservativer Mehrheit. Was hier wie Technokratie klingt, ist in Wahrheit ein Rückzug ins fossile Zeitalter.

Während Europa, Kanada oder selbst China über CO₂-Bepreisung, Renaturierung und Emissionsgrenzen debattieren, reißen die USA ihre eigenen Schutzbarrieren ein – Stück für Stück, Urteil für Urteil. Präsident Trump kündigte zuletzt an, Umweltprüfungen „auf ein paar Wochen“ zu verkürzen – Verfahren, die früher ein Jahr dauerten, sollen in seiner Logik nur noch eine Formsache sein.

Der Supreme Court liefert nun die Legitimation. Was als juristische Entscheidung verkauft wird, ist in Wirklichkeit ein Freibrief zur Verwüstung. Die Welt muss mitzahlen

Es sind nicht nur die Wüsten Utahs, die hier verlieren. Es ist die ganze Welt. Denn was in Amerika verbrennt, heizt den Planeten auf. Was in Utah gefördert wird, wird in Houston raffiniert, in Tankern verladen, in Küstenregionen verfeuert. „Unsere Luft wird dreckiger, unsere Gewässer vergiftet, unsere Zukunft entwertet“, sagt Wendy Park vom Center for Biological Diversity. Und das, was an der Spitze des US-Staates Recht genannt wird, ist in Wahrheit politischer Gehorsam gegenüber der Ölindustrie.

Selbst Richterin Sonia Sotomayor, Teil des liberalen Flügels, stimmte dem Urteil zu – wenn auch mit abweichender Begründung. Nur Neil Gorsuch, sonst verlässlich konservativ, war abwesend – ausgerechnet, weil er einst einen der Hauptprofiteure des Projekts, den Milliardär Philip Anschutz, juristisch vertreten hatte. Doch es wäre naiv, in diesem Kontext noch auf Integrität zu hoffen. Diese Justiz hat sich entschieden – gegen die Umwelt, gegen kommende Generationen, gegen globale Verantwortung.

Fünf Schritte zurück

Dieses Urteil ist mehr als nur ein Schritt in die falsche Richtung. Es ist ein Rückfall. Ein Rückfall in eine Zeit, in der Wachstum alles war und Zerstörung nie bepreist wurde. Es sind fünf Schritte zurück:

Zurück zu fossilen Träumen

Zurück zur völligen Entfesselung des Marktes

Zurück zur Unterwerfung der Wissenschaft

Zurück zur Entmachtung des Rechts

Zurück zu einer Politik, die lieber Wälder rodet, als Debatten führt

Wer stoppt Amerika?

Wenn ein Land wie die USA, das sich einst als moralische Führungsmacht begriff, heute ganz offen auf Ausbeutung setzt – wer soll dann noch Maß halten? Wie will man anderen erklären, dass CO₂ gesenkt, Lebensräume geschützt, Umweltgesetze gestärkt werden müssen, wenn der größte Emittent des letzten Jahrhunderts sich selbst zum Zerstörer erklärt?

Es ist nicht nur eine juristische Entscheidung gefallen – es ist eine globale Warnung ergangen.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
1 Kommentar
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
ClaraSieger
ClaraSieger
3 Monate zuvor

Männer, die die Welt verbrennnen… Aus reiner Macht- und Profitgier. Gekoppelt mit der Lust am Untergangsszenario (der anderen).
Es widert mich zutiefst an, dass Einzelne, eigentlich Wenige, alle anderen in dem Abgrund reißen.
Ob es jetzt die Klimakatastrophe ist, die sie immer weiter anheizen, oder die Zerstörung unserer Atmosphäre durch die verglühenden Satelliten.
Ich wünschte, es wäre anders. Ich wünschte, wir hätten mehr Möglichkeiten.

1
0
Would love your thoughts, please comment.x