Viktoriia Bulavina hatte alles getan, was dieser Staat von Menschen verlangt, die legal Schutz suchen. Sie war vor Putins Krieg geflohen, eingereist unter einem humanitären Programm, das genau für Fälle wie ihren geschaffen wurde. Sie lebte mit ihrem Ehemann Victor Korol, einem US-Staatsbürger, legte Dokumente vor, erschien zu jedem Termin und stand nun im entscheidenden Schritt ihres Green-Card-Verfahrens. Für viele ist dieser Tag der Moment, in dem Unsicherheit endlich nachlässt. Für sie wurde er der Beginn eines Ereignisses, das selbst erfahrene Anwälte fassungslos machte. Mitten im finalen Interview wurde sie kommentarlos festgenommen, ohne Vorwarnung und ohne ersichtlichen Grund. Sie führten sie ab, brachten sie in eine Einrichtung unter San Diego, eine dieser unterirdischen Anlagen, die für minimale Transparenz und maximale Härte stehen. Ihr Mann blieb zurück – Zeuge einer Festnahme, die im Widerspruch zu jeder Akte und jedem Status stand, den die Behörden selbst zuvor bestätigt hatten.

Der Vorgang war nicht nur unnötig, sondern völlig unverhältnismäßig. Viktoriia war legal eingereist, sie hatte keine Fristen verletzt, keine Regeln gebrochen, keine Auflagen missachtet. Sie war kein Risiko, keine mögliche Fluchtgefahr, niemand, der im Verborgenen lebte. Der Staat wusste, wer sie war und warum sie hier war. Trotzdem wurde sie behandelt wie jemand, der sich dem Recht entzieht, obwohl sie sich genau an dieses Recht gehalten hatte.
Nach 33 Stunden, viel Kampf und Recherchenachweisen, ließ ICE sie schließlich frei. Wieder ohne Erklärung. Wieder ohne Begründung. Viktoriia Bulavina verließ die unterirdische Haft genauso unerwartet, wie sie hineingezwungen wurde. Ihr Verfahren läuft weiter, doch der Schaden ist bereits entstanden: Vertrauen, das über Monate aufgebaut wurde, wurde in wenigen Stunden zerstört. Für sie und ihren Mann bleibt die Frage, wie sicher man in einem System sein kann, das Menschen festnimmt, obwohl es dafür keine sachliche Grundlage gibt.

Dass sie nun frei ist, mildert den Vorgang nicht. Es zeigt vielmehr, wie willkürlich der Zugriff war. Es gibt keine neue Faktenlage, keinen juristischen Schritt, der die Festnahme gerechtfertigt hätte und jetzt entfällt. Es gibt nur eine Behörde, die Entscheidungen trifft, die weder nachvollziehbar noch prüfbar sind. Wer Menschen erst festnimmt, dann kommentarlos freilässt, beweist nicht Stärke, sondern Orientierungslosigkeit. Der Fall Bulavina reiht sich ein in eine Entwicklung, die wir seit Monaten dokumentieren: legale Einwanderer, Geflüchtete, Ehepartner von US-Staatsbürgern, Kinder – alle können in Situationen abgegriffen werden, in denen sie eigentlich Sicherheit erwarten dürfen. Behörden nutzen Termine, zu denen Menschen freiwillig erscheinen, als Zugriffspunkte. Ein Staat, der so handelt, beschädigt nicht nur Einzelne, sondern seine eigene Glaubwürdigkeit.

Victor Korol, seine Tochter und Viktoriia Bulavina, 5. Dezember 2025 im Garten ihres Hauses in San Diego. Nur einen Tag zuvor war Viktoriia Bulavina am Ende ihres Green-Card-Interviews in den Einwanderungsbehörden der Innenstadt festgenommen worden.
Für Viktoriia Bulavina endet dieser Abschnitt nicht in Abschiebung, sondern in Freiheit. Doch diese Freiheit trägt einen Nachgeschmack, der bleibt: Sie wurde festgenommen, weil ein System seine eigenen Regeln nicht mehr erkennt. Und sie wurde freigelassen, weil dieses System offenbar niemandem erklären kann, warum sie überhaupt dort war. Die USA versprechen Schutz für diejenigen, die Krieg und Gewalt entkommen sind. Doch ein Versprechen, das an der Türschwelle zur Green Card gebrochen wird, verliert seinen Wert.
Wenn der Staat Menschen wie Viktoriia Bulavina verunsichert, trifft es nicht nur sie. Es trifft jede Familie, die glaubt, sich in diesem Land auf Recht und Verfahren verlassen zu können. Genau deshalb ist ihr Fall ein Warnsignal – und er sollte nicht ignoriert werden.
Fortsetzung folgt …
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