Erste Konsequenzen – Der Absturz eines Mannes, der alles hätte wissen müssen

VonRainer Hofmann

November 18, 2025

Es gibt Rückzüge aus dem öffentlichen Leben, die still erfolgen, fast unmerklich. Und es gibt jene, die einem politischen Donnerschlag gleichen, weil sie eine Wahrheit offenlegen, die jahrelang verdrängt wurde. Larry Summers, einst Finanzminister der Vereinigten Staaten, Ex-Präsident von Harvard, global gefragter Ökonom – einer der einflussreichsten Männer seiner Generation – hat am Montag genau diesen Schritt getan. Ein Schritt zurück, weg von Gremien, Kommissionen, Thinktanks. Weg von den Bühnen, auf denen er jahrzehntelang den Ton angab. Und doch bleibt das Gefühl, dass der eigentliche Rückzug viel früher hätte beginnen müssen.

Der Auslöser ist ein Fund, der ihn wie ein Schlag trifft: E-Mails aus dem Archiv von Jeffrey Epstein, die zeigen, dass Summers noch lange nach Epsteins Schuldbekenntnis von 2008 mit ihm in freundschaftlichem Ton schrieb, als sei nichts gewesen. Während andere sich abwandten, suchte Summers weiter die Nähe eines Mannes, der wegen sexuellen Missbrauchs eines minderjährigen Mädchens verurteilt war. Diese Nähe war kein Ausrutscher, sondern ein Muster – und eines, das Summers nun einholt.

In seiner Erklärung an die Harvard Crimson schrieb er, er wolle sich zurückziehen, „um Vertrauen wieder aufzubauen und Beziehungen zu den Menschen zu reparieren, die mir am nächsten stehen“. Er sei „zutiefst beschämt“ und übernehme volle Verantwortung für die Entscheidung, den Kontakt zu Epstein fortgeführt zu haben. Man liest diese Worte – und spürt die Schwere, die sie tragen. Doch man spürt auch die Leerstelle: Warum erst jetzt?

Sein Schritt hat Folgen. Das Center for American Progress bestätigte, dass Summers seine Forschungsstelle beendet. Andere Institutionen könnten folgen. Selbst seine Ankündigung, weiter zu lehren, wird nun hinterfragt – vor allem an Harvard, jener Universität, deren moralischen Anspruch Summers lange geprägt hat. Dass gerade aus Massachusetts sofort Kritik kommt, überrascht niemanden. Elizabeth Warren sagte im Fernsehen, Harvard müsse sich von Summers trennen. Ein Mann, der sich einem verurteilten Sexualstraftäter angenähert habe, sei für Studierende „nicht vertrauenswürdig“. Die politische Eskalation blieb nicht aus. Donald Trump nutzte die Enthüllungen, um sofort nachzulegen. Auf seiner Plattform forderte er das Justizministerium und das FBI auf, Summers zu untersuchen – zusammen mit Bill Clinton und dem LinkedIn-Mitgründer Reid Hoffman. Die Justizministerin Pam Bondi folgte prompt: Ein Sonderstaatsanwalt wurde eingesetzt. Trumps Botschaft ist klar: Er will den Fall Epstein zu einem politischen Werkzeug machen, und Summers ist nun Teil dieses Werkzeuges.

„Wir haben NICHTS mit Epstein zu tun. Die Demokraten schon. All seine Freunde waren Demokraten. Reid Hoffman, Larry Summers, Bill Clinton. Sie waren JEDERZEIT auf seiner Insel. Alles Demokraten. Das ist die Wahrheit, vor der sie solche Angst haben „Alles, was ich will, ist, dass die Menschen die großartige Arbeit anerkennen, die ich geleistet habe.“ Und er habe sich diese Anerkennung hundertfach verdient. Wir kommen aus dem Lachen nicht mehr raus … WOW

Doch jenseits der Geräusche steht die Frage, die Summers nicht beantwortet: Warum suchte ein Mann mit dieser Macht, diesem Wissen, diesem Einfluss die Nähe eines verurteilten Täters? In einer der veröffentlichten E-Mails schreibt Summers über eine Begegnung mit einer Frau: „Ich fragte, was sie mache. Sie sagte: Ich bin beschäftigt. Ich sagte: Sie sind ganz schön schüchtern.“ Epstein antwortete in seiner üblichen Art: „Du hast gut reagiert… genervt zeigt, dass es dir wichtig ist… kein Jammern, das zeigt Stärke.“ Man liest diese Zeilen – und erkennt die Vertrautheit, die zwischen beiden längst Normalität war. Ein Mann, der Finanzsysteme verstand wie kaum ein anderer, der Harvard führte, der Weltmärkte analysierte und Präsidenten beriet, zeigt sich hier blind für das Offensichtliche. Summers bezeichnete diese Verbindung zuletzt als „großen Fehler in meinem Leben“. Es ist schwer, ihm zu widersprechen – und doch bleibt der Eindruck, dass dieser Fehler weit größer ist als ein persönlicher Fehltritt.

Denn es geht nicht nur um moralisches Versagen. Es geht um Macht, um Verantwortung, um die Grenzen, die Menschen in hohen Ämtern ziehen müssen. Summers hat sie nicht gezogen. Und nun, da die Öffentlichkeit ihn damit konfrontiert, zieht er sich zurück – aber nicht aus Einsicht allein, sondern weil die Fakten es erzwingen. Vielleicht wird Harvard ihn halten, vielleicht nicht. Vielleicht wird die politische Jagd auf ihn sich bald wieder einem anderen Ziel zuwenden. Doch der Schatten, den Epstein über diesen Fall legt, wird bleiben. Und Larry Summers, der Mann, der alles hätte wissen müssen, steht nun vor einer Frage, die ihn noch lange begleiten wird: Wie konnte er sich einem Verurteilten anvertrauen, während die Welt längst wusste, was er getan hatte?

Was immer er tut – dieser Rückzug ist nicht der Schlussstrich. Es ist der Beginn einer späten, schweren Abrechnung.

Updates – Kaizen Kurznachrichten

Alle aktuellen ausgesuchten Tagesmeldungen findet ihr in den Kaizen Kurznachrichten.

Zu den Kaizen Kurznachrichten In English
Abonnieren
Benachrichtigen bei
guest
2 Comments
Älteste
Neueste Meistbewertet
Inline-Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Irene Monreal
Irene Monreal
5 Stunden zuvor

Mir kommt es so vor, dass Epstein selbst, mit seinem außerhalb jeden Gesetzes stehenden Netzwerk, die „Hure“ war, mit der die Größen der Macht ihre Probleme besprachen. Er wird sie alle mit seinen „Gefälligkeiten“ eingewickelt und zum best friend gemacht haben. Epsteins Tod war alles, nur kein Selbstmord.

Muras R.
Muras R.
1 Stunde zuvor
Antwort auf  Irene Monreal

Mit anderen Worten -and pardon my French- J.E. hat sogar die klügsten Köpfe am Schniedel durch die Manege geführt

2
0
Deine Meinung würde uns sehr interessieren. Bitte kommentiere.x