Erst die Drohung, dann die Verachtung – Turning Point AmericaFest als Vorbote für viel mehr …

VonRainer Hofmann

Dezember 22, 2025

Beim AmericaFest war nichts zufällig, nichts lose aneinandergereiht. Zuerst trat Mike Johnson auf die Bühne und machte klar, worum es geht. Er erklärte, ein Verlust der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus werde unmittelbar zur Amtsenthebung von Donald Trump führen. Kein Hinweis auf demokratische Abläufe, keine Einordnung, keine Erklärung. Es war eine Drohung. Wahlen erschienen nicht als Ausdruck politischer Entscheidung, sondern als Gefahr. Kontrolle wurde zum Feind erklärt, Opposition zur existenziellen Bedrohung. Wer nicht mitzieht, riskiert alles. Das Publikum bekam keine Argumente, sondern eine klare Erwartungshaltung: Loyalität ist Pflicht.

„Wenn wir die Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren, wird die radikale Linke Präsident Trump des Amtes entheben.“

Kaum war Johnson verschwunden, folgte J. D. Vance. Der Ton blieb hart, das Ziel wechselte. Man müsse Vater und Mutter ehren, sagte er, statt ihr Geld in die Ukraine zu schicken. Der Satz war kein Ausrutscher, sondern eine gezielte Abwertung. Unterstützung für ein angegriffenes Land wurde zur moralischen Verfehlung erklärt. Solidarität erschien als Angriff auf die eigene Familie. Die Ukraine war kein Ort eines Krieges mehr, sondern ein Vorwand, um Ressentiments zu bündeln. Wer Hilfe befürwortet, stellte sich nach dieser Logik gegen die eigenen Leute. Der Applaus kam von diesem Publikum sofort.

„Wir glauben daran, Vater und Mutter zu ehren, statt ihr ganzes Geld in die Ukraine zu schicken.“ – Vance driftet mehr und mehr in eine religiöse Verschwörungswelt ab und verliert jeden Tag ein Stück Realität mehr. Ein bekanntes Phänomen bei Rechtsextremen und Rechtskonservativen

So entstand eine klare Abfolge. Erst Angst nach innen, dann Verachtung nach außen. Erst wird demokratische Kontrolle delegitimiert, dann internationale Verantwortung. Fakten spielten keine Rolle, Zusammenhänge ebenso wenig. Entscheidend war das Gefühl. Das Turning Point AmericaFest bot dafür den idealen Raum. Ein Ort ohne Zweifel, kein Platz für Widerspruch. Die rechte Showrampe war gemacht für diese Botschaften und für nichts anderes.

Nicki Minaj ist längst mehr, als nur eine weitere rechte Influencerin. Ihre Relevanz kommt aus der Vergangenheit. Die großen Hits, die kulturelle Prägekraft – das liegt Jahre zurück. Daher ist Ihr Auftritt bei Turning Point USA für niemanden eine Überraschung. Seit Jahren fällt sie mit transfeindlichen Tiraden, Verschwörungsbehauptungen und offener MAGA-Nähe auf. Manche Behauptungen sind so absurd, dass einzig ärztliche Hilfe noch etwas ausrichten könnte. Dass sie ausgerechnet dort auf die Bühne geht, wo Ressentiments gezielt an junge Leute verkauft werden, passt ins Bild der Influencerin. Minaj nutzt ihre Reichweite nicht, um Grenzen zu hinterfragen, sondern um sie mit Ihren rechten Theorien abzureißen und die Taschen zu füllen. Für ein junges Publikum ist das besonders gefährlich: Ihre Pop-Vergangenheit wird hier zum Transportmittel für Ausgrenzung, C- und B-Promis zu politischen Kanonen. Das ist keine rebellische Masche, sondern rechte Normalisierung mit Chart-Gesicht. „Wir haben kein Problem damit, den Abschaum aufzuräumen, wenn es sein muss. Tritt besser vorsichtig auf.“ Solche Zitate bedürfen keiner weiteren Erläuterung, sie sind schlicht billig.

Wer das als amerikanische Eigenart abtut, macht es sich zu einfach. Die Muster sind in Deutschland längst bekannt. Auch die AfD erklärt Unterstützung für die Ukraine regelmäßig zum Verrat an der eigenen Bevölkerung. Auch dort wird internationale Solidarität als Belastung für Familien umgedeutet, als Luxus, den man sich angeblich nicht leisten könne. Es ist dieselbe Sprache, nur angepasst an ein anderes Publikum. Erst wird Angst aufgebaut, dann die Schuld verteilt. Erst werden demokratische Verfahren diskreditiert, dann wird nach innen geschlossen.

Und auch er durfte natürlich nicht fehlen: Donald Trump Jr. stellte sich bei AmericaFest als Stichwortgeber für die nächste Eskalationsstufe dar – und hielt sich dabei eng an die eigene Erzählung von Größe, Loyalität und Kampfmodus. Er sagte, er habe befürchtet, dass der Saal „ohne Charlie“ wieder so leer wirken könnte „wie vor zehn Jahren“, als „diese unglaubliche Reise“ begonnen habe, doch nun sei es „buchstäblich doppelt so viel wie im letzten Jahr“, und selbst das sei bereits ein Rekord gewesen. Das sei, so Trump Jr., „ein Beweis für euch – für euren Patriotismus, euren Mut, euren Willen und für alles, wofür Charlie stand“. Direkt danach zog er die politische Linie noch schärfer: Man sei „der letzte Standpunkt des gesunden Menschenverstands“, das sei „nicht mehr die Republikanische Partei“, sondern die „America-First-Partei“, die „Make-America-Great-Again-Partei“ – und: „Wir gehen nicht zurück.“

Die USA zeigen, wohin diese Rhetorik führen kann, wenn sie nicht frühzeitig begrenzt wird. Worte bleiben nicht folgenlos. Sie bereiten Entscheidungen vor, verschieben Grenzen, normalisieren Härte. Deutschland sollte genau hinschauen. Nicht aus Neugier, sondern aus Selbstschutz. Wer glaubt, man könne diese Entwicklungen beobachten, ohne selbst betroffen zu sein, unterschätzt ihre Dynamik. Der Zug ist nicht amerikanisch. Er fährt international. Und wer zu lange zuschaut, sitzt irgendwann mit drin.

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Irene Monreal
Irene Monreal
2 Stunden zuvor

„Deutschland sollte genau hinschauen“
Wir können eine reale Dokumentation des Faschismus, getragen von dummdreisten Fans und Wählern, in den USA in Echtzeit beobachten und wir haben die grausamste Entwicklung des Faschismus in der eigenen Vergangenheit, gerade einmal ein Menschenalter entfernt.
Menschen, die sich für die Krone der Schöpfung halten, verfügen nicht mehr über die geistigen und moralischen Fähigkeiten, zu erkennen, dass sie dem abgrundtief Bösen auf den Leim gehen.
Diese Zeit wird als das Zeitalter der Dummheit in die Geschichte eingehen.

Carolina
Carolina
29 Sekunden zuvor
Antwort auf  Irene Monreal

Ich habe manchmal das Gefühl, dass es für Deutschland schon zu spät ist.

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