„Einer der größten Einsätze aller Zeiten“ – Hegseths Verteidigung der Iran-Schläge bleibt vage, scharf und zutiefst politisch

VonRainer Hofmann

Juni 26, 2025

Verteidigungsminister Pete Hegseth trat am Donnerstag im Pentagon vor die Presse – und was folgte, war weniger ein militärisches Briefing als ein rhetorischer Frontangriff. Mit General Dan Caine an seiner Seite lobte Hegseth die Angriffe auf Irans Nuklearanlagen als präzise, zerstörerisch und historisch bedeutsam – doch wie viel Substanz hinter den Worten steckt, bleibt fraglich. Detaillierte Einschätzungen über den tatsächlichen Rückschlag für Teherans Atomprogramm? Fehlanzeige. „Wir sprechen hier über einen der größten, professionellsten und bestätigendsten Einsätze in der Geschichte des Pentagon“, schrieb Präsident Trump kurz nach dem Auftritt auf Truth Social – begleitet von einem Aufruf, sich bei den US-Streitkräften zu entschuldigen und alle an der angeblichen „Hexenjagd“ beteiligten Medienleute zu entlassen.

Doch der Ton im Saal war weniger triumphal. Denn während Hegseth die Planung, Zielauswahl und logistische Präzision der Schläge hervorhob, wich er konsequent jeder quantitativen Einschätzung aus. Die viel zitierte Geheimdienstbewertung, wonach Irans Atomprogramm lediglich um „einige Monate“ zurückgeworfen worden sei, sei lediglich „vorläufig“ und „lückenhaft“, so Hegseth. Der Bericht enthalte selbst den Hinweis, dass die Aussagekraft aufgrund fehlender Informationen gering sei – weshalb die mediale Fixierung darauf „atemberaubend einseitig“ sei. Besonders pikant: Hegseth richtete seine Kritik auch an seine einstige Kollegin bei Fox News, Jennifer Griffin, die er als „die Schlimmste“ bezeichnete – jemand, der absichtlich falsch wiedergebe, was der Präsident sage. Griffin hatte zuvor gefragt, ob es Beweise gebe, dass in dem bombardierten Bunker überhaupt angereichertes Uran gelagert war. Denn Satellitenbilder zeigten, dass in den Tagen vor dem Angriff mehr als ein Dutzend LKWs die Anlage verlassen hatten – womöglich mit brisanter Fracht. Hegseth antwortete ausweichend: „Natürlich beobachten wir jeden Aspekt. Aber Jennifer …“

Auch das Weiße Haus äußerte sich am Donnerstag zur Frage, ob das Uran vor dem Angriff entfernt worden sei. Pressesprecherin Karoline Leavitt erklärte, es gebe „keine Hinweise“, dass Iran sein Material vor dem Eintreffen der US-Bomben evakuiert habe. Trump selbst formulierte es gewohnt markant: Der Abtransport sei „zu langwierig, zu gefährlich und zu schwer“ gewesen – und damit unmöglich. Unterdessen versuchte Leavitt, dem Einsatz eine diplomatische Note zu verleihen: Der Angriff habe „die unmittelbare Bedrohung durch das iranische Atomprogramm beendet“ und markiere den Beginn eines neuen diplomatischen Weges. Doch dieser Weg ist gepflastert mit verfassungsrechtlichen Fragen. Der Senat soll noch diese Woche über eine Resolution abstimmen, die künftige Militärschläge gegen Iran von einer Zustimmung des Kongresses abhängig macht. Einige Republikaner unterstützen das – eine stille Rebellion gegen Trumps expansive Exekutivmacht.

Auch in Israel spitzt sich die Lage zu. Zwar wurde Trump für die Angriffe zunächst von nahezu allen politischen Lagern gefeiert, doch sein anschließender Aufruf, Premierminister Netanyahu vor der israelischen Justiz zu „retten“, sorgt für Unmut. Oppositionsführer Yair Lapid nannte Trumps Einmischung einen „schweren Angriff auf die Souveränität Israels“ – ein Vorstoß, der ausgerechnet inmitten eines laufenden Korruptionsprozesses erfolgt. Abseits geopolitischer Spannungen spitzt sich in Washington auch die innenpolitische Lage zu. Zwei Schlüsselfragen im US-Senat – die geplanten Änderungen an der Medicaid-Finanzierung und die Kürzungen bei Planned Parenthood – wurden durch Entscheidungen der Parlamentsjuristin sowie des Supreme Court erschüttert. Beide Entwicklungen könnten Trumps ohnehin angeschlagenes Sozialbudget durcheinanderbringen. Die Demokraten sprechen bereits von einem „verfassungsrechtlichen Fiasko“, das die Schwächsten treffe, um die größten Steuergeschenke zu finanzieren.

Und während der Präsident sein neues Lieblingsshirt mit dem Aufdruck „Daddy“ trägt – eine ironisch überhöhte Anspielung auf die Aussagen von NATO-Generalsekretär Mark Rutte – laufen im Kongress die Vorbereitungen für das erste geheime Briefing zum Iran-Einsatz. CIA-Direktor John Ratcliffe, Außenminister Marco Rubio und Hegseth selbst sollen Rede und Antwort stehen – zumindest gegenüber den Senator:innen. In der Öffentlichkeit bleibt der Einsatz vorerst ein Puzzle aus martialischen Pressekonferenzen, selektiven Informationen und einer Rhetorik, die alles sein will – nur nicht überprüfbar. Was bleibt, ist das Bild einer Regierung, die Realitäten bekämpft wie Gegner: mit maximalem Druck, minimaler Transparenz – und einer Verteidigungspolitik, die zur Inszenierung wird, je mehr sie erklären müsste.

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