Ein Triumph voller Brüche – Trumps „Big Beautiful Bill“ passiert den Senat

VonRainer Hofmann

Juli 1, 2025

Washington, 1. Juli 2025 – Mitten in einer drückenden Julihitze, nach einer durchwachten Legislativnacht, hat der US-Senat heute Präsident Donald Trumps zentrales Gesetzesvorhaben zu Steuererleichterungen und Ausgabenkürzungen mit der knappstmöglichen Mehrheit verabschiedet. Den Ausschlag gab einmal mehr Vizepräsident JD Vance, der mit seiner Stichstimme ein 50:50-Patt auflöste und damit ein politisches Signal sendete: Die republikanische Mehrheit ist brüchiger, als es auf dem Papier scheint – doch sie reicht. Der sogenannte „Big Beautiful Bill“, ein ideologischer Brocken voller konservativer Wunschträume, vereint massive Steuersenkungen für Unternehmen und Vermögende, dramatische Kürzungen bei Sozialprogrammen wie Medicaid, neue Milliarden für Verteidigungsausgaben und ein hartes Aufrüstungsprogramm für Abschiebungen. Das Paket, das Trump selbst bei jeder Gelegenheit als „wunderschön“ und „historisch“ bezeichnet, wurde nicht nur von den Demokraten, sondern auch von Teilen der republikanischen Fraktion mit Skepsis betrachtet. So verweigerten drei GOP-Senator:innen – Thom Tillis (North Carolina), Susan Collins (Maine) und Rand Paul (Kentucky) – demonstrativ ihre Zustimmung. Paul bezeichnete das Gesetz nach der Abstimmung sarkastisch als „das große, nicht ganz so schöne Gesetz“. Collins wiederum, die zuvor noch 50 Milliarden Dollar für ländliche Krankenhäuser gesichert hatte, stimmte dennoch mit Nein. „Meine Bedenken gehen weit über das hinaus“, sagte sie knapp. Besonders die drastischen Einschnitte bei Medicaid beunruhigten sie – eine Sorge, die sie mit vielen Parteikolleg:innen teilt, die dennoch zustimmten.

Alaskas Senatorin Lisa Murkowski entschied sich dagegen für ein Ja – und wurde zur entscheidenden Stimme. „Es war ein qualvoller Prozess“, sagte sie nach der Abstimmung. „Ich musste abwägen, weil die Menschen in meinem Bundesstaat für mich an erster Stelle stehen. Perfekt ist dieses Gesetz in keiner Weise.“ Mehrheitsführer John Thune lobte sie als „unabhängige Denkerin“. Thune selbst hatte in den Tagen vor der Abstimmung mit nahezu jedem Zögernden persönlich gesprochen, oft bis tief in die Nacht – ein politischer Kraftakt, der sich nun auszuzahlen scheint. Doch der Durchbruch im Senat ist nicht das Ende, sondern lediglich eine Etappe. Weil die Senator:innen Änderungen am ursprünglichen Entwurf vorgenommen haben – insbesondere im sensiblen Bereich der Gesundheitsversorgung – muss das Gesetz nun zurück ins Repräsentantenhaus. Dort hatte Sprecher Mike Johnson bereits gewarnt, dass zu starke Abweichungen vom ursprünglichen Text neue Konflikte provozieren könnten. Die Uhr tickt: Trump will sein Prestigeprojekt bis zum 4. Juli unterzeichnen, pünktlich zum Unabhängigkeitstag – symbolträchtig und medienwirksam. Währenddessen veröffentlichten die parteiunabhängigen Haushaltsprüfer des Congressional Budget Office (CBO) eine ernüchternde Einschätzung: Das Gesetz, so die Prognose, werde die Staatsverschuldung zwischen 2025 und 2034 um rund 3,3 Billionen Dollar erhöhen – knapp eine Billion mehr als die Version des Repräsentantenhauses. Noch gravierender ist die soziale Dimension: Bis 2034 würden laut CBO über 11,8 Millionen Amerikaner:innen ihren Krankenversicherungsschutz verlieren.

Und doch wurde gefeiert. In Florida, wo Trump zeitgleich ein neues Abschiebelager in den Everglades besuchte – spöttisch „Alligator Alcatraz“ genannt –, brandete Applaus auf, als ihm das Ergebnis übermittelt wurde. „Dann gehen wir jetzt nach Hause und feiern dieses große, wunderschöne Gesetz“, sagte der Präsident zufrieden. Das Lager, abgelegen, umgeben von Sumpf, Pythons und Alligatoren, soll laut Regierung besonders „sicher“ sein – die Alligatoren werden dabei offenbar zur offiziellen Abschreckung gezählt. Bereits jetzt verkauft das Weiße Haus T-Shirts mit dem Logo der Anlage. Im Senat hingegen war der Ton weniger festlich. Als die namentliche Abstimmung begann, verließen mehrere demokratische Senator:innen demonstrativ den Saal, andere riefen lautstark ihr „No“ in die Runde. Senator Angus King aus Maine, parteilos, aber demokratisch gesinnt, ging beim Verlassen demonstrativ zu den Republikanern hinüber und sagte hörbar für die Besuchertribüne: „Schämt euch.“ Die Passage dieses Gesetzes ist ein Sieg – aber ein fragiler. In einer Zeit, in der politische Mehrheiten von Loyalitäten und Deals abhängen, in der tiefe ideologische Gräben den Kongress durchziehen, und in der wirtschaftliche Realität auf soziale Verantwortung prallt, wird deutlich: Die Vereinigten Staaten steuern unter Donald Trump auf ein neues, härteres Kapitel zu. Mit Gesetzen, die polarisieren, mit Symbolpolitik im Grenzland – und mit einem Präsidenten, der seine Agenda mit aller Macht durchdrückt. Die große, schöne Rechnung kommt später.

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Frank
Frank
3 Monate zuvor

sorry, aber jedes Land hat die Regierung, die es verdient und gewählt hat.
Viele dieser Wähler leiden jetzt drunter, verteidigen aber immer noch MAGA, habe null Mitleid

Katharina Hofmann
Admin
3 Monate zuvor
Antwort an  Frank

Da hst du recht und es ist kaum noch nachvollziehbar…

Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Genau das habe ich gestern schon prophezeit. Das hinter verschlossener Türen gedroht/geteilt wird.

Alle MAGA Wähler tun mir nicht im geringsten Leid. Sie bekommen genau das, was sie gewählt haben.
Und immer noch unterstützen Tr*** fast 50% der US-Amerikaner. Das ist absolut unverständlich.

Deutschland 1933. Die Massen folgen begeistert H*****. Selbst noch im Krieg, selbst noch 1944.

Alle die nicht MAGA gewählt haben, tun mir leid.
Sie können rein gar nichts mehr ausrichten.
Proteste, Demonstrationen. Nichts hat was geändert.

Wird es auch nicht mehr.
Das ist nicht pessimistisch gedacht, sondern realistisch.

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