Ein späte Nacht ohne Jimmy Kimmel – wie Politik, Medienmacht und die Grenzen der Satire kollidieren

VonRainer Hofmann

September 18, 2025

Es war ein Paukenschlag, der die amerikanische Medienlandschaft am Mittwochabend erschütterte: ABC kündigte an, die Ausstrahlung von „Jimmy Kimmel Live!“ auf unbestimmte Zeit einzustellen. Der Schritt erfolgte nur Stunden nachdem die Nexstar Media Group – größter Betreiber lokaler Fernsehstationen in den USA und Partner von ABC – erklärt hatte, die Sendung nicht länger auszustrahlen. Grund sind Äußerungen des Talkmasters zum Mord an dem rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk, die inzwischen eine nationale Kontroverse ausgelöst haben. Kimmel hatte am Montag in seinem Monolog die politische Vereinnahmung der Tat scharf kritisiert. Die Anhänger von Donald Trump, so seine Formulierung, versuchten „mit allen Mitteln, diesen jungen Mann, der Charlie Kirk ermordet hat, als Linken darzustellen, um daraus politisches Kapital zu schlagen“. Zwischen Fingerzeigen und Trauer, so Kimmel, offenbare sich die ganze Absurdität des gegenwärtigen politischen Klimas. Mit dieser Spitze gegen die „MAGA-Gang“ brachte er nicht nur Trump-Anhänger gegen sich auf, sondern auch die Regulierungsbehörde selbst. Brendan Carr, Vorsitzender der Federal Communications Commission (FCC) und ein von Trump eingesetzter Funktionär, reagierte ungewöhnlich scharf. In einem Interview sprach er von „dem krankesten Verhalten überhaupt“ und ließ die Sender wissen: „Wir können das auf die leichte oder auf die harte Tour machen.“ Carr deutete an, dass die FCC sogar die Lizenzen von ABC-Stationen überprüfen könne, sollte Disney – die Muttergesellschaft des Netzwerks – keine Konsequenzen ziehen. Er stellte die Behauptung auf, Kimmel habe die Öffentlichkeit gezielt über fundamentale Tatsachen getäuscht, und betonte, dass Sender mit einer FCC-Lizenz verpflichtet seien, „im öffentlichen Interesse zu handeln“.

Unter diesem Druck zog Nexstar als erstes die Reißleine. „Kimmels Kommentare über den Tod von Charlie Kirk sind beleidigend und unsensibel in einem Moment, der unsere nationale Debatte ohnehin vergiftet“, erklärte Andrew Alford, Präsident der Nexstar-Broadcasting-Division. Es sei „nicht im öffentlichen Interesse“, dem Moderator derzeit eine Plattform zu geben. Die Show werde deshalb in allen ABC-affiliierten Märkten durch andere Programme ersetzt. Kurz darauf bestätigte auch ABC selbst: „Jimmy Kimmel Live! wird auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.“ Weitere Details wollte das Netzwerk nicht nennen. Die Entscheidung steht in einer Reihe von Eingriffen, die das Spätabendfernsehen in den USA in den vergangenen Monaten erschüttert haben. Erst im Frühjahr hatte Paramount die „Late Show with Stephen Colbert“ abgesetzt – offiziell aus finanziellen Gründen, doch Beobachter warfen dem Unternehmen vor, den Trump-freundlichen Behörden entgegenkommen zu wollen, um eine milliardenschwere Fusion mit Skydance zu sichern. Nun trifft es Kimmel, einen weiteren bekannten Kritiker des Präsidenten. Trump selbst reagierte prompt auf seiner Plattform Truth Social und gratulierte ABC für den „Mut, endlich das Notwendige getan zu haben“.

Der Fall zeigt, wie eng Medienwirtschaft, politische Macht und regulatorische Drohungen inzwischen verwoben sind. Während Republikaner wie Utahs Gouverneur Spencer Cox den mutmaßlichen Täter Tyler Robinson als „tief von linker Ideologie indoktriniert“ beschrieben und Staatsanwälte Textnachrichten präsentierten, in denen Robinson angeblich Kirks „Hass“ anprangerte, hatte Kimmel das schnelle politische Framing der Tat durch Trumps Lager angegriffen. Dass nun ein Satiriker für solche Worte faktisch von der Bildfläche verschwindet, offenbart nicht nur die Verwundbarkeit des Spätabendfernsehens, sondern wirft auch grundsätzliche Fragen nach Pressefreiheit und politischer Einflussnahme auf. Nexstar betonte in seiner Stellungnahme, man wolle „den kühleren Köpfen Raum geben, damit respektvoller und konstruktiver Dialog wieder möglich wird“. Doch der Schritt verstärkt vor allem den Eindruck, dass die Grenzen dessen, was gesagt werden darf, enger gezogen werden – nicht aus publizistischen, sondern aus machtpolitischen Gründen. Wenn selbst die Bühne der Satire zum Kampfplatz regulatorischer Drohungen und Konzerninteressen wird, steht weit mehr auf dem Spiel als nur eine Late-Night-Show.

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Ela Gatto
Ela Gatto
7 Tage zuvor

So beginnt es immer.

Unabhängiges Medien einschüchtern, Bedrohung und zum Einknicken bewegen.

Und wie schnell eingeknickt wird.
Nicht mal der Versuch dagegen anzugehen.
Weder bei Colbert, noch bei Kimmel.

Ein paar Hollywoodstars haben es gewagt Kritik daran zu üben.
Aber nur ein paar Wenige.
Sie haben wohl Angst die nächsten auf der Abschussliste zu sein und keine Filmangebote mit hohen Gagen zu bekommen.
Geld ist wichtiger als Gewissen.
Wichtiger als 1. Amendment

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