Ein Präsident und sein Schatten – Donald Trump, Lawrence Taylor und die Abgründe eines White-House-Spektakels

VonRainer Hofmann

August 1, 2025

Es war eine Inszenierung, die eigentlich harmlos wirken sollte: Donald Trump präsentierte im Weißen Haus seine neue Jugend-Sportinitiative, die Wiederbelebung des legendären Presidential Fitness Test, der seit den 1960er-Jahren amerikanischen Schulkindern Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer abverlangte. Mit großer Geste unterzeichnete er Ende Juli eine Executive Order, die das Programm nach über einem Jahrzehnt Pause zurück in die Klassenzimmer bringen soll. Doch statt eines Motivationsschubs für Jugendliche entwickelte sich die Veranstaltung zu einem Symbol für politische Blindheit, moralische Abgründe und fatale Doppelmoral – denn an Trumps Seite stand ausgerechnet Lawrence Taylor, der als einer der größten Linebacker in der Geschichte der NFL gefeiert wird, aber zugleich ein registrierter Sexualstraftäter ist.

Taylor, 66, ist seit 2011 rechtskräftig verurteilt. Er bekannte sich damals in New York schuldig, eine 16-jährige, die über Menschenhandel in die Prostitution gezwungen worden war, für Sex bezahlt zu haben. Sechs Jahre Bewährung und eine Registrierung als Sexualstraftäter niedrigen Risikos waren die Folge. Dass Taylor später in Florida gleich mehrfach auffiel, weil er die gesetzlichen Meldepflichten für Wohnsitzänderungen ignorierte, zeigt nicht nur seine Gleichgültigkeit gegenüber den Konsequenzen seines Handelns, sondern auch die fragile Logik eines Rechtssystems, das prominenten Tätern allzu oft eine zweite Bühne ermöglicht. 2021 und 2024 stand er erneut vor Gericht, zuletzt wegen eines Verstoßes gegen die Registrierungspflicht. Die schwerwiegende Anklage wurde schließlich fallengelassen – ein Muster, das in den USA längst bekannt ist.

Und genau hier beginnt die moralische Sprengkraft: Donald Trump, der sich seit Jahren unter dem Schatten des Epstein-Skandals bewegt, stellte diesen Mann nun ins Zentrum eines Jugendprojekts, das eigentlich Vertrauen, Vorbildcharakter und Schutz der Jüngsten symbolisieren soll. Die Bilder aus dem Roosevelt Room sprechen für sich: Der Präsident, flankiert von ehemaligen Football-Stars, lacht und nickt, während Lawrence Taylor am Rednerpult steht und die neue Fitness-Initiative preist. Kaum zu glauben, dass im selben Raum ein Mann gefeiert wird, der einst in einer Suite ein Opfer sexueller Ausbeutung bezahlte – und bis heute im Sexualstraftäter-Register geführt wird. Diese Szenerie wirkt wie ein makaberer Kommentar zu Trumps politischem Dilemma im Umfeld der Epstein-Affäre. Seit Jahren steht die Frage im Raum, wie eng er mit dem verstorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein und dessen Netzwerken verbunden war. Fotos aus den 1990ern, Aussagen von Opfern und die immer wieder aufgeworfenen Verbindungen zu Ghislaine Maxwell lasten schwer auf dem Bild eines Präsidenten, der moralische Integrität für sich reklamiert. Wenn nun ein offiziell registrierter Sexualstraftäter öffentlich als Partner für ein Projekt zu Schulsport und Jugendgesundheit präsentiert wird, lässt sich das kaum anders deuten als ein groteskes Signal – an die Opfer von sexuellem Missbrauch, an Eltern, Lehrer und an eine Öffentlichkeit, die schon längst abgestumpft scheint.

In einer Nation, die seit Jahren um Aufarbeitung ringt – von der katholischen Kirche bis hin zum Olympischen Komitee, das selbst von Missbrauchsskandalen erschüttert wurde – ist die Botschaft fatal. Die USA haben erlebt, wie sehr die Bagatellisierung von sexuellen Verbrechen die Glaubwürdigkeit von Institutionen zerstört. Dass ausgerechnet im Weißen Haus, dem Zentrum der Macht und der Symbolik, ein verurteilter Sexualstraftäter ein Jugendprogramm repräsentiert, bricht mit jeder Form politischer und moralischer Verantwortung. Taylor selbst scheint die Kontroverse kaum zu berühren. Auf den Fotos des Tages lächelt er selbstsicher, als sei seine Vergangenheit ausgelöscht. Für Trump ist die Episode ein weiteres Beispiel seiner Immunität gegen Empörung – oder seiner strategischen Blindheit. Kritiker sehen darin jedoch mehr: ein Sinnbild für eine politische Kultur, in der Nähe zu Macht und Ruhm schwerer wiegt als das Schicksal von Opfern. Und in einer Zeit, in der die Aufarbeitung der Epstein-Netzwerke weiterhin im Schatten von Deals, geschwärzten Akten und juristischen Verzögerungen steht, ist dieser Auftritt ein Schlag ins Gesicht all jener, die Aufklärung und Verantwortung fordern.

Lawrence Taylors Geschichte ist nicht nur die eines gefallenen Sporthelden, sondern auch ein Spiegel einer Gesellschaft, die prominente Täter noch immer in Ehrenrollen hebt, selbst wenn ihre Namen auf den Listen von Sexualstraftätern stehen. Wenn ein Präsident das ignoriert und daraus ein medienwirksames Event macht, ist es mehr als nur ein PR-Fehler. Es ist ein Abbild jener politischen und moralischen Erosion, die die USA seit Jahren plagt – und die Opfer sexueller Gewalt wieder einmal im Stich lässt.

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Tatjana Philipp
Tatjana Philipp
1 Monat zuvor

Sprachlos… Es geht Trump nur um seinen Erhalt der Macht.

Sandra Liebs
Sandra Liebs
1 Monat zuvor

Man sollte doch euch bitte den Journalistenpreis geben, den hättet ihr aber wahrlich verdient. Jeder Artikel ist spitze und keine Massenware, die ein wenig von der Oberfläche schreibt. Ganz tolle Arbeit !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Frank Schwalfenberg
1 Monat zuvor

Kindesmissbrauch wird so hoffähig in den USA. Ich kann nur k*tzen!

Irene Monreal
Irene Monreal
1 Monat zuvor

Er hatte auch mit Alkohol und Drogen Probleme und in den 80ern mit Trump zu tun, der ihn anwerben wollte. Trump sucht buchstäblich das kriminelle Milieu, Anständigkeit ist für ihn eine Bedrohung.

Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

Krass!
Von einem Sexualstraftàter zum Anderen.
Man versteht sich und findet natürlich gar nichts Schlimmes daran.

Diese doppelt Moral der MAGA und Evangelikalen. Im Bauch ist es das mit allen Mitteln zu schützende Leben (damit ist nur die Möglichkeit der Abtreibungen gemeint, denn Vorsorge, Geburtshilfe, Nachsorge steht nicht auf dem Programm der sogenannten Pro-Life Idioten).

Und dann wird Missbrauch auch noch Tür und Tor geöffnet.
Das liegt wohl daran dass die Ach so sittsamen und verklemmten Evangelikalen selber genug Dreck am Stecken haben.

Court Trump dann mit seinem neuen Budfy durch die Umkleidekabinen der Mädchen?
Natürlich nur um zu motivieren (Ironie)

Und noch was ganz anderes stösst mir dabei auf.
Kinder mit Behinderungen werden damit wieder noch weiter ausgegrenzt. Ganz im Zuge Abschaffung DEI.
Schön unter dem Deckmantel der Gesundheit.

Vielleicht sollten Sie erstmal für ordentliches Schulessen sorgen?

Patricia Lösche
Patricia Lösche
1 Monat zuvor

Man kann nur hoffen, dass die totale moralische Enthemmung, die selbstherrliche Siegesgewissheit, Skrupellosigkeit und maßlose Gier am Ende doch zum Sturz dieses bigotten amerikanischen Gruselkabinetts führt.

Pamela
1 Monat zuvor

Das ist so grotesk, dass man es kaum glauben kann. Aber Trump bleibt sich in allem treu. Das ist so widerlich.🤮

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