Ein Präsident, ein Zoll – und das Ende der Vernunft

VonRainer Hofmann

Juli 12, 2025

Es war ein Samstagmorgen wie aus dem Lehrbuch amerikanischer Unberechenbarkeit. Ohne Vorankündigung, ohne letzte Gespräche, ohne Rücksicht auf die fragile Ordnung des Welthandels veröffentlichte Donald Trump einen Brief – und mit ihm die nächste Eskalationsstufe seiner Wirtschaftspolitik. 30 Prozent Zoll auf alle Importe aus der Europäischen Union und aus Mexiko, ab dem 1. August. Ein Schlag, der nicht nur Verhandlungen zerschlägt, sondern auch das Vertrauen in die USA als verlässlichen Partner unter Trümmern begräbt. Noch vor wenigen Tagen hatten Unterhändler auf beiden Seiten des Atlantiks gehofft, dass ein Kompromiss in Reichweite sei. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte mehrfach mit Trump gesprochen, Handelskommissar Maroš Šefčovič stand im ständigen Austausch mit Washington. Die Idee: eine Grundsatzeinigung, ein Rahmen, auf dem man aufbauen könne. Man wusste, dass Trump Zölle wollte – aber man rechnete mit 10 Prozent, nicht mit einem flächendeckenden Handelskrieg. Doch Trump wollte mehr. Mehr Druck, mehr Dominanz, mehr Kontrolle. Und so schrieb er in seinem Brief an die EU: „Wenn Sie mit Gegenzöllen antworten, dann wird Ihr Prozentsatz einfach auf unsere 30 Prozent draufgeschlagen.“ Es war keine Einladung zum Dialog, sondern eine Drohung – und zwar in der Sprache eines Mannes, der aus Handel eine Disziplin der Unterwerfung gemacht hat.

Für die EU stellt sich nun die Frage, ob sie zurückschlägt. Die Antwort liegt längst vorbereitet in den Schubladen der Kommission: ein Vergeltungspaket im Wert von 21 Milliarden Euro – fast 25 Milliarden Dollar – auf US-Produkte, das nur deshalb bisher nicht aktiviert wurde, weil man auf Diplomatie setzte. Doch dieses Fenster scheint nun zu. Sollte Brüssel nicht bis Dienstag Mitternacht reagieren, treten die europäischen Gegenmaßnahmen automatisch in Kraft. In Brüssel ist die Stimmung angespannt. „Natürlich könnten wir reagieren, aber wir wollen das nicht“, sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas noch am Freitag in Kuala Lumpur. Nur: Diese Zurückhaltung basiert auf Gegenseitigkeit – und genau die hat Trump nun aufgekündigt. Besonders betroffen: die deutsche Automobilindustrie, französische Luxusgüter, italienische Weine, irische Medikamente. Sie alle stehen nun als Bauernopfer auf einem geopolitischen Spielbrett, das Trump mit der Attitüde eines Casinobesitzers bespielt. Gewinne werden eingestrichen, Verluste externalisiert – auf Verbündete, Verbraucher, ganze Volkswirtschaften.

Dabei ist die historische Bedeutung dieser Beziehungen kaum zu überschätzen. Die EU und die USA sind mehr als nur Handelspartner – sie sind wirtschaftlich miteinander verflochten wie kaum zwei andere Regionen der Welt. Was hier zerbricht, ist nicht nur ein Vertrag. Es ist eine Vorstellung davon, dass Zusammenarbeit möglich ist, dass Regeln gelten und dass Macht nicht über Recht steht. Der Ökonom Jacob Funk Kirkegaard vom Thinktank Bruegel in Brüssel bringt es auf den Punkt: „Wenn diese Zölle bleiben, dann heißt das Handelskrieg.“ Und dieser Krieg trifft nicht nur Unternehmen. Er trifft Menschen – in Fabriken, auf Feldern, in Transportlagern. Menschen, die nichts anderes getan haben, als ihrer Arbeit nachzugehen. Trump kalkuliert mit Eskalation. Doch Europa hat gelernt, dass Nachgeben keine Strategie ist. Die Zeit der Kompromissangebote scheint vorbei. Was bleibt, ist der Widerstand. Und die Hoffnung, dass sich die Welt irgendwann wieder daran erinnert, dass Handel auch Vertrauen braucht – nicht nur Zollnummern.

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Geisler Manfred
Geisler Manfred
4 Monate zuvor

Rechne bei Amerika nicht damit “ das wird schon nicht kommen „. Alles ist möglich. Aber man muss nicht auf alles reagieren, respektive Speichel lecken. Das Risiko für Unkalkulierbares ist sehr hoch, aber lassen wir es doch einfach eskalieren.

Ela Gatto
Ela Gatto
4 Monate zuvor

Die Frage ist, ob Europa wirkligelernt hat.
Bisher sah/sieht es bicht danach aus.

Aber jetzt sollte auch der letzte naive Träumer verstanden haben, dass die USA mit Trump nicht nur kein verlässlicher Partner mehr sind, sondern eine Unbekannte deren Handeln nur von persönlichen Stimmungen abhängt.

Frank
Frank
4 Monate zuvor

wie so „Ende der Vernunft“??? War die bei diesem Clown schon mal da?? Europa muss deutlich regieren, im Prinzip ist Amiland und seine Bewohner der Verlierer

Katharina Hofmann
Administrator
4 Monate zuvor
Antwort auf  Frank

Machen sie doch, sie wollen verhandeln😂😂😂 – was will man noch sagen….

Andreas Michel
Andreas Michel
4 Monate zuvor

Und Europa? Machen bestimmt wieder nichts, das kennt man doch schon. Bullshit

Ela Gatto
Ela Gatto
4 Monate zuvor
Antwort auf  Andreas Michel

Und es kam genau so, wie erwartet.
Europa verzichtet auf Gegenmaßnahmen um besser zu verhandeln.
Ohne Worte

Ela Gatto
Ela Gatto
4 Monate zuvor

Und wie erwartet.
Europa verzichtet auf Gegenmaßnahmen ab Montag, damit man weiter verhandeln kann.

Man, wann wachen die endlich auf.
Trump würfelt die Zölle.
Nach „ich mag den“, „der müsste mir die Füße“ oder der „ist aufmüofig“.

Was will man da bitte verhandeln?
Außer zu Kreuze kriechen wird Trump ohnehin nichts umstimmen.
Und selbst dann gibt es keine Garantie, dass er es morgen nicht wieder anders sieht

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