Ein Durchbruch im Schatten – und ein Präsident, dem die Kontrolle entgleitet

VonRainer Hofmann

November 19, 2025

Der Abend in Washington war kaum vorbei, da stand fest: Der Senat wird die Epstein-Akte durchwinken, ohne eine einzige Änderung, ohne Anhörungen, ohne Verzögerung. Ein Beschluss, der in seiner Klarheit kaum zu übersehen ist. Sobald das Gesetz offiziell im Senat eintrifft, wird es angenommen und direkt auf den Schreibtisch des Präsidenten gelegt – ein Vorgang, der zeigt, wie wenig Einfluss Donald Trump und die republikanische Führung inzwischen auf dieses Thema haben.

Der Senat hat das Epstein-Akten-Gesetz einstimmig verabschiedet und damit direkt auf Trumps Schreibtisch geschickt

Dabei hatte das Weiße Haus wochenlang versucht, die Veröffentlichung zu verhindern. Trump selbst nannte die Forderung nach Transparenz immer wieder einen „Schwindel“ und drängte seine Verbündeten, das Thema kleinzureden. Doch im Juli wagte eine kleine, parteiübergreifende Gruppe von Abgeordneten einen seltenen Schritt: Sie umging den Sprecher des Repräsentantenhauses und brachte das Gesetz trotz Mike Johnsons Blockade auf die Tagesordnung. Damals wirkte es wie ein politisches Risiko, fast wie ein Akt des Aufstands in einer Kammer, die Trump fest im Griff glaubte. Jetzt ist klar, wie tief sich die Stimmung gedreht hat. Das Repräsentantenhaus stimmte mit 427 zu 1 für die Freigabe der Akten – ein Ergebnis, das man eher bei unstrittigen Resolutionen erwartet als bei einem der heikelsten Fälle der letzten Jahrzehnte. Die einzige Gegenstimme kam ausgerechnet aus Trumps Lager. Doch sie änderte nichts: Die Wucht der Zustimmung war so groß, dass selbst der Präsident begriff, dass die Blockade nicht mehr zu halten ist. Innerhalb eines Tages erklärte er, er werde das Gesetz unterschreiben.

Im Senat dauerte es danach nur Stunden, bis auch dort alles entschieden war. Keine Änderungswünsche, keine Bedingungen. „Unanimous consent“ – ein seltener Vorgang, der zeigt, wie geschlossen beide Parteien den Druck der Öffentlichkeit spüren, aber auch den der Opfer, die seit Jahren darum kämpfen, endlich zu erfahren, wer Epstein geschützt hat, wer ihn gedeckt hat und wer sich hinter den Namen verbirgt, die über ein Jahrzehnt unter Verschluss gehalten wurden. Doch nicht alle im Machtapparat wollen diesen Schritt. Kaum hatten die Senatoren ihre Zustimmung signalisiert, meldete sich Mike Johnson selbst zu Wort. Der Sprecher, der alles getan hatte, um die Freigabe zu verhindern, zeigte offen seine Frustration: Er sei „zutiefst enttäuscht“, dass der Senat auf Änderungen verzichte. Am Abend telefonierte er mit Trump – ein Gespräch, das verriet, wie nervös beide inzwischen geworden sind. Johnson sagte, sie hätten „beide Bedenken“. Auf die Frage, ob der Präsident das Gesetz vielleicht doch noch blockieren könnte, antwortete er nur: „Das sage ich nicht. Ich weiß es nicht.“

Johnson zeigte offen seine Frustration

Es ist ein bemerkenswerter Satz für den Mann, der sich monatelang als politischer Türsteher des Weißen Hauses verstanden hat. Er klingt nicht nach Stärke, sondern nach einem Sprecher, der spürt, wie die Macht über dieses Thema aus seinen Händen gleitet. Das Land sieht zu genau hin, der Druck wächst, und jeder Versuch, Transparenz zu verhindern, lässt die Fragen lauter werden.

Für die Opfer von Epsteins Gewalt ist dies ein Wendepunkt. Seit Jahren kämpfen sie darum, dass das System, das Epstein so viele Jahre geschützt hat, beim Namen genannt wird. Nicht nur eine Person, nicht nur ein Täter – sondern die Behörden, Politiker, Beamten und Berater, die wegschauten oder ihn aktiv unterstützten. Dass diese Aufarbeitung nun parteiübergreifend vorangetrieben wird, ist mehr als ein symbolischer Schritt. Es ist die erste echte Chance, die Strukturen sichtbar zu machen, die in zwei Amtszeiten, drei Präsidenten und mehreren Justizministerien versagt haben. Dass der Präsident jetzt öffentlich sagt, er werde unterschreiben, während sein engstes Umfeld über ein Veto nachdenkt, zeigt die tiefe Unsicherheit an der Spitze des Staates. Trump sieht, dass er gegen die Dynamik dieser Abstimmung kaum ankommt. Die Frage ist inzwischen, ob er die Konsequenzen trägt – oder ob er in letzter Minute versucht, das Blatt doch noch zu wenden.

Eines aber ist bereits klar: Die politische Landschaft hat sich verschoben. Der Versuch, die Akten zu blockieren, ist gescheitert. Und die Frage, warum ausgerechnet dieses Thema solche Angst im Umfeld des Präsidenten auslöst, wird nach diesem Abend nicht kleiner, sondern größer.

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