Emmanuel Macron fand ungewöhnlich klare Worte. Die Sanktionen der Trump-Regierung gegen frühere britische und europäische Amtsträger zielten darauf ab, Europas digitale Souveränität zu untergraben. Keine diplomatische Floskel, kein Ausweichen. Sondern die nüchterne Benennung eines Machtkonflikts, der längst offen geführt wird.

Washington spricht von „führenden Figuren eines globalen Zensur-Industrie-Komplexes“. Ein Begriff, der weniger erklärt als entlarvt. Regulierung wird zur Verschwörung erklärt, Rechtsdurchsetzung zur Unterdrückung, Verantwortung zur Bedrohung. Wer in Europa darauf besteht, dass Plattformen Regeln einhalten müssen, gilt in dieser Logik nicht als Gesetzgeber, sondern als Gegner.
„Es wird keine US-Steuergelder mehr für feindliche Länder geben, die uns hassen. Wer bei den Vereinten Nationen gegen die Vereinigten Staaten stimmt, ‚Tod Amerika‘ skandiert oder anti-amerikanische NGOs unterstützt, wird keine US-Finanzierung mehr erhalten. Punkt.“ –
Besonders lächerlich ist der Verweis auf die amerikanischen Farmer. Abgesehen von klimatischen Extremereignissen – deren Existenz Trump bekanntlich leugnet – hat vor allem seine eigene Politik viele landwirtschaftliche Betriebe an den Rand des Ruins gedrängt: Handelskriege, Zölle, verlorene Exportmärkte und staatliche Ausgleichszahlungen, die die Schäden nur notdürftig verdeckten. Die Verantwortung dafür nun auf andere abzuwälzen, ist keine Analyse, sondern ein durchschaubarer Fluchtversuch. Wir haben genügend Dokumentationen über die Lage der Farmer gemacht. Er zeigt vor allem eines: Trumps Weigerung, für die Folgen des eigenen Handelns einzustehen.
Die Reaktion aus Brüssel blieb kontrolliert, aber eindeutig. Man verlangt Klarstellungen und macht zugleich deutlich, dass man rasch und entschlossen reagieren werde, sollte die eigene regulatorische Autonomie durch unbegründete Maßnahmen angegriffen werden. Das ist keine Eskalation, sondern Selbstachtung. Ein Rechtsraum, der seine Regeln ernst nimmt, kann sie nicht zur Disposition stellen, nur weil sie andernorts politisch missfallen.
Diese Linie ist politisch bankrott und historisch unehrlich. Die Vereinigten Staaten sind ein Einwanderungsland, und ein Großteil ihrer Bevölkerung hat migrantische Wurzeln – auch jene, die heute am lautesten dagegen polemisieren. Migration zu dämonisieren heißt, die Grundlagen des eigenen Landes zu verleugnen. Das ist keine Stärke, sondern Ausdruck ideologischer Verdummung.
Parallel dazu zeigt sich, auf welchem Niveau Teile der amerikanischen Regierung inzwischen kommunizieren. Das Heimatschutzministerium unter Kristi Noem veröffentlichte ein KI-generiertes Video, das den Weihnachtsmann als ICE-Agent zeigt, der Abschiebungen vollzieht – verpackt als festliche Unterhaltung. Das ist keine geschmacklose Randnotiz, sondern ein politisches Signal. Staatliche Gewalt wird banalisiert, Entmenschlichung ästhetisiert, Deportation zur Pointe gemacht. Wer so spricht, hat sich von jedem Anspruch auf Würde verabschiedet.
Gerade deshalb sollte Europa jetzt keine falsche Zurückhaltung üben. Sanktionen sind kein heiliger Grundsatz, sondern politische Musik, wenn das Orchester überhaupt nicht funktionieren will. Die Vereinigten Staaten sind wirtschaftlich, technologisch und sicherheitspolitisch auf Europa angewiesen. Das ist kein Geheimnis, sondern eine bekannte Tatsache. Eigentlich weiß das jeder – mit einer bemerkenswerten Ausnahme. Donald Trump scheint der Einzige zu sein, der glaubt, Amerika könne dauerhaft ohne Europa agieren.
Die Angst vor Gegenreaktionen gehört zum Spiel. Wer digitale Souveränität ernst meint, muss sie auch verteidigen. Europa hat Regeln gesetzt, weil jahrelang weggesehen wurde. Diese Regeln gelten. Und sie gelten unabhängig davon, ob sie im Weißen Haus Jubelstürme auslösen oder auch nicht. Was hier aufeinandertrifft, sind zwei politische Kulturen. Auf der einen Seite ein Rechtsraum, der Verantwortung einfordert. Auf der anderen eine Macht, die Kritik mit Einreiseverboten, Festnahmen, Drohungen und Propagandaclips beantwortet. Die Frage ist nicht, ob dieser Konflikt existiert, denn er ist erbärmlich von amerikanischer Seite aus. Entschieden wird er nicht in Videos, nicht in Beleidigungen und nicht in künstlich erzeugter Dramatik. Sondern daran, ob Europa bereit ist, seine eigenen Maßstäbe zu verteidigen. Wer digitale Regeln als Angriff versteht, hat das Prinzip von Recht nie akzeptiert. Und wer Weihnachtsmänner zu Grenzbeamten macht, sollte sich nicht wundern, wenn ihm irgendwann niemand mehr glaubt.

Aber auch ein großer Teil des amerikanischen Volkes sollte beginnen, sich unbequeme Fragen zu stellen. Der Traum, Amerika könne alles allein, existiert nur in Trumps Märchenbuch. Die Realität ist eine andere – ökonomisch, politisch, sicherheitlich. Und das Erwachen aus dieser Illusion dürfte härter ausfallen, als viele es sich derzeit einzugestehen bereit sind. Amerika 2025 – Die Realität sehen wir wieder in den nächsten Stunden, wenn wir private Dinge in die ICE-Haftanstalten bringen, zu Menschen, die unschuldig in Haft sitzen und merken, dass sie unterstützt werden, man sie nicht vergisst.
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