Die Warnung, die zu spät kam – Wie Trumps Sparpolitik das Wetterwarnsystem in Texas lähmte

VonRainer Hofmann

Juli 5, 2025

Als die ersten Regentropfen auf das Dach des Camps prasselten, schliefen die Mädchen schon. Stunden später war der Guadalupe River ein reißendes Ungeheuer – und ein Sommercamp eine Todesfalle. Die Nacht vom 4. auf den 5. Juli hat sich in das Gedächtnis von Texas gebrannt: 24 Tote, 23 Vermisste, fast alle aus dem christlichen Mädchenlager „Camp Mystic“ im Hill Country. Was wie eine Naturkatastrophe wirkt, war mehr als das. Es war auch ein Ergebnis politischer Entscheidungen – ein Resultat aus Budgetkürzungen, Personalabbau und warnendem Schweigen. Denn Texas wurde gewarnt – aber zu spät, zu ungenau, zu schwach. Und der Grund dafür liegt nicht allein im Himmel, sondern in Washington. Im Wetterbüro von Austin/San Antonio, zuständig für die Region Hill Country, fehlen seit Monaten erfahrene Meteorolog:innen. Einst war hier rund um die Uhr ein eingespieltes Team aktiv – heute herrscht Notbetrieb. Der langjährige Chef für Warnmeldungen ging im Juni frühzeitig in Rente. Gründe: Überlastung, Frust und fehlende politische Rückendeckung. Seine Stelle ist bis heute unbesetzt. In der Flutnacht hätte seine Erfahrung den Unterschied gemacht. Denn bei Flash Floods zählt jede Minute – ein präziseres Radarbild, ein paar Sekunden schneller reagiert, und die Warnung hätte Camp Mystic früher erreicht. Aber der Mensch, der das hätte leisten können, saß nicht mehr am Schreibtisch.

Die Trump-Regierung kürzte 2025 über 20  Prozent des NOAA-Haushalts. Das klingt abstrakt – ist aber konkret: weniger Wetterballons, weniger Echtzeitdaten, weniger Bodensensorik. In Texas wurde das spürbar. Die zentrale Wetterstation in Kerrville, nahe des Unglücksorts, wurde seit 2023 nicht modernisiert. Geplante Upgrades? Gestrichen. Ein Förderantrag der Region wurde im Frühjahr 2025 abgelehnt – die Mittel flossen stattdessen in ein „nationales Sicherheitsprojekt“ an der Südgrenze. Besonders fatal: In ländlichen Regionen wie Kerr County gibt es viele Mikroklimata – kleine Wettersysteme, die plötzlich zu Starkregen führen. Ohne hochauflösende Messungen sind solche Ereignisse kaum präzise vorhersehbar. Und genau das war das Problem in jener Nacht. Offiziell gab es Warnungen. Eine „Flash Flood Watch“ am Abend, später ein „Flash Flood Emergency“ für Kerrville. Doch viele Sirenen in der Region, etwa in Hunt und Ingram, blieben still – weil es sie gar nicht mehr gibt oder weil sie nicht automatisiert an das nationale Warnsystem angeschlossen sind. Mobilfunkwarnungen kamen spät oder gar nicht. Die örtlichen Behörden hatten keinen Zugang zu modernen Evakuierungsprotokollen – weil auch diese Programme 2024 eingestellt wurden. Und das betroffene Camp Mystic? Hatte nie eine verpflichtende Übung für nächtliche Flash Floods durchgeführt. Auch hier: Ein regionales Trainingsprogramm war unter Trumps Spardruck ausgelaufen.

Die fatalen Kürzungen waren kein Betriebsunfall. Sie waren Teil des „Big Beautiful Bill“ – einem gigantischen Gesetzespaket der Trump-Regierung, das unter dem Deckmantel der Effizienz staatliche Grundfunktionen ausdünnte. Dazu gehörten unter anderem 23 Prozent weniger Mittel für meteorologische Forschung, die vollständige Streichung von „Community Flood Preparedness“-Programmen, der Stopp von Satelliten-Upgrades und bodengestützter Sensorik – und die Umverteilung der Gelder in den Bereich Grenzschutz, Migrationsüberwachung und nationale Abschreckung. Die Begründung war ideologisch: Der Staat solle sich aus „Luxusaufgaben“ wie Klima- und Wetterforschung zurückziehen. Doch wer Wetterwarnungen für Luxus hält, hat die Realität nicht verstanden – oder ignoriert sie bewusst. Natürlich ist jede Flut zunächst ein Naturereignis. Doch ob sie zur Tragödie wird, entscheidet sich durch Vorbereitung – und durch Warnung. In Texas aber wurde die Fähigkeit zur Warnung gezielt geschwächt. Der Rückzug des Staates aus der Infrastruktur der Vorsorge hatte einen Preis – bezahlt mit Leben. Eine Minute mehr hätte Leben retten können. Eine funktionierende Behörde hätte Minuten gewonnen. Was in jener Nacht fehlte, war nicht nur eine Sirene oder ein Blitzlicht – sondern der Wille, Menschenleben über politische Ideologie zu stellen. Und das ist vielleicht die bitterste Wahrheit dieser Nacht im Hill Country

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Fretchen22
Fretchen22
4 Monate zuvor

Trump ist ein krimineller Irrer der nur Kohle scheffeln will und sich an allen rächen will, die ihm damals geschadet haben. Der sollte in Europa ein Einreiseverbot bekommen.

Ela Gatto
Ela Gatto
4 Monate zuvor

Es ist so furchtbar.
Die armen Kinder.

Und die wahren Schuldigen scheffeln Geld und Macht.

Gouverneur Abbot, Ted Cruz etc sind erstaunlich still….

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