Die verschlossenen Akten – Richter in Manhattan verweigert Freigabe der Epstein-Grand-Jury-Protokolle

VonRainer Hofmann

August 20, 2025

Ein Bundesrichter in Manhattan hat am Mittwoch den Antrag der Regierung abgelehnt, die Protokolle einer Grand Jury aus dem Strafverfahren gegen den in Ungnade gefallenen Finanzier Jeffrey Epstein freizugeben – und damit eine Entscheidung gefällt, die weit über die juristischen Feinheiten hinausreicht. Inmitten wachsender Verschwörungstheorien und enttäuschter Erwartungen an Präsident Trump bleibt der Fall Epstein ein Abgrund aus ungelösten Fragen, halben Wahrheiten und politischem Sprengstoff. Epstein, der sich über Jahrzehnte in den exklusivsten Kreisen der amerikanischen Gesellschaft bewegte, war 2019 wegen Menschenhandels mit Minderjährigen angeklagt worden. Doch in seiner 14-seitigen Stellungnahme stellte Richter Richard M. Berman nun klar: Die einzige Person, die damals vor der Grand Jury aussagte, war ein einzelner FBI-Agent. Mehr nicht. Der Richter betonte, das Material sei unbedeutend im Vergleich zu dem, was das Justizministerium ohnehin in seinen Akten halte. Wörtlich schrieb er, die Transkripte „verblassen im Vergleich zu den Ermittlungsinformationen und Materialien, die sich in den Händen des Department of Justice befinden“. Die Entscheidung fiel nur eine Woche, nachdem ein anderer Bundesrichter in Manhattan den Antrag der Regierung zurückgewiesen hatte, auch die Grand-Jury-Protokolle aus dem Verfahren gegen Ghislaine Maxwell offenzulegen. Maxwell, Epsteins langjährige Vertraute und Komplizin, verbüßt eine zwanzigjährige Haftstrafe, weil sie gemeinsam mit ihm junge Mädchen missbrauchte und ausbeutete. Auch hier folgte die Justiz der Linie, dass die Geheimhaltung der Grand Jury ein Schutzmechanismus ist, der nur in Ausnahmefällen durchbrochen werden darf – und solche Umstände, so Berman, seien nicht gegeben.

Richter Richard M. Berman

Die politische Dimension dieser Entscheidung ist offenkundig. Trump hatte nach seinem Wiedereinzug ins Weiße Haus selbst angekündigt, Licht in den Fall Epstein zu bringen – eine Geste an seine eigene Anhängerschaft, unter der Verschwörungstheorien über Epsteins Tod wie ein Lauffeuer kursieren. In den sechs Jahren seit jenem Augustmorgen, an dem Epstein tot in seiner Zelle des Metropolitan Detention Center gefunden wurde, ist kaum ein Name so eng mit Gerüchten, Verdächtigungen und Andeutungen verwoben. Offiziell wurde sein Tod als Suizid eingestuft, doch der Umstand, dass er in Bundesgewahrsam starb, während er auf seinen Prozess wartete, hat unzählige Spekulationen befeuert – von fahrlässiger Nachlässigkeit bis hin zu gezielter Ermordung. Epsteins Nähe zu mächtigen Politikern, Unternehmern und Intellektuellen lieferte den Nährboden für Fantasien über eine „geheime Elite“, die angeblich die Vereinigten Staaten steuere. Vor allem in rechten Kreisen wurde diese Erzählung zu einem ideologischen Kernstück. Nicht zufällig waren es enge Vertraute Trumps, die noch vor ihrer Regierungszeit solche Theorien offensiv verbreiteten. Doch der Präsident, der einst versprach, die Wahrheit ans Licht zu bringen, steht nun mit leeren Händen da. Die Richter blockieren die Veröffentlichung der Grand-Jury-Protokolle, und das Justizministerium hat bislang keine neuen Erkenntnisse geliefert.

Diese Leerstelle wird gefährlich für Trump. Während er versucht, den Druck abzuschütteln und seinen Anhängern zu versichern, dass er für Transparenz sorgen werde, droht gerade die Untätigkeit in der Sache Epstein zu einer Bruchlinie zu werden – zwischen dem Präsidenten und jenen Teilen seiner Basis, die ihn als Kämpfer gegen die „dunklen Mächte“ im Staat verehren. Die enttäuschte Erwartung könnte sich als politisches Gift erweisen. So bleibt nach Bermans Urteil erneut das, was seit Jahren den Fall Epstein prägt: ein Vakuum, gefüllt mit Misstrauen, Spekulationen und Fragen, auf die niemand eine klare Antwort geben will. Und je länger dieses Schweigen anhält, desto lauter werden die Stimmen, die behaupten, im Herzen der amerikanischen Demokratie existiere eine Wahrheit, die man der Öffentlichkeit um jeden Preis vorenthalten möchte. Juristisch betrachtet ist Bermans Entscheidung nachvollziehbar. Die Regeln der Grand Jury dienen dem Schutz von Zeugen, der Integrität des Verfahrens und der Wahrung der Unschuldsvermutung. Ohne zwingende „besondere Umstände“, wie der Richter formulierte, darf diese Mauer der Vertraulichkeit nicht durchbrochen werden. Doch politisch ist genau diese juristische Logik ein Pulverfass. In einem Klima, in dem Fakten längst von Misstrauen verdrängt sind, wirkt jedes verschlossene Dokument wie ein Beweis für Vertuschung. Je stärker sich die Justiz an ihre Regeln klammert, desto mehr Raum öffnet sie jenen, die behaupten, es gebe eine Wahrheit hinter verschlossenen Türen. Und so wird der Fall Epstein zu einem Menetekel für die Vereinigten Staaten: ein Rechtsstaat, der sich selbst treu bleibt, und eine Gesellschaft, die ihm deshalb immer weniger glaubt.

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Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Der Richter hat richtig geurteilt und seine Begründung ist nachvollziehbar.

Nachdem ich heute gelesen habe, keine Ahnung ob das verifiziert ist Rainer, dass Musk erstmal keine eigene Partei gründen will, aber er damit nicht sein Verhältnis zu Vance belasten möchte.
Der Opportunist schmeißt sich schon an die messerwetzende 2. Garde.

Epstein, Epstein, es kann nicht ganz versteckt sein

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