Die USA wollen in die Köpfe schauen – fünf Jahre Social-Media-Geschichte für eine Einreise

VonRainer Hofmann

Dezember 10, 2025

Wie wir vor einigen Wochen schon aufgrund von Recherchen angedeutet hatten, bewahrheitet sich jetzt. Die US-Regierung plant einen Schritt, der das Verhältnis zwischen Staaten, Bürgerrechten und Reisen neu sortiert: Wer künftig aus Ländern wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder Südkorea ohne Visum einreisen will, soll bis zu fünf Jahre seiner Social-Media-Vergangenheit offenlegen. Ein Vorhaben, das nicht nur die Privatsphäre von Millionen Menschen berührt, sondern auch die Frage stellt, wie frei ein demokratisches Land noch ist, wenn digitale Spuren zum Einreisedokument werden.

Siehe auch unseren Artikel: „Ein Land auf Alarmstufe – und Reisende zahlen den Preis“ – unter dem Link: https://kaizen-blog.org/ein-land-auf-alarmstufe-und-reisende-zahlen-den-preis/

Der Vorstoß kommt von der Grenzschutzbehörde CBP. Sie hat im Federal Register angekündigt, künftig deutlich mehr Daten abzufragen als bislang. Neben Social-Media-Accounts sollen auch E-Mail-Adressen der vergangenen zehn Jahre und persönliche Informationen über Eltern, Geschwister, Kinder, Partner und Wohnorte hinterlegt werden. Die Änderungen betreffen das ESTA-System, das bisher mit einer kurzen Online-Abfrage auskam, 40 Dollar kostete und zwei Jahre gültig war. Künftig könnte die Wartezeit länger werden – und die Hürden höher. Während Visa-Antragsteller aus vielen Ländern bereits Social-Media-Checks kennen, wäre dies für den gesamten visafreien Reiseverkehr ein gewaltiger Schritt. Vertreter der Reisebranche warnen vor einer Abkühlung des Tourismus und bemängeln, dass die Regierung den Sektor nicht in die Entwicklung einbezogen hat. Ein führender Branchenvertreter nennt die Pläne eine „massive Ausweitung des Prüfungsrahmens“, die ohne Vorwarnung komme.

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Juristen sehen in dem Vorhaben einen klaren Kurswechsel. Bo Cooper von der Kanzlei Fragomen bezeichnet die Pläne als „Paradigmenwechsel“: Während Social Media früher genutzt wurde, um konkrete Angaben zu überprüfen, soll nun die allgemeine „Online-Sprache“ bewertet werden – also das, was Menschen sagen, liken, teilen. Die Grenze zwischen notwendiger Sicherheitsprüfung und politischer Bewertung verschwimmt. Das Verfahren könnte dazu führen, dass Reisende aufgrund harmloser oder satirischer Beiträge plötzlich als „Risiko“ eingestuft werden.

Auch Bürgerrechtsorganisationen schlagen Alarm. Die Electronic Frontier Foundation spricht von einem schweren Eingriff in Freiheitsrechte. Die Maßnahme habe nachweislich nie verhindert, dass gefährliche Personen einreisen, aber sie habe das Verhalten unschuldiger Reisender verändert. Menschen posten weniger, sie sprechen vorsichtiger, sie verändern ihr Verhalten – aus Angst, missverstanden zu werden. Und die neue Regel würde nicht nur sie betreffen, sondern auch jene, die mit ihnen kommunizieren. Die Regierung hat 60 Tage Zeit, öffentliche Kommentare zum Vorschlag zu sammeln. Sollte der Plan umgesetzt werden, könnten die neuen Regeln bereits wenige Wochen später in Kraft treten. Für Reisende würde das bedeuten: Mehr Wartezeit, mehr Unsicherheit und eine digitale Untersuchung, deren Maßstab unklar bleibt. Es ist eine Entscheidung, die weit über Einreiseformulare hinausreicht. Es geht darum, wie viel ein Staat über uns wissen darf – und wer in Zukunft überhaupt noch ein Land besuchen wird, das nicht nur den Pass sehen will, sondern gleich das digitale Leben dahinter.

Wir verfolgen weiter, welche Folgen dieser Schritt für den internationalen Reiseverkehr, den Austausch zwischen Gesellschaften und das Leben Millionen unschuldiger Menschen haben wird.

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Judith Gerlach
Judith Gerlach
9 Stunden zuvor

So kann man Tourismus auch zerstören….und das kurz vor einer WM. Da kann man sich nur an den Kopf fassen.

Carolina
Carolina
9 Stunden zuvor
Antwort auf  Judith Gerlach

Diese WM sollte man sowieso boykottieren

Roger Murmann
Roger Murmann
7 Stunden zuvor

Und dann kassieren die noch 40 Dollar…um dir dann mitzuteilen, dass du nicht rein darfst.  👎 

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