Es war ein Moment, der selbst für die abgehärtete politische Öffentlichkeit der USA erschütternd wirkte. JD Vance, Vizepräsident der Vereinigten Staaten, trat vor die Kameras – und verlor sich nicht in Anteilnahme oder Würde, sondern in einem Statement, das für viele schlicht als kaltherzige Demontage eines kranken Mannes empfunden wurde.
Denn kurz zuvor hatte Joe Biden, ehemaliger Präsident, öffentlich gemacht, dass bei ihm eine aggressive Form von Prostatakrebs diagnostiziert wurde, die bereits in die Knochen metastasiert ist. Ein zutiefst persönlicher und einschneidender Moment, den selbst politische Gegner mit Anstand zur Kenntnis hätten nehmen können – hätten sie gewollt.
Vance aber hatte anderes im Sinn. Zwar sagte er, er wünsche Biden „das Beste“ und hoffe auf „die richtige Genesung“. Doch kaum waren diese Worte gesprochen, folgte eine kalkulierte Generalabrechnung. „Wir müssen ehrlich sein, ob der ehemalige Präsident wirklich in der Lage war, sein Amt auszuüben.“ Und weiter: „Das ist keine politische Aussage. Ich glaube nur nicht, dass er gesundheitlich dazu in der Lage war.“
Was Vance damit sagte – und was er eben nicht sagte – ließ viele verstummen. In einem Land, das politische Grausamkeit schon oft erlebt hat, klang das wie ein Tiefpunkt. Kein Respekt vor dem Menschen. Keine Anerkennung für ein öffentliches Leben. Kein Moment des Innehaltens. Nur Instrumentalisierung eines Leidens, das Millionen von Familien betrifft.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten.
Die ehemalige republikanische Abgeordnete Barbara Comstock sprach von einem „seelenlosen Ghul“. Ein Papstbesuch, so ihre sarkastische Anspielung, habe bei Vance offenbar keine Wirkung hinterlassen. Demokrat Jimmy Gomez konterte mit einem Meme – Vance’ Gesicht auf dem Körper eines verwirrten Kindes. Und sogar aus dem konservativen Lager kam Unterstützung: Mollie Hemingway, Chefredakteurin der Federalist, schrieb: „Eine Milliarde Prozent Zustimmung.“
Aber es war Chris Jackson, Demokrat und Stratege, der das Geschehen auf den Punkt brachte: „Jesus Christus. Diese Leute sind einfach Ghouls. Ganz einfach.“
Ein Statement, das Geschichte schreiben wird
JD Vance hat mit seinen Worten mehr preisgegeben, als ihm bewusst sein dürfte. Nicht nur über Joe Biden – sondern über sich selbst. Über seine Haltung zu Macht, Menschlichkeit und politischem Anstand. Denn selbst, wenn man der Meinung ist, dass über die Fitness eines Präsidenten zu sprechen legitim sei – der Moment, in dem Vance dies tat, war eine bewusste Grenzüberschreitung.
Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack. Und die Frage: Wenn selbst schwerkranke Menschen in diesem politischen Klima nicht mehr auf Mitgefühl hoffen dürfen – was ist dann aus dem moralischen Fundament der amerikanischen Demokratie geworden?
Die Antwort gab Vance selbst. Und sie klang wie ein kalter Schlag ins Gesicht: höflich verpackt, aber gnadenlos kalkuliert.
