Es sollte ein Moment des Glaubens sein. Ein Innehalten. Eine Einladung zur Demut. Doch was sich gestern im Weißen Haus unter dem Banner des „Faith Office Luncheon“ abspielte, war das Gegenteil. Es war kein Gottesdienst – es war eine Inszenierung. Kein stilles Gebet – sondern ein Machtwort. Kein Ringen mit dem Gewissen – sondern ein Ritual der Selbstverherrlichung. Donald Trump hat das Evangelium für seine Zwecke vereinnahmt – und eine Version von Religion zur Schau gestellt, die mit Christus nichts mehr zu tun hat.
Was der ehemalige Präsident vor Wirtschaftsgrößen, Pastoren und politischen Weggefährten verkündete, war eine Mischung aus Spott, Zorn, Geschäftssprache und Kampfansage. Es ging um Waffen, Zölle, Sühne und Sieg. Es ging um NATO-Milliarden, um Transgender-Athletinnen, um „verrückte“ Zentralbanker und um Mauerbau als Erlösung. Aber es ging nicht – kein einziges Mal – um Barmherzigkeit, um Versöhnung, um Liebe. Das Wort „Hölle“ fiel fünfmal. Immer als Drohung. Nie als Mahnung. Die Zuhörer klatschten. Sie lachten. Sie nickten. Männer in Anzügen, die sich als Diener Gottes verstehen, applaudierten, als Trump sich über die Ehe von Reichen und Hässlichen lustig machte. Als er Witze darüber machte, dass Frauen ihre Männer verlassen würden, wenn das Geld ausbleibt. Als er einen Kongressabgeordneten lobte, weil der selbst um halb drei Uhr nachts noch kuschte. Und als er Gott als Retter seiner politischen Karriere beschwor – nach fünf Anklagen, zwei Amtsenthebungen und einem Attentat.
In diesem Moment wurde sichtbar, was „Trump-Christianity“ wirklich ist: eine Spiegelkirche. Keine Gemeinschaft der Gläubigen, sondern ein Auditorium für Eitelkeit. Keine frohe Botschaft, sondern ein Predigtstil, in dem der Pastor sich selbst zum Messias erhebt. Es war, wie ein Pastor später schrieb, eine „Krönung“ – nicht Christi, sondern des eigenen Egos. Trump betete nicht. Er predigte nicht. Er zählte auf. Milliarden hier, Billionen dort. Wirtschaftswunder, Rekordbörsen, Steuerreformen. Ein Triumphmarsch durch eine Welt, in der alles messbar ist – außer Moral. Alles verhandelbar – außer Loyalität. Und alles verziehen – solange der Applaus stimmt. Er bezeichnete seinen Auftritt bei CBS als „Deface the Nation“, schimpfte auf Zentralbankchef Powell als „Knucklehead“, verspottete Rick Perry als untauglich fürs Debattenteam. Er lobte Paula White, seine Hofpredigerin, als Stütze des Glaubens. Und er rühmte Melania für ihr Engagement – während er gleichzeitig spöttisch über Frauen redete, die Männer verlassen, sobald das Geld versiegt.
Dann kam das Gebet. Ein biblischer Klangteppich, vorgetragen von Paula White, voller Zitaten, voller Pathos, voller Aufruf zur Mission. Es war perfekt choreografiert – aber die Stille fehlte. Der Zweifel. Die Scham. Das Staunen vor dem Göttlichen. Stattdessen: ein politisches Weiheversprechen. Für ein Amerika, das Gott angeblich zurück in den öffentlichen Raum holt – und damit die Gewalt der Worte in Gebete kleidet. Was hier geschieht, ist gefährlich. Es ist nicht einfach eine Vereinnahmung der Religion – es ist ihre Umkehrung. Aus dem Gott, der wäscht, wird ein Gott, der wütet. Aus der Kirche der Sanftmütigen wird eine Bühne der Lauten. Und aus dem Glauben wird ein Machtinstrument – um Zölle zu rechtfertigen, Wahlen zu erklären, Gegner zu brandmarken. Wer wissen will, wohin sich die amerikanische Kirche unter Trump bewegt, sollte nicht nur auf die Worte achten. Sondern auf den Klang des Applauses. Auf das Lachen über Hölle. Auf das Schweigen, als der Name Jesu kaum mehr als ein rhetorisches Accessoire war. Und auf den Moment, als die Botschaft des Kreuzes unterging – im Rauschen der Selbstbestätigung.
Denn in dieser Halle, im „Faith Office“, da war kein Platz für den Jesus der Bergpredigt. Der Jesus, der segnet, nicht straft. Der heilt, statt zu herrschen. Der umkehrt, statt durchzuregieren. Er war draußen – bei den Verwundeten, den Vergessenen, den Verhöhnten. Und er war es, der uns leise fragt: Folgt ihr noch mir – oder nur einem Mann, der „Hölle“ sagt wie ein Verkaufstrick? In einem Amerika, das sich anschickt, den Glauben zu markenrechtlich sichern, bleibt vielleicht nur noch ein Gebet: Herr, bewahre uns vor jenen, die Deinen Namen rufen – aber nicht Deine Liebe leben.
Dieser Trend ist brandgefährlich – und längst nicht mehr auf die USA beschränkt. Auch in Europa wächst die Versuchung, Religion zur Waffe der Politik zu machen und christliche Symbole für kulturelle Dominanzansprüche zu missbrauchen. In Polen etwa wurde während der PiS-Regierung das Bild vom „christlichen Abendland“ gezielt gegen Geflüchtete eingesetzt – mit Bibelzitaten an der Grenze und Kreuzigungen auf Wahlplakaten. In Ungarn beruft sich Viktor Orbán regelmäßig auf den Schutz „christlicher Werte“, wenn er LGBTQ+-Rechte beschneidet oder EU-Rechtsstaatlichkeitsmechanismen blockiert. In Frankreich wiederum marschiert Marine Le Pen mit Marienbildnissen, während sie die „Zivilisation des Islam“ als Bedrohung inszeniert. Und in Deutschland? Hier verläuft die Linie subtiler – aber sie verläuft: Wenn etwa AfD-Funktionäre von einer „Rückkehr zum christlichen Abendland“ sprechen, meinen sie meist nicht Nächstenliebe, sondern Abgrenzung. In den Programmen rechter bis rechtspopulistischer Parteien taucht der Begriff „christliche Kultur“ auffallend häufig auf – aber immer dann, wenn es darum geht, zu definieren, wer angeblich nicht dazugehört. Es geht nicht um Spiritualität – es geht um Macht. Und wenn politische Bewegungen beginnen, Gott für ihre Zwecke zu sprechen, ist das nicht Frömmigkeit – sondern ein Missbrauch des Glaubens. Die Geschichte Europas kennt die Folgen solcher Allianzen nur zu gut.
Besonders alarmierend ist dabei die zunehmende Verflechtung zwischen politischem Rechtsruck und konservativ-evangelikalen Milieus, die sich über soziale Medien eine neue Generation erschließen – und dabei gezielt auf Jugendliche zielen. Johannes Hartl etwa, einer der reichweitenstärksten christlichen Influencer Deutschlands, ist nur ein Beispiel von vielen: Er inszeniert sich als moderner Denker, spricht in ästhetischen Bildern von „Einheit“ und „Spiritualität“, vertritt aber ein streng hierarchisches und zutiefst konservatives Weltbild. Seine freikirchliche Bewegung rund um das Augsburger Gebetshaus pflegt enge Verbindungen zur internationalen christlichen Rechten – von US-Evangelikalen bis zu neokonservativen Denkfabriken in Europa. Gerade diese scheinbar harmlosen Formen religiöser Subkultur können als Einstiegstor in eine politische Agenda dienen, die tief in das Leben junger Menschen eingreift – über TikTok, YouTube, Konferenzen, Musikfestivals. Die Ästhetik ist modern, die Botschaft regressiv. Wir beobachten diese Dynamik seit längerem und sind derzeit noch tiefer in der Recherche. Denn die Parallelen zu Netzwerken wie „764“, über die wir mehrfach berichtet haben, sind frappierend – auch dort ging es um charismatische Figuren, geschlossene Weltbilder, strikte Identitätsvorgaben und gezielte Ansprache jugendlicher Verwundbarkeit. Die Gefahr liegt nicht nur im Inhalt, sondern in der Struktur: Eine radikalisierte Frömmigkeit, die nach innen wärmt und nach außen grenzt, ist keine Religion – sie ist ein Kult.
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Nennen wir es doch beim Namen.
Es ist eine Sekte. Irgendwas zwischen radikalen Evangelikalen und Scientology.
Alle, die bicht dafür sind, sind Feinde.
Müssen entfernt, eliminiert werden.
Natürlich wird vorher mit Pathos darüber lamenting, dass diese Feinde in der Zölle landed.
Alle radikalen Religionen sind Waffen.
Es fing mit der Jagd auf Christen im alten Ägypten an, ging über die Kreuzzüge zum „modernen Ruf“ nach dem Schutz des Christentums oder nach dem Ruf des Jalifates.
Sie haben Alle eines gemeinsam.
Hass und Drohungen. Alle außerhalb der Bubble sind Feinde.
Und noch etwas haben sie gemeinsam, die systematische Unterdrückung von Frauenrechten. Die Rolle der Frau ist überall im Radikalen gleich. Ehefrau, Hausfrau und Mutter und dem Mann Gehorsam sein.
Da ändern auch eine Paula White als Bild dieser Bewegung nichts.
Genau so wenig, wie Alice Weidel, lesbisch und mit einer Migrantin zusammen, nichts am frauenfeindlichen Bild der AfD ändern.
Und leider ist die „Männerherrschaft“ noch so tief verwurzelt, so dass zu Viele darauf anspringen.
Krass. Toller Bericht.
Danke
Sagen wir wie es ist. Sie sind Besetzer der Kirche, in der sie Handel treiben um die Hölle vorzubereiten. Sie sind die Antichristen, die Hetzer. Sie sind Terroristen im gläubigem Gewand.
Danke für die Berichterstattung. Mit „Christsein“ hat das, was da geschieht, nichts zu tun. Gott lässt sich seiner nicht spotten.
Für mich ist das Heuchelei, Unterdrückung und eine Gelddruckmaschine. Wenn Menschen aus ihrem Glauben Hoffnung ziehen, sollen sie glauben. Aber wenn Glauben zerstört, dann finde ich es genauso brandgefährlich wie Faschismus, vor allem für Jugendliche. Wenn das Video nicht Realität wäre, würde ich lachen. Bin mal gespannt, wann der Ku Klux Klan wieder aufsteht. Aber ICE ist die moderne Version davon. Und unsere Clowns schuhplatteln auf der Zugspitze und denken sich bestimmt auch wieder neue Klöpse aus.