Die Schuldigen ohne Namen – Wie die Republikaner ihre Niederlagen erklären, ohne den Mann im Spiegel zu sehen

VonRainer Hofmann

November 6, 2025

Washington – Es war ein Tag der Sprachlosigkeit, ein Tag der Ausflüchte und Ausreden. Kaum waren die Stimmen in Virginia und New Jersey ausgezählt, begann in der republikanischen Partei die fieberhafte Suche nach Schuldigen – und endete, wie so oft, vor einem Spiegel, in den keiner zu blicken wagte. Die Schlagzeilen waren niederschmetternd, die Zahlen eindeutig, die Stimmung frostig. Doch der Name, der wie ein Damoklesschwert über allem hing, fiel nicht: Donald Trump. Die Partei des Präsidenten taumelte durch den Mittwoch wie ein Boxer nach einem K.O.-Schlag. Sprecher Mike Johnson versuchte sich in Durchhalteparolen und erklärte den frisch gewählten New Yorker Bürgermeister Zohran Mamdani – einen 34-jährigen Demokraten – kurzerhand zum „neuen Gesicht“ der Demokraten. In Chatgruppen schimpften Wahlkampfmanager über ihre eigenen Kandidaten, die man nie hätte nominieren dürfen. Andere wetterten gegen geizige Spender. Wieder andere erklärten den Demokraten die Schuld am Regierungsstillstand, der das Land seit Wochen lähmt. Doch keiner wagte es, die Verantwortung dort zu suchen, wo sie hingehört: im Zentrum der Macht, im Oval Office.

Alle sind schuld – nur die Republikaner nicht

Donald Trump selbst wirkte an jenem Morgen erstaunlich gelassen. Bei einem Frühstück mit Parteigrößen sagte er, halb spöttisch, halb selbstzufrieden: „Sie sagen, ich war nicht auf dem Wahlzettel, aber der größte Faktor. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Aber es ehrt mich, dass sie es sagen.“ Der Satz war bezeichnend. Er war das Eingeständnis eines Mannes, der weiß, dass alles um ihn kreist – selbst die Niederlagen.

In Virginia feierten die Demokraten ein Ergebnis, das seit über sechzig Jahren kein Gouverneurskandidat mehr erreicht hatte. Abigail Spanberger, ehemalige CIA-Agentin und moderat im Ton, gewann mit historischem Vorsprung. In den Vorstädten, wo einst Republikaner dominierten, verloren sie gleich dreizehn Sitze im Abgeordnetenhaus. Eine ganze Generation konservativer Politiker wurde an einem Abend hinweggefegt. In New Jersey siegte Mikie Sherrill, eine ehemalige Marinepilotin, mit einem Stimmenzuwachs von 26 Prozent gegenüber 2021. Besonders deutlich war der Bruch in Städten mit hoher hispanischer Bevölkerung: In Perth Amboy, wo Trump 2024 nur knapp verlor, holte Sherrill nun 50 Punkte Vorsprung.

Die Ursachen liegen offen zutage. Ein Präsident mit einer Zustimmungsrate von 37 Prozent. Ein Land, das unter einer lähmenden Haushaltssperre leidet. Ein Wirtschaftsnarrativ, das niemand mehr glaubt. Und eine Partei, die sich selbst fesselt, weil sie den eigenen Führer nicht zu kritisieren wagt. Wer sich von Trump distanziert, riskiert den Zorn seiner Basis – wer ihm treu bleibt, verliert die Mitte. So einfach, so fatal. Der Republikaner George Allen, einst Gouverneur von Virginia, brachte es auf den Punkt: „Die unabhängigen Wähler unseres Staates waren klar gegen Trump – aus vielen Gründen. Und dann kam noch ein historisch schlechter Wahlkampf hinzu.“ In New Jersey wiederum scheiterte der Republikaner Jack Ciattarelli an der Nähe zu einem Präsidenten, der ausgerechnet den wichtigsten Eisenbahntunnel des Pendlerstaates aus dem Bundeshaushalt gestrichen hatte – ein symbolischer Tritt gegen all jene, die täglich zwischen Newark und Manhattan pendeln.

Trump selbst hatte in diesen Wahlkämpfen wenig getan, um seinen Kandidaten zu helfen. Keine großen Kundgebungen, keine Spendenabende, kaum öffentliche Unterstützung. Stattdessen kurze Telefonate aus dem Präsidentenjet, gespickt mit vagen Versprechen und distanzierten Floskeln. Nicht einmal den Namen der eigenen Gouverneurskandidatin in Virginia, Winsome Earle-Sears, erwähnte er in seinem angeblichen „Endorsement“. In den Parteizentralen versuchte man, Struktur zu simulieren. Strategen verwiesen auf den kommenden Midterm-Zyklus, der den Republikanern auf dem Papier zugutekomme. Dank neuer Wahlkreiszuschnitte könnten sie das Repräsentantenhaus halten. Und im Senat, so heißt es, seien 20 der 22 republikanischen Sitze in Staaten, die Trump 2024 mit zweistelligen Vorsprüngen gewann. Doch selbst optimistische Planer geben zu: Die Mathematik hilft nichts, wenn der politische Magnet die eigene Basis spaltet.

Ronna McDaniel, einst Vorsitzende des Republikanischen Nationalkomitees, sagte offen, was viele hinter vorgehaltener Hand denken: „Ohne die MAGA-Wähler kann niemand gewinnen. Man bekommt nie alle, aber wenn ein großer Teil von ihnen zu Hause bleibt, ist es vorbei.“ Das Problem: Je stärker Trump dominiert, desto mehr bleiben jene zu Hause, die einst das Rückgrat der Partei bildeten – moderate Konservative, Frauen aus der Mittelschicht, Unternehmer, die Stabilität wollen statt Chaos.

Während Gouverneur Glenn Youngkin in Richmond über die Folgen der Haushaltssperre klagte und Trumps Berater Chris LaCivita die Niederlage Earle-Sears’ als „Konsequenz einer schlechten Kandidatin“ abtat, driftete die Partei weiter auseinander. Die einen fordern ein Ende der Identitätspolitik, die anderen mehr davon. Vivek Ramaswamy, der sich in Ohio als Mini-Trump neu zu erfinden versucht, forderte in einem Video, die Republikaner müssten sich endlich auf „Erschwinglichkeit“ konzentrieren – die Kosten senken, das Leben bezahlbar machen. Ein konservatives Mantra, das inzwischen leer klingt.

Denn, wie der rechte Radiomoderator Erick Erickson trocken bemerkte: „Leider sind es der Präsident, seine Basis und die von MAGA dominierten Institutionen selbst, die jene Politik vertreten, die die Preise hochtreibt – und sie können es einfach nicht zugeben.“ So gleicht die Republikanische Partei heute einem Schiff, das seinen eigenen Kapitän nicht kritisieren darf, selbst wenn er den Kurs ins Unheil lenkt. Mike Johnson, der als Sprecher des Repräsentantenhauses eigentlich eine strategische Antwort liefern müsste, blieb am Mittwoch bei Durchhalteparolen. Ein demokratischer Kongress, warnte er, würde Trump sofort wieder anklagen. „Er hat keine vier Jahre – nur zwei“, sagte Johnson. „In gewissem Sinne steht er selbst auf dem Stimmzettel.“

Das mag stimmen. Doch wenn die Republikaner weiter in dieser selbstverschuldeten Schockstarre verharren, wird am Ende nicht nur Trump auf dem Stimmzettel stehen – sondern das Erbe einer Partei, die verlernt hat, Verantwortung zu übernehmen.

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Helga M.
Helga M.
2 Stunden zuvor

Erschütternd dumm und uneinsichtig. Was finden diese Menschen bloß an ihrem IQ-armen beschämenden sog. Präsidenten?😏🫣👎

Irene Monreal
Irene Monreal
1 Stunde zuvor

Man kann sich nur wünschen, dass sie in ihrer Sturheit verharren, es sind noch längst nicht genügend abgeschreckt.

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