Wie Hannah Dugan Amerikas neue Härte in Frage stellte – und daran zerbrach.
Uns war es wichtig, den genauen Tatvorwurf gegen Eduardo Flores Ruiz sowie die Aussagen im Gerichtssaal sorgfältig zu recherchieren, um über diesen Fall fundiert berichten zu können.
FBI-Agenten verhafteten Richterin Hannah Dugan auf dem Gelände ihres eigenen Gerichtsgebäudes in Milwaukee. Laut dem Sprecher des U.S. Marshals Service, Brady McCarron, wurde Hannah Dugan am Freitagmorgen direkt auf dem Gelände des Gerichtsgebäudes vom FBI festgenommen. Noch am selben Tag erschien sie kurzzeitig vor dem Bundesgericht in Milwaukee, bevor sie wieder aus dem Gewahrsam entlassen wurde.
Ihr Vergehen?
Ein Akt der Barmherzigkeit. Ein Moment der Unabhängigkeit.
Eduardo Flores Ruiz, ein 30-jähriger mexikanischer Staatsbürger, stand an diesem Tag vor Gericht. Die Anklage lautete auf Körperverletzung – eine jener unzähligen kleinen Tragödien, die das amerikanische Rechtssystem tagtäglich durchqueren. Der Vorwurf der Körperverletzung war äußerst umstritten; tatsächlich ging es um eine finanzielle Auseinandersetzung unter Freunden.
Doch diesmal war es anders: ICE-Agenten standen bereit, ihn festzunehmen, ihn aus dem Gericht in die Unsichtbarkeit abzuschieben.
Hannah Dugan sah nicht einen Täter. Sie sah einen Menschen.
„Wait, come with me,“ – „Warten Sie, kommen Sie mit mir“, soll sie laut FBI-Affidavit zu Flores Ruiz und seinem Anwalt gesagt haben. Sie führte sie durch die Jury-Tür, einen privaten Durchgang, den normalerweise nur Geschworene, Beamte und Gefangene benutzen.
Als Richterin steht es ihr grundsätzlich zu, eine Person aus dem Gerichtssaal zu entlassen – unabhängig davon, durch welche Tür dies geschieht.
Ein Fluchtweg in einer Zeit, in der Gerechtigkeit zum Stillstand kommt.
Die Poesie des Widerstands
In einer Welt, in der jedes Gesetz zur Mauer geworden ist, genügt manchmal eine geöffnete Tür, um das System zu erschüttern.
FBI-Direktor Kash Patel verkündete die Verhaftung auf X (ehemals Twitter) und schrieb: „Glücklicherweise konnten unsere Agenten den Täter zu Fuß verfolgen und haben ihn seitdem in Gewahrsam, aber die Behinderung durch die Richterin hat die öffentliche Sicherheit gefährdet.“
Doch die Worte atmen nicht die Wahrheit. Sie atmen die Angst.
Ein Land, das seine Wächter verrät – Richterin Dugan ist nicht die erste, die fällt.
Bereits 2019 versuchte die Trump-Administration, eine Richterin in Massachusetts strafrechtlich zu verfolgen, weil sie einem Migranten half, einem ICE-Agenten zu entkommen.
Damals scheiterte der Versuch unter einer anderen Regierung, einer anderen Zeit.
Heute aber ist die Welt eine andere.
Während die Justizministerien schweigen und Gerichtsdokumente unter Verschluss bleiben, spürt man, dass sich etwas geändert hat:
Es ist nicht mehr das Recht, das herrscht. Es ist der Gehorsam.
Ihr Anwalt, Craig Mastantuono, sagte während der kurzen Anhörung:
„Richterin Dugan bedauert ihre Verhaftung aufrichtig und protestiert dagegen. Sie wurde nicht im Interesse der öffentlichen Sicherheit vorgenommen.“
Doch das Regime, das sie fesselt, interessiert sich nicht für Reue.
Es interessiert sich für Unterwerfung.
Der Anhörungstermin in dieser Sache wurde auf den 15. Mai 2025 angesetzt und Richterin Dugan wurde aus der Untersuchungshaft entlassen.
