Die neue rote Linie – Wie Trump die Staatsbürgerschaft zur Waffe macht

VonRainer Hofmann

Juli 2, 2025

Es begann mit einem Brief. Am 26. Juni 2025 forderte der republikanische Abgeordnete Andy Ogles das Justizministerium der Vereinigten Staaten auf, die Einbürgerung von Zohran Mamdani zu überprüfen – einem demokratischen Abgeordneten aus New York, Muslim, Sozialist, Sohn ugandischer Eltern. Der Verdacht? Mamdani habe im Rahmen seines Einbürgerungsprozesses womöglich politische Sympathien verschwiegen, darunter die Unterstützung palästinensischer Aktivisten oder das Zitieren regierungskritischer Raptexte. Dass dies in einer funktionierenden Demokratie kein Delikt, sondern gelebte Meinungsfreiheit wäre, scheint in Trumps Amerika kaum noch von Belang. Denn der Brief von Ogles kam nicht aus dem Nichts – er fiel in ein zunehmend bedrohliches politisches Klima, in dem nicht mehr nur Visa, sondern auch ganze Staatsbürgerschaften zur Disposition stehen.

Tatsächlich hatte die Trump-Regierung schon Wochen zuvor in einem geheimen DOJ-Memorandum den Spielraum für sogenannte Denaturalisierungen deutlich erweitert. Erfasst werden sollen nicht nur Terrorverdächtige oder Kriminelle, sondern auch Personen, die bei ihrer Einbürgerung „wesentliche Informationen verschwiegen“ hätten – ein Gummiparagraf, der sich, wie Kritiker warnen, ebenso gegen Dissidenten wie gegen Demokrat:innen richten lässt. Während das Außenministerium britischen Musikern wegen regierungskritischer Parolen das Visum entzog, traf es nun auch Mamdani – obwohl er seit 2018 US-Bürger ist. Seine politische Nähe zu sozialistischen Gruppen, seine Teilnahme an Pro-Gaza-Protesten und einzelne Social-Media-Posts wurden zum Gegenstand öffentlicher Verleumdung. Und als Mamdani sich kürzlich solidarisch mit dem verhafteten Aktivisten Mahmoud Khalil zeigte – einem Green-Card-Inhaber, der an Columbia gegen den Gaza-Krieg demonstriert hatte – begann eine orchestrierte Kampagne gegen ihn.

Die Antwort aus dem Weißen Haus fiel kalkuliert offen aus. Pressesprecherin Karoline Leavitt sagte, man habe die Vorwürfe gegen Mamdani noch nicht geprüft, aber „wenn sie wahr seien“, müsse man das untersuchen. Damit war das Signal klar. Die Tür zur Entbürgerung politisch unliebsamer Menschen stand offen. Der Sprecher des DOJ bestätigte, dass Ogles’ Brief eingegangen sei – ein Dementi blieb aus. Und während Ogles in einem Newsmax-Interview erklärte, Mamdanis Mitgliedschaft bei den Democratic Socialists of America allein müsse „für eine Aberkennung reichen“, betonte er zugleich, selbst ein Scheitern des Verfahrens sei produktiv: „Es geht um das Signal. Es schafft die Blaupause.“ Für andere. Für Muslim:innen. Für Linke. Für Menschen, die in Amerika geboren wurden – nur eben nicht biologisch, sondern politisch. Die Reaktionen auf diese Drohkulisse waren gespalten. Der Senator Chris Murphy sprach auf Bluesky von „rassistischem Bullshit“, der den Billionären diene. Pramila Jayapal, selbst eingebürgerte US-Amerikanerin indischer Herkunft, nannte die Entwicklung „vollkommen rechtswidrig“ und „einen Angriff auf alles, wofür dieses Land stand“. Doch in einem Klima, in dem selbst Elon Musks Einbürgerung plötzlich hinterfragt wird – von Republikanern wie Demokraten gleichermaßen –, fällt die Verteidigung liberaler Grundrechte schwer. Während Trump-Verbündete darüber spekulieren, den „Communist Control Act“ der McCarthy-Ära gegen Mamdani anzuwenden, rollen rechte Medien das Feld längst ideologisch auf. Newsmax, Fox, Substacks und Kommentarspalten spinnen die Erzählung vom muslimischen Sozialisten, der Amerika „von innen heraus zerstören“ wolle. Ogles selbst spricht offen von „Schläferzellen“. Zohran Mamdani, dessen Bewerbung als Bürgermeister von New York City bereits von einer islamfeindlichen Kampagne überschattet war, antwortete ruhig, aber deutlich: „Es ist schwer, ständig verleumdet zu werden – nur wegen meines Glaubens.“ Die Democratic Socialists of America stellten sich klar hinter ihn. In einer Stellungnahme hieß es: „Nur demokratischer Sozialismus kann diesem aufkommenden Faschismus entgegentreten.“ Und doch bleibt die Angst real. Denn die Logik des Entzugs – einmal eingeführt – macht nicht halt vor Symbolfiguren. Was mit Mamdani beginnt, könnte morgen Studierende betreffen, Gewerkschafter:innen, Journalisten, Menschenrechtsanwältinnen. Wer Amerika kritisiert, so die neue Lesart, gehört nicht hierher. Und genau das macht diese Politik so gefährlich: Sie entkoppelt Staatsbürgerschaft von Rechten und verwandelt sie in ein ideologisches Wohlverhalten. In ein vorauseilendes Schweigen. In eine Angst, den falschen Tweet abzusetzen. Wenn sich diese Logik durchsetzt, wird nicht nur Zohran Mamdani angegriffen – sondern die Verfassung selbst. Denn am Ende entscheidet nicht mehr das Gesetz, wer Amerikaner ist. Sondern das Regime. Und wer es kritisiert, verliert das Recht zu bleiben.

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