Die Kinder von Arizona – Ein Gericht stoppt Trumps Abschiebungspläne nach Honduras und Guatemala

VonRainer Hofmann

September 27, 2025

Im Evo A. DeConcini Courthouse in Tucson, einem wuchtigen Betonbau an der Congress Street, fiel am Donnerstag eine Entscheidung, die über das Schicksal von fast siebzig Kindern bestimmt – und zugleich über die Frage, wie weit die Vereinigten Staaten bereit sind, ihre eigenen Gesetze zu beugen.

Die Bundesrichterin Rosemary Márquez erließ eine vorläufige Verfügung, die es der Trump-Regierung untersagt, Dutzende Kinder aus Guatemala und Honduras sofort außer Landes zu bringen. Damit wandelte sie eine bereits bestehende Notfallanordnung in eine Preliminary Injunction um. Die Botschaft ist klar: Kinder, die allein in die USA gekommen sind, dürfen nicht im Schutz der Nacht in Flugzeuge gesetzt und abgeschoben werden, ohne dass ihnen das Recht auf Gehör und Rechtsbeistand gewährt wird. Die Klage trägt das Aktenzeichen CV-25-00387-TUC-RM. Eingereicht wurde sie vom Florence Immigrant & Refugee Rights Project – einer Organisation, die seit Jahrzehnten unbegleitete Minderjährige begleitet, für die auch wir selbst tätig sind. In diesem Fall im Namen von 57 guatemaltekischen und 12 honduranischen Kindern handelt. Die Jüngsten sind drei Jahre alt, die Ältesten siebzehn. Manche haben Eltern in den USA, die bereitstehen, sie aufzunehmen, andere sind ganz auf sich gestellt. Gemeinsam ist ihnen: Sie flohen aus Ländern, in denen Gewalt, Armut und Hoffnungslosigkeit ihr Leben bestimmen – und fanden sich nach der Überquerung der Grenze in US-Heimen und Pflegefamilien wieder.

Sie konnten ihren kranken Gang zum Flugzeug wieder abbauen – und damit wurden die perfiden Träume eines faschistischen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, durchkreuzt.“

Die Regierung argumentierte, man wolle „Familienzusammenführung“ betreiben, Kinder zu ihren Eltern in Guatemala oder Honduras zurückbringen. Unsere Recherchen belegten jedoch das Gegenteil – und machten unmissverständlich deutlich, dass eine Rückkehr die Kinder in akute Lebensgefahr stürzen würde. Als Richterin Márquez die Anwälte drängte, einen einzigen konkreten Fall zu nennen, in dem es eine Absprache zwischen Eltern, US-Behörden und den Regierungen in Mittelamerika gegeben habe, blieb der Saal still. „Nicht ein einziger belegbarer Fall“, schrieb sie später in ihrer Begründung. Damit fiel die zentrale Rechtfertigung der Regierung in sich zusammen.

Bundesrichterin Rosemary Márquez

Was Márquez vor sich hatte, war nicht nur eine juristische Akte, sondern die Erinnerung an ein politisches Muster: Operationen im Verborgenen, schnelle Transfers, kaum Kommunikation mit Anwälten, geschweige denn mit den betroffenen Familien. Bereits am 31. August hatten Dutzende Kinder in Texas Maschinen betreten, die sie zurück nach Guatemala bringen sollten. Erst in letzter Minute stoppten einstweilige Verfügungen den Start. Nun wollte die Regierung auch honduranische Kinder nach demselben Muster außer Landes schaffen. Das Florence Project reagierte sofort, erweiterte die Klage und brachte die zwölf Honduraner in das Verfahren ein. „Es ist wahrlich erschütternd, dass die Regierung diesen Weg erneut geht, nachdem sie bereits versucht hatte, guatemaltekische Kinder mitten in der Nacht außer Landes zu schaffen“, erklärte Roxana Avila-Cimpeanu, stellvertretende Direktorin der Organisation. „Der Unterschied zwischen den geschützten Kindern aus Guatemala und den bedrohten Kindern aus Honduras ist einzig ihre Herkunft – das Gesetz aber schützt sie gleichermaßen.“

Für die Kinder bedeutet das Urteil eine Atempause – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sie dürfen bleiben, bis das Hauptverfahren entschieden ist. Sie dürfen ihre Geschichten einem Gericht vortragen, mit Unterstützung von Anwälten, in Unterkünften, die nicht wie Gefängnisse geführt werden. In einer politischen Landschaft, in der Härte und Abschreckung zum Markenzeichen geworden sind, ist das ein seltener Schritt in Richtung Hoffnung. Doch die Gefahr bleibt. Das Weiße Haus hat bereits angekündigt, die Entscheidung anfechten zu wollen. Sprecherin Abigail Jackson erklärte, die Regierung sei „verpflichtet, Familien zusammenzuführen und Kinder zu schützen“, und warf der Richterin vor, sich unrechtmäßig einzumischen. Dass diese „Schutzmaßnahmen“ faktisch in nächtlichen Abschiebeflügen bestehen sollten, wurde dabei verschwiegen.

Die Geschichte der Kinder von Honduras und Guatemala ist damit noch nicht zu Ende geschrieben. Aber für einen Moment, an einem Spätsommertag in Arizona, hat das Recht über die politische Willkür gesiegt. Das Bild, das bleibt, ist das einer Richterin, die dem Machtapparat in Erinnerung ruft, dass auch im Schattenland der Migration Gesetze gelten. Und es ist das Bild von Kindern, die nicht zu Frachtstücken auf dem Rollfeld degradiert wurden, sondern Menschen bleiben – mit Stimmen, Geschichten und Rechten. Dafür lohnt es sich zu kämpfen, meist verborgen vor den Augen der Welt.

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Monica
Monica
12 Stunden zuvor

Eine gute Nachricht

Ela Gatto
Ela Gatto
3 Stunden zuvor

Tolle Richterin.
Tolle Organisation, die sich kümmert.

Wie unmenschlich (Klein) Kinder einfach abzuschieben.
Kinder, die oft in den Ländern Niemanden haben.
Da klingt „Familienzusammenführung“ wie ein reiner Hohn.

Aber MAGA findet es ja auch legitim US-Bürger mit ihren Familienangehörigen die nicht US-Bürger sind abzuschieben.
So funktioniert bei MAGA Familienzusammenführung.

Ich hoffe für die Kinder, dass sie zur Ruhe kommen.
Sehe aber schon vor mir, dass ICE am 18. Geburtstag vor der Tür steht „weil es dann ja ein erwachsener Migrant“ ist.

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