Die große Nachahmung – Orbán folgt Trump ins Reich der Schattengegner

VonRainer Hofmann

September 19, 2025

Ein Phantom als Staatsfeind: Viktor Orbán kopiert Trumps Plan, Antifa zur Terrororganisation zu erklären. In Ungarn, wo antifaschistische Gruppen kaum präsent sind, wird so aus einem Nebenschauplatz ein politisches Spektakel – und ein Feindbild, das von den wirklichen Gefahren ablenken soll. Überraschung? Wohl kaum. Viktor Orbán hat angekündigt, dem Beispiel Donald Trumps zu folgen und Antifa in Ungarn als Terrororganisation einzustufen. Am Freitagmorgen verkündete der ungarische Premier in einem Interview mit dem Staatsradio, die Zeit sei reif, „Organisationen wie Antifa nach amerikanischem Modell als Terrororganisationen einzustufen“. Ein Satz, der wie ein Echo aus Washington klingt – und der mehr über die politischen Strategien zweier enger Verbündeter verrät als über die tatsächliche Realität in Budapest.

Siehe auch unseren Artikel unter: https://kaizen-blog.org/kriegserklaerung-an-die-demokratie-wie-trump-transmenschen-antifa-und-demokraten-zum-neuen-feindbild-macht/

Denn was Orbán da vollzieht, ist weniger ein Sicherheitsakt als eine politische Inszenierung. Antifa, kurz für „anti-faschistisch“, ist kein klar umrissenes Gebilde, sondern ein Sammelbegriff für lose vernetzte Gruppen und Aktivist:innen, die sich gegen Faschismus, Neonazis und rechtsextreme Strukturen stellen. Es handelt sich eher um eine Haltung, eine Ideologie, als um eine organisierte Bewegung mit Strukturen, wie sie bei Terrororganisationen üblich sind. In Ungarn, wo Orbán und seine Fidesz-Partei seit anderthalb Jahrzehnten nahezu unangefochten die Macht halten, spielen antifaschistische Gruppen ohnehin kaum eine Rolle im politischen Alltag. Doch genau dieser Umstand macht die Entscheidung so durchsichtig. Orbán verweist auf ein einzelnes Ereignis im Jahr 2023: Damals griffen antifaschistische Aktivisten mehrere mutmaßliche Teilnehmer einer rechtsextremen Veranstaltung in Budapest an. Unter den Beschuldigten war auch die italienische Aktivistin Ilaria Salis, die über ein Jahr lang in ungarischer Untersuchungshaft saß. Ihr Fall sorgte für diplomatische Spannungen zwischen Rom und Budapest, vor allem wegen der Haftbedingungen. Im Mai 2024 wurde Salis in den Hausarrest entlassen – kurz darauf gewann sie ein Mandat im Europäischen Parlament. Mit der Immunität einer EU-Abgeordneten konnte sie Ungarns Strafverfolgung entgehen. Orbán wettert seither gegen die „Antifa-Abgeordnete“, die in seinen Augen halb Tote hinterließ und sich nun aus Straßburg über die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn erhebt.

So wird aus einem singulären Vorfall ein staatspolitisches Konstrukt. Trump hat in den USA angekündigt, Antifa zur „großen Terrororganisation“ zu erklären – und Orbán liefert prompt die ungarische Kopie. Dass beide wissen, wie dünn die Faktenlage ist, spielt keine Rolle. Entscheidend ist der Effekt: ein Feindbild, das sich medial ausschlachten lässt, ein Schlagwort, das Angst produziert und zugleich vom eigenen Machtmissbrauch ablenkt. Während rechtsextreme Gruppen und Gewalt in Statistiken längst als Hauptgefahr ausgewiesen sind, gilt die Aufmerksamkeit nun einem Phantom, das sich leichter zur Projektionsfläche eignet als die eigenen Verstrickungen. Am Ende wirkt Orbáns Schritt weniger wie ein juristischer Beschluss, sondern wie eine Inszenierung für die internationale Bühne: der autoritäre Schüler, der seinem amerikanischen Vorbild bis ins Detail folgt. Dass in Ungarn antifaschistische Aktivisten kaum präsent sind, macht den Beschluss nicht schwächer, sondern entlarvt ihn – als symbolische Machtdemonstration, die in ihrer Absurdität fast an eine Karikatur erinnert.

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Ela Gatto
Ela Gatto
5 Tage zuvor

Und die Niederlande springen auf den gleichen Zug.

Wann wird die AfD das fordern?

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