Es begann mit einer Szene, die man für eine Satire halten könnte: Ein Mann in einem Giraffenkostüm steht vor dem ICE-Gebäude in Portland, singt Rod Stewart und lacht. Minuten später wird er von Beamten abgeführt. Sein Name: Robby Roadsteamer – Musiker, Straßenkünstler, politischer Provokateur. Sein angebliches Vergehen: Hausfriedensbruch. Sein eigentliches: Er hat gesungen.
Kein Tumult, keine Gewalt. Roadsteamer steht hinter der blauen Linie, die den Zugang zum Bundesgelände markiert. Er singt, spielt, protestiert – und wird von drei ICE-Beamten direkt verhaftet. Kein Widerstand, keine Aufregung. Nur ein Künstler im Giraffenkostüm, der verschwindet. In einem Land, das sich einst seiner Meinungsfreiheit rühmte, wird heute selbst das Harmloseste als Bedrohung gelesen.
„Der Mann stand da, hat gesungen, niemanden beleidigt und niemanden verletzt“, sagt die Bürgerrechtsanwältin Elena Vasque, die den Fall beobachtet. „Und trotzdem wird er behandelt, als hätte er eine Grenze überschritten, die es in einem freien Land gar nicht geben dürfte.“ ICE erklärte, der Mann habe „eingeschränktes Bundesgelände betreten“. Doch was „eingeschränkt“ bedeutet, ist in Trumps Amerika längst eine politische Kategorie geworden. Unter dem Schlagwort Operation Midway Blitz werden nicht nur Grenzen geschützt, sondern ganze öffentliche Räume – gegen Musik, gegen Plakate, gegen Ironie. Portland ist seit Trump ein Brennpunkt dieser neuen Ordnung.
Für viele in Portland ist der Fall Roadsteamer mehr als eine Kuriosität. Er ist ein Spiegel. „Es ist absurd, aber diese Absurdität ist Methode“, sagt die Politikwissenschaftlerin Dr. Maya Stetson von der University of Oregon. „Wenn man jemanden verhaftet, der in einem Giraffenkostüm singt, geht es nicht um Recht oder Ordnung. Es geht darum, zu zeigen, dass selbst das Lächerliche nicht mehr sicher ist.“
„Das ist Amerika 2025 – Menschen protestieren friedlich, manchmal in Kostümen, genau so, wie es die Verfasser der Verfassung einst selbst taten. Es war Teil der Revolution, sich zu verkleiden, um Handel und Herrschaft zu verspotten. Jetzt wird es kriminalisiert. Robby Roadsteamer wurde nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Doch sein Auftritt, der eigentlich eine Parodie auf staatliche Übermacht sein sollte, ist zu einem Lehrstück geworden – darüber, wie dünn die Grenze zwischen Satire und Strafe geworden ist.
Denn wenn ein Mann im Giraffenkostüm verhaftet wird, weil er singt, dann geht es längst nicht mehr um Ordnung, sondern um die Angst vor der Freiheit selbst. Heute ist es Portland, morgen vielleicht Los Angeles oder Budapest – und irgendwann überall dort, wo Menschen vergessen, dass Freiheit nur existiert, wenn man sie lebt.
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