Die Bischöfin und das Licht – Mariann Budde predigt bei World Pride über Hoffnung, Freude und das Erinnern in dunkler Zeit

VonKatharina Hofmann

Juni 4, 2025

Washington, Sommer 2025. Während auf den Straßen der Hauptstadt Regenbogenfahnen wehen und hunderttausende Menschen aus aller Welt zur World Pride strömen, steht sie auf der kleinen Bühne mit der Ruhe eines Menschen, der viel gesehen, viel gehört und viel ertragen hat: Mariann Edgar Budde, Bischöfin der Episkopalkirche von Washington. Ihre Stimme ist leise, aber sie trägt. Ihre Worte sind klar, aber nicht hart. Und was sie sagt, klingt wie ein Gebet – nicht nur für eine Gemeinschaft, sondern für ein ganzes Land.

„Wir leben nicht mehr in den 1960er oder 70er Jahren“, sagt sie. „Und wir werden dorthin auch nicht zurückkehren.“ Es ist ein Satz, der auf Widerstand trifft – aber auch auf Hoffnung. Denn während sich das politische Klima in den Vereinigten Staaten abkühlt und die Angriffe auf queere Menschen, Migrant:innen und Minderheiten unter Präsident Donald Trump zunehmen, bleibt Mariann Budde eine moralische Konstante: aufrecht, menschenzugewandt, mutig.

Bereits vor sechs Monaten, am Abend von Trumps zweiter Amtseinführung, hatte Budde beim interreligiösen Gebet in der Washington National Cathedral deutliche Worte gefunden. Vor Diplomaten, Abgeordneten, Geistlichen und Kameras bat sie den Präsidenten, „Barmherzigkeit walten zu lassen über die Menschen in diesem Land, die jetzt Angst haben“ – darunter queere Menschen, Geflüchtete, Einwandererfamilien. Trumps Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Noch am nächsten Tag warf sein Team Budde „Politisierung des Gebets“ vor, rechte Medien verspotteten sie als „linke Kirchenfrau“.

Doch ihre Worte fanden Gehör – und Herz. Tausende teilten das Video der Predigt, Zeitungen druckten ihre Fürbitte, Aktivist:innen aus ganz Amerika luden sie zu Veranstaltungen ein. Mariann Budde wurde zum leisen Gesicht einer Bewegung, die nicht konfrontativ, sondern kontemplativ auf Ungerechtigkeit reagiert: mit Würde. Nun also World Pride, das weltweit größte Treffen queerer Menschen und ihrer Verbündeten, inmitten einer politischen Landschaft, die zunehmend von Angst, Verboten und Rückschritten geprägt ist. Budde, die sich selbst nicht als politische Rednerin sieht, will an diesem Tag keine Parolen rufen. Sie will erinnern. Und stärken.

„Liebe, Freude und Gemeinschaft sind das Gegengift zur Angst.“ Es gehe ihr nicht um politische Forderungen – dafür seien die Aktivist:innen da –, sondern um das, was unter der Oberfläche bleibe, wenn der Lärm verklungen sei: Zusammenhalt. Würde. Hoffnung. „Wir dürfen uns nicht so sehr von der Angst lähmen lassen, dass wir vergessen, wer wir sind“, sagt sie. „Und was wir gemeinsam erkämpft haben.“

Mariann Budde spricht nicht wie eine Proteststimme. Sie spricht wie jemand, der den Schmerz kennt, aber ihn nicht zur Waffe macht. Ihre Religion ist nicht die der Strafe, sondern die der Erinnerung. Ihre Botschaft nicht die der Abgrenzung, sondern die der offenen Arme. In einer Zeit, in der viele Kirchen in den USA mit wachsender Intoleranz, Rückzug aus der Öffentlichkeit und dogmatischer Enge kämpfen, ist Buddes Stimme eine seltene Ausnahme. Sie zeigt, dass Glaube nicht Gleichgültigkeit bedeuten muss. Dass Theologie auch Trost sein kann. Und dass spirituelle Autorität dort am stärksten ist, wo sie sich auf die Seite derer stellt, die ausgegrenzt, verspottet oder bedroht werden.

Ihre Rede bei World Pride war kein Aufschrei. Sie war ein Licht. Ein leiser Aufruf zur Menschlichkeit in einer lauten Welt.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
0
Would love your thoughts, please comment.x