Washington – Es war ein Akt von atemberaubender Symbolik und politischer Dreistigkeit zugleich: Donald Trump hat in der Nacht zum Montag jene Männer und Frauen begnadigt, die vor fünf Jahren versucht hatten, seine Wahlniederlage zu revidieren – und damit das Fundament der amerikanischen Demokratie angriffen. Unter den Namen, die das Justizministerium nun veröffentlichte, stehen Rudy Giuliani, Trumps einstiger Hausanwalt und ehemaliger Bürgermeister von New York, sein damaliger Stabschef Mark Meadows, die Anwältin Sidney Powell, der Juraprofessor John Eastman und der frühere Justizbeamte Jeffrey Clark. Sie alle waren zentrale Figuren einer Verschwörung, die das Land an den Rand des Staatsversagens brachte.

Die offizielle Erklärung kam über den Regierungskanal von Ed Martin, dem neuen Gnadenanwalt der Vereinigten Staaten. Sie trug Trumps Unterschrift und das Siegel des Weißen Hauses – mit der Formulierung, die wie eine Parodie auf republikanische Rhetorik klingt: „eine volle, vollständige und bedingungslose Begnadigung“. Der Text spricht von einer „schweren nationalen Ungerechtigkeit“, die durch diese Entscheidung geheilt werden solle, und preist die Maßnahme als „Teil des Prozesses nationaler Versöhnung“. Doch in Wahrheit ist sie das Gegenteil – eine Rehabilitierung jener, die gezielt versuchten, den demokratischen Machtwechsel zu verhindern.

Giuliani, einst als „Amerikas Bürgermeister“ gefeiert, war längst zum Symbol des moralischen Verfalls im Trump-Umfeld geworden. Nach dem Wahljahr 2020 zog er von Gericht zu Gericht, um unbelegte Behauptungen über massenhaften Wahlbetrug zu verbreiten. Er verlor seine Anwaltszulassung, sein Vermögen und seine Glaubwürdigkeit. Eine Jury verurteilte ihn zu 148 Millionen Dollar Schadensersatz, weil er zwei Wahlhelferinnen in Georgia durch Lügen und Hetze ruiniert hatte. Nun gilt er, dank Trump, als freigesprochen von allen Taten, die auf Bundesebene nie angeklagt, aber durch Fakten längst belegt sind.

Auch John Eastman, der als Juraprofessor von Chapman University einst als seriöser Verfassungsrechtler galt, gehört zu den Profiteuren dieser Gnade. Er war der Architekt des berüchtigten Memos, das darlegte, wie Vizepräsident Mike Pence die Zertifizierung des Wahlergebnisses stoppen könnte – ein Plan, der direkt in den Sturm auf das Kapitol mündete. Eastman, disziplinarisch belangt und beruflich ruiniert, erhält nun eine nachträgliche Absolution. Ebenso Sidney Powell, deren wahnwitzige Theorien über venezolanische Software und „tote Wähler“ den Diskurs ins Groteske trieben.
Hinzu kommen die sogenannten „Fake Electors“, republikanische Parteifunktionäre, die in mehreren Bundesstaaten gefälschte Wahlurkunden einreichten, um Trump nachträglich zum Sieger zu erklären. Viele von ihnen sind in laufenden Verfahren auf Landesebene angeklagt, einige wurden bereits freigesprochen, andere warten auf Prozessbeginn. Doch das Weiße Haus hat ihre Schuldfrage längst entschieden – nicht durch Recht, sondern durch Macht.

Mark Meadows, der als Stabschef im Januar 2021 den Überblick über Trumps chaotische Befehle behalten sollte, wird ebenfalls begnadigt. Gegen ihn liefen Ermittlungen in Georgia und Michigan, wo er beschuldigt wurde, aktiv an der Organisation der falschen Wahlmännerlisten beteiligt gewesen zu sein. In der Erklärung heißt es, die Strafverfolgung dieser Personen sei „ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung und das amerikanische Volk“. Eine Formulierung, die in ihrer Verdrehung kaum zynischer sein könnte.

Bemerkenswert ist, dass Trump selbst in der Proklamation ausdrücklich ausgenommen wird. Sie gilt nicht für ihn. Das Justizministerium, so heißt es in der Erklärung, respektiere die verfassungsrechtliche Unterscheidung zwischen Präsident und Bürger. Und doch ist die Botschaft klar: Wer sich für Trump opferte, wird belohnt. Wer ihm widersprach, bleibt draußen. Dass keiner der Begnadigten je auf Bundesebene für seine Rolle im Wahlumsturz angeklagt war, ändert nichts an der politischen Wucht dieser Entscheidung. Sie ist nicht juristisch notwendig, sondern symbolisch. Sie soll ein Narrativ zementieren: jenes der angeblichen „Hexenjagd“ gegen Patrioten, die nur „ihr Land retten“ wollten. Damit setzt Trump fort, was er seit seinem Amtsantritt 2025 betreibt – die Umdrehung von Schuld und Unschuld, von Täter und Opfer.
Jeffrey Clark, der einst im Justizministerium versuchte, das Ministerium zu einem Werkzeug der Wahlmanipulation zu machen, erhält nun ebenfalls die präsidentielle Gnade. Er hatte damals einen Briefentwurf verfasst, der die Wahlbehörden in Georgia aufforderte, das Ergebnis zu „überprüfen“ und den Sieg Bidens zu widerrufen. Selbst William Barr, Trumps damaliger Justizminister, hatte ihn als gefährlich und untragbar bezeichnet. Nun aber schreibt Trump ihn in den Kanon seiner Märtyrer ein.
Das Weiße Haus verweigerte bislang jeden Kommentar. Kein Wort zur rechtlichen Grundlage, kein Wort zur politischen Absicht. Doch in Washington liest man die Botschaft zwischen den Zeilen: Die Loyalität zu Trump ist stärker als jedes Gesetz, stärker als jede Erinnerung an die Gewalt vom 6. Januar 2021. Es ist die endgültige Rehabilitierung eines politischen Projekts, das auf Lüge, Angst und Machtwillen basiert. Dass Trump selbst nach seiner Rückkehr ins Amt nicht mehr wegen seiner eigenen Versuche, die Wahl 2020 zu kippen, angeklagt werden kann, ist juristische Konsequenz seiner Wiederwahl. Die Anklage des Sonderermittlers Jack Smith wurde nach Trumps Sieg über Kamala Harris fallengelassen – eine Pflicht des Justizministeriums, das keinen amtierenden Präsidenten verfolgen darf. Und so schließt sich der Kreis: Der Mann, der einst beschuldigt wurde, das Recht zu beugen, steht nun über ihm.
Die Begnadigungen vom Sonntagabend sind mehr als ein Gnadenakt. Sie sind ein politisches Manifest. Sie sagen: Die Wahrheit ist, was der Präsident sagt, und Gerechtigkeit ist, was ihm nützt. In einer Demokratie ist das eine gefährliche Botschaft – und in Amerika, im Jahr 2025, vielleicht der letzte Schritt in eine Ära, in der das Gesetz wieder zum Werkzeug der Macht wird.
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Ich dachte immer, dass ein Präsident nur bei Urteilen auf Bundesebene, bicht aber auf Landesebene, begnadigen kann.
Habe ich das falsch in Erinnerung?
Oder bricht er huer (erneut) das Gesetz?
Muss Guiliani nun keine 148 Millionen zahlen? Es war doch in Georgia, also Landesebene.
In Kürze werden diese Personen mit Sicherheit gute Posten erhalten.
Als Sahnehäubchen.
Die Begnadigung von P. Diddy und vor allem Ghislaine stehen kurz bevor.
Denn da der Shutdown beendet ist, muss die neue Senatorin eingeschworen werden.
Es ist ja wohl die Stimme, die zur Veröffentlichung der Epstein Files fehlt.
…Trump darf nach Trump alles…