Die 230-Millionen-Dollar-Frage – Wie Trumps Beziehung zu pro-israelischen Gruppen in den Fokus rückt

VonRainer Hofmann

Juni 22, 2025

Es ist ein Bild, das sich tief ins Gedächtnis brennt: Donald Trump vor blutrotem Hintergrund, daneben eine Zahl, die aufhorchen lässt – 230.473.622 US-Dollar. So viel Geld, heißt es auf dem Sharepic der Plattform „Track AIPAC“, habe Trump an Wahlkampfspenden und unabhängigen Ausgaben von pro-israelischen Interessengruppen erhalten. Die Botschaft ist deutlich: Hinter dem politischen Aufstieg des ehemaligen und aktuellen US-Präsidenten stehen Netzwerke, deren Einfluss über das Erwartbare hinausgeht. Doch was ist dran an dieser Zahl? Und was sagt sie über die Verflechtung von Geld, Politik und geopolitischem Kalkül?

Zunächst zur Quelle und unseren Recherchen: Die Organisation Track AIPAC, benannt nach dem einflussreichen American Israel Public Affairs Committee, versteht sich als watchdog über Lobbyausgaben zugunsten Israels. Sie verweist auf die Plattform fec.gov, die offizielle Daten zu US-Wahlkampffinanzierung bereitstellt, kombiniert diese aber mit Recherchen zu sogenannten independent expenditures – also Ausgaben durch Dritte, die nicht direkt an Kandidaten gehen, aber deren Wahlkampf massiv unterstützen. Genau hier liegt der Schlüssel: Die genannten 230 Millionen Dollar setzen sich nicht nur aus direkten Spenden an Trump zusammen, sondern vor allem aus Geldern, die Super-PACs wie „Preserve America“ und die Republican Jewish Coalition in Trumps Umfeld investierten. Miriam Adelson, Witwe des Casino-Milliardärs Sheldon Adelson, finanzierte über „Preserve America“ alleine mehr als 215 Millionen Dollar zugunsten republikanischer Wahlkampagnen – ein Großteil davon explizit für Trumps Wiederwahl. Weitere Mittel stammen von der Republican Jewish Coalition, deren Botschaft unmissverständlich war: Trump ist der verlässlichste Garant für israelische Interessen auf amerikanischem Boden. Seine Entscheidungen – von der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt über den Umzug der US-Botschaft bis zur faktischen Aufkündigung des Iran-Deals – galten als politische Dividenden dieser massiven Finanzierung.

Doch diese Summen werfen Fragen auf, die über das Verhältnis zu Israel hinausgehen. Was bedeutet es für die Demokratie, wenn Hundertmillionen durch externe Gruppen in Wahlkämpfe fließen – vorbei an öffentlicher Kontrolle, strategisch gelenkt, ideologisch motiviert? Die Antwort liegt in der wachsenden Entkoppelung von Wählerwille und Machtarchitektur. Wenn ein Kandidat wie Trump nicht mehr auf breite Spendenbasis angewiesen ist, sondern von milliardenschweren Einzelinteressen getragen wird, dann verändert sich das Wesen der Demokratie selbst. Besonders brisant ist, dass Track AIPAC mit seiner Aufstellung Zahlen präsentiert, die um ein Vielfaches höher sind als die von klassischen Plattformen wie OpenSecrets. Während Letztere für den Wahlzyklus 2023–2024 lediglich rund 5,4 Millionen Dollar an pro-israelischen Spenden verzeichnen – eine Summe, die sich auf mehrere Kandidaten verteilt – verweist Track AIPAC auf die strukturelle Wirkung unabhängiger Ausgaben. Die Diskrepanz ist keine Rechenpanne, sondern ein Spiegel dafür, wie schwer durchschaubar politische Einflussnahme geworden ist.

Die Verteidiger Trumps argumentieren, dass solche Spenden legal sind, im Rahmen der US-Wahlgesetzgebung operieren und keine direkte Einflussnahme beweisen. Doch kritische Stimmen sehen in dieser Beziehung eine gefährliche Abhängigkeit – und ein Machtgefälle, das sich nicht länger kaschieren lässt. Besonders in Zeiten geopolitischer Eskalation, wie im aktuellen Konflikt mit dem Iran, werfen solche finanziellen Verflechtungen Schatten auf die außenpolitische Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten. Denn wenn außenpolitische Entscheidungen mit Milliardenbeträgen politisch „vorinvestiert“ wurden – wie frei kann ein Präsident dann wirklich agieren? Und wie offen dürfen diese Verbindungen benannt werden, ohne dass es als antisemitisch diffamiert wird? Der Fall Trump zeigt: Die Debatte um Israel-Lobby, Geld und Einfluss darf nicht auf Klischees verkürzt werden – aber sie muss geführt werden. Und zwar mit Mut, Fakten und einem klaren Blick auf das, was Demokratie aushalten muss, aber nicht aushöhlen darf. Denn wer das politische System nur noch mit Geldflüssen erklärt, hat vielleicht recht – aber damit auch schon alles verloren.

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