Der Präsident sucht den Ausweg – und verwandelt das Justizministerium in einen Zirkus

VonRainer Hofmann

November 15, 2025

Pam Bondis Reaktion war so schnell, dass man kaum unterscheiden konnte, wo der Befehl endete und die Ausführung begann. Kaum hatte Donald Trump öffentlich gefordert, Bill Clinton, Larry Summers, Reid Hoffman und weitere politische Gegner wegen ihrer früheren Kontakte zu Jeffrey Epstein ins Visier zu nehmen, verkündete die Justizministerin schon die Eröffnung einer Untersuchung – geleitet ausgerechnet vom New Yorker Chefstaatsanwalt Jay Clayton. Keine neuen Fakten, keine neuen Hinweise, kein Opfer, das jemanden beschuldigt hätte. Nur ein Präsident, der in Bedrängnis gerät und einen neuen Gegner braucht. Und ein Justizministerium, das ihm willig folgt.

Während die Öffentlichkeit über die E-Mails diskutiert, in denen Epstein schreibt, Trump habe „von den Mädchen gewusst“, versucht das Weiße Haus, den Skandal umzudrehen, als ließe sich die Richtung eines Sturms einfach willentlich verändern. Trump spricht plötzlich von einem „Epstein Hoax“, angeblich von Demokraten erfunden – obwohl Epstein über Jahre eng in Trumps Umfeld verankert war und der Präsident selbst noch 2024 versprach, die Akten vollständig offenzulegen. Nun erklärt er jene Dokumente, deren Veröffentlichung er damals forderte, zu einer politischen Intrige.

Pam Bondi und Kash Patel, ebenso Abhängig von Trump wie Bondi

Bondis Vorstoß wirkt wie der Versuch, Gravitation außer Kraft zu setzen. Ihre Abhängigkeit von Trump ist ein offenes Geheimnis. Keine der Personen, die Trump nun attackiert, wurde jemals von einem Epstein-Opfer beschuldigt. Die Kontakte, die es gab, sind altbekannt, dokumentiert, eingeordnet. Doch Trump nutzt sie wie eine Ablenkung, so fein gesetzt, dass sie weniger als ein Manöver wirkt, der stille Versuch eines Mannes, den Schatten seiner eigenen Wahrheit zu entkommen. Ein Präsident im Fluchtmodus.

Ghislaine Maxwell, Jeffrey Epstein und Bill Clinton

In dem Moment, in dem Epsteins E-Mails erstmals konkrete Fragen an Trumps eigenes Umfeld stellen, greift die Regierung nicht zur Aufklärung, sondern zur Gegenoffensive. Nicht mit Belegen, sondern mit einer politischen Strafexpedition. Dass ausgerechnet Clayton – der Mann, den Trump einst an die Spitze der SEC, (Securities and Exchange Commission – die wichtigste US-Börsenaufsicht), hievte – nun ausgerechnet Trumps Rivalen untersuchen soll, ist mehr als nur Ironie. Es ist ein Warnsignal, wie angeschlagen die Grenze zwischen Regierung und Staatsanwaltschaft geworden ist.

Als ein Journalist Trump am Freitag fragte, was Epstein mit „Du wusstest von den Mädchen“ gemeint habe, wich er nicht nur aus. Er lenkte sofort auf Clinton ab, als ginge es um einen alten Schulhofstreit und nicht um die Worte eines verurteilten Sexualstraftäters. Kein Versuch, irgendetwas einzuordnen. Kein Wort des Widerspruchs. Nur der automatisierte Schlagabtausch eines Mannes, der ein Problem nicht erklärt, sondern weiterreicht.

Trump: „Ich weiß nichts darüber. Eigentlich sollte man fragen, was er damit meinte, während er seine ganze Zeit mit Bill Clinton verbracht hat.“

Die Linie des Weißen Hauses ist inzwischen so klar wie radikal: Nicht über die Inhalte reden, sondern die Richtung bestimmen. 23.000 Seiten Epstein-Dokumente, neue E-Mail-Stränge, Kontakte ins engste Umfeld des Präsidenten – all das wird nicht beantwortet. Es wird übertönt. Eine Regierung, die die Realität nicht widerlegt, sondern überschreibt.

Was sichtbar wird, ist kein Versuch, Wahrheit zu ermitteln, sondern Macht zu behaupten. Trump will nicht, dass der Skandal verstanden wird – sondern dass er ihm gehört. Und das Justizministerium folgt ihm, schneller und williger, als es irgendeiner demokratischen Institution gut bekäme. Der Präsident verlangt eine Untersuchung, die niemand braucht. Und verhindert eine, die ihn selbst betrifft. Dieser Tag markiert nicht einfach eine politische Entscheidung, sondern den Versuch, die Realität neu zu ordnen, bevor sie ihn einholt.

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Anja
Anja
19 Stunden zuvor

Wenn da jetzt Ermittlungen wieder aufgenommen werden, hat das dann Einfluss auf die Freigabe der Akten ? Weil die ja eventuell als ermitllungsrelevant klassifiziert werden könnten ?

Stefan
Stefan
15 Stunden zuvor
Antwort auf  Anja

Bingo! Genau das ist wahrscheinlich einer der beabsichtigten Effekte – die Akten,die dann für eine „laufende Ermittlung“ – und wie lange wird die dann wohl dauern…?  🤔 – benötigt werden, sind in der Zeit tatsächlich faktisch nicht zugänglich.

Oliver Sturm
Oliver Sturm
14 Stunden zuvor

Einfach endlich des Amtes entheben. Was muß denn noch alles passieren? Ist wie mit der AFD, alle wissen es, aber nichts passiert.

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