Der Papst aus Chicago

VonRainer Hofmann

Mai 8, 2025

Leo XIV und das Ringen um den Glauben

Es war der Moment, in dem Geschichte und Gegenwart sich trafen. Von der Loggia des Petersdoms blickte ein Mann in die Menge – ein Mann, der den Namen Leo XIV. angenommen hatte. Robert Prevost, geboren in Chicago, ein Missionar, der sein Leben den Menschen in Peru gewidmet hatte, stand nun als erster Papst der Vereinigten Staaten vor der Welt. Ein Mann, der in der einen Hand die Macht der Kirche hielt, in der anderen den Geist eines Missionars.

„Friede sei mit euch“, sagte er – ein Gruß, der wie ein Versprechen klang, wie eine Brücke zwischen den Zeiten. Der rote Mantel der Papstwürde, den Franziskus einst abgelegt hatte, lag nun schwer auf seinen Schultern. Leo XIV sprach in Italienisch und Spanisch, nicht in Englisch, als wollte er den amerikanischen Akzent hinter sich lassen. Doch die Geschichte ließ sich nicht verbergen.

George W. Bush und seine Frau Laura waren „entzückt“, wie sie sagten. Ein amerikanischer Papst – ein historischer Moment für die katholische Kirche und die USA. Marco Rubio sprach von „heiliger Verantwortung“, und sogar Donald Trump, der an der Westflügelpforte auftrat, nannte es „eine Ehre für unser Land“. Doch Leo XIV. war mehr als eine amerikanische Figur. Er war ein Mann, der die Brücke zwischen zwei Welten schlug – dem Norden und dem Süden, den Mächtigen und den Vergessenen.

Als Papst Franziskus ihn 2023 nach Rom holte, war es ein Schachzug. Der Mann aus Chicago, der Bischof von Chiclayo in Peru gewesen war, wurde zum Leiter des mächtigen Bischofsamts ernannt. Er, der in stillen Gebeten mit den Armen des peruanischen Nordens gelebt hatte, wurde nun zur unsichtbaren Hand, die entschied, wer Bischof wurde und wer nicht. Ein Hüter der Reinheit und der Macht.

Und nun war er Papst. Ein Mann, der seinen Namen Leo XIV wählte, eine Anspielung auf Leo XIII, den Papst der sozialen Enzyklika Rerum Novarum. Der Papst, der einst den Bruch zwischen Kirche und Moderne zu heilen versuchte. Doch Leo XIV tritt in eine gespaltene Kirche ein, besonders in den Vereinigten Staaten, wo Progressive und Konservative sich in einem stillen Krieg belauern.

In Peru, seiner zweiten Heimat, läuteten die Glocken. In Lima stand Isabel Panez, eine Grundschullehrerin, vor der Kathedrale, als die Nachricht verkündet wurde. „Es ist ein Stolz für uns Peruaner“, sagte sie. Und in Chiclayo, seiner alten Diözese, erinnerte sich der Priester Fidel Purisaca an den Mann, der jeden Morgen seine Gebete sprach und dann mit den anderen Priestern frühstückte. Ein einfacher Mann, der jetzt in die Unendlichkeit erhoben wurde.

Leo XIV sprach von Frieden, von Dialog, von Mission. Doch es ist ein Frieden, der erkämpft werden muss, ein Dialog, der zwischen den Fronten geführt wird. Ein amerikanischer Papst – ein Bruch, ein Symbol, ein Versprechen. Und die Welt schaut zu, wie dieser Mann, der aus der Welt der Armen kommt, nun die Reichen und Mächtigen führt.

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