Washington gleicht in diesen Tagen einem belagerten Palast. In den Fluren des Weißen Hauses, wo früher Strategien geschmiedet wurden, regiert jetzt die Stille eines Verwaltungsleichnams. Kein Etat, kein Vertrauen, kein Taktgefühl. Nur ein Präsident, der den Stillstand zum Werkzeug seiner Macht gemacht hat. Donald Trump nennt es Ordnung, andere nennen es Zerstörung – und vielleicht ist beides wahr. Dies ist kein gewöhnlicher Shutdown. Es ist ein Krieg, geführt mit Aktenvermerken und Entlassungsschreiben, orchestriert von einem Präsidenten, der sein Haushaltsbüro zu einer Art innerstaatlichem Tribunal umgebaut hat. Die Behörde, die einst über Zahlen wachte, entscheidet nun über Menschen: Wer wird bezahlt, wer verliert seinen Job, wer gehört zum System und wer nicht. „Der Sensenmann“, nennt Trump seinen Haushaltschef Russ Vought – und selten traf eine Metapher so präzise den Charakter einer Regierung.

Das Office of Management and Budget, das Verwaltungs- und Haushaltsamt, hat die Anweisung erhalten, „die Luken dichtzumachen“. In den Fluren kursiert der neue Leitspruch, per Social-Media-Post offiziell bestätigt: „Pay the troops, pay law enforcement, continue the RIFs, and wait.“ Bezahlt die Soldaten, bezahlt die Polizei, streicht den Rest – und wartet. Es ist ein Satz, der klingt, als wäre er in Stein gemeißelt, als Mantra eines Staates, der sich selbst verschlingt. Während der Stillstand in seine dritte Woche geht, wachsen die Listen der Entlassenen. Wissenschaftler, Lehrer, Sozialarbeiter, Verwaltungsjuristen – alle, deren Arbeit nicht in Trumps Weltbild passt. Was bleibt, sind Armee und Abschiebebehörde, Gewehre und Grenzzäune. In den Ministerien stapeln sich die Entlassungsschreiben wie tote Fliegen auf Aktenstapeln. Über 750.000 Bundesangestellte sind betroffen – ein Massenexperiment in administrativer Demontage.
Trump genießt den Anblick. Er spricht davon, die „tiefen Wurzeln der Bürokratie“ zu kappen, und meint damit die Reste institutioneller Vernunft. Vought, Architekt des ultrakonservativen „Project 2025“, nennt es eine Reform. Tatsächlich ist es die systematische Zerlegung des Staates – nicht durch Gesetze, sondern durch Lohnabrechnungen. Wer bezahlt wird, lebt. Wer nicht, verschwindet. Vor dem Gebäude des Haushaltsamts, wo sich Beamte und Mitarbeiter versammeln, steht Senator Chris Van Hollen. „Trump und Vought benutzen diesen Moment, um diese Menschen zu terrorisieren“, ruft er in die Menge. Seine Stimme hallt gegen die Glasfassade, hinter der das neue Machtzentrum Amerikas sitzt – unscheinbar, aber tödlich effizient. „Es ist eine Lüge“, sagt er, „eine große, fette Lüge.“ Doch die Lüge arbeitet längst schneller als das Gesetz.
Der Shutdown, nun am 14. Tag, ist nicht länger eine Haushaltskrise – er ist ein Glaubensbekenntnis. Trump hat den Staat zum Spiegel seiner Ideologie gemacht: militärisch stark, sozial amputiert, rechtlich taub. Er hat aus einem politischen Instrument ein Ritual gemacht. Die Regierung, einst Garant von Ordnung, ist zu einer Bühne geworden, auf der Willkür den Applaus bekommt. Russ Vought, ein Mann mit der stoischen Miene eines Buchhalters und der Mission eines Eiferers, ist Trumps Werkzeug und Verstärker. In seiner Hand wird das Haushaltsrecht zur Waffe. Er spricht von „Effizienz“, meint aber Auslöschung. In einem Entwurf wird vorgeschlagen, dass entlassene Mitarbeiter nach dem Ende des Shutdowns keinen Anspruch auf Nachzahlung haben sollen – ein Bruch mit jahrzehntelanger Praxis, ein Schlag ins Gesicht von Hunderttausenden Familien.
Während das Leben von Staatsbediensteten stillsteht, läuft Trumps Parallelstaat auf Hochtouren. Das Militär erhält nun doch pünktlich seine Gehälter. Homeland Security bleibt vollständig finanziert. Die Mittel für die Massenabschiebungen fließen weiter – gespeist aus jenen „verfügbaren Geldern“ des sogenannten „One Big Beautiful Bill“, einem Gesetz, das wie ein Trump-Zitat klingt und genauso funktioniert: laut, unpräzise und gefährlich. Kristi Noem, Ministerin für Heimatschutz, spricht von „innovativen Lösungen“, um die Küstenwache zu bezahlen. Sie lächelt, als sei die Krise eine Gelegenheit zur Selbstvermarktung. „Dank des One Big Beautiful Bill“, sagt sie, „verpasst kein Held der Küstenwache einen Gehaltsscheck.“ Kein Wort über Krankenschwestern, über Forscher, über Eltern, deren Einkommen eingefroren ist.
Trump, der nie eine Bühne ungenutzt lässt, hat Voughts neue Rolle mit einem künstlich erzeugten Heldenmythos versehen. Ein KI-generiertes Video zeigt den Haushaltschef in schwarzer Robe, die Sense über der Schulter, unterlegt mit Don’t Fear the Reaper. „Jeder autoritäre Führer hat seinen Sensenmann“, sagt der Demokrat Steny Hoyer. „Russell Vought ist der von Donald Trump.“ Und während Hoyer spricht, läuft in den Fluren des Kongresses eine groteske Parodie von Demokratie: Republikaner verweigern Sitzungen, Demokraten scheitern an Mehrheiten. House Speaker Mike Johnson nickt nur. „Sie haben jedes Recht, die Gelder umzuschichten“, sagt er, als ginge es um Kleingeld. Wenn die Demokraten klagen wollen – „bring it“.
Es ist, als würde man das Rückgrat einer Nation in Zeitlupe brechen sehen. Nicht mit Gewalt, sondern mit Bürokratie. Nicht durch Revolution, sondern durch Excel-Tabellen. Der Präsident hat gelernt, dass man Institutionen nicht stürzen muss, um sie zu zerstören – man muss sie nur überweisen, selektiv, wie ein Gott mit Buchhaltung. Die Ironie ist vollkommen: Ein Präsident, der sich als Kämpfer gegen das „System“ stilisierte, ist nun der Architekt seiner vollendeten Form – ein System ohne Seele, ohne Hemmung, ohne Menschlichkeit. Der Krieg des Donald T. ist kein Krieg gegen Gegner. Es ist ein Krieg gegen die Idee des demokratischen Staates selbst.
Und während draußen die Hauptstadt im Schweigen der Entlassenen versinkt, bleibt im Oval Office das Licht an. Nicht, weil dort regiert wird – sondern weil Donald Trump das Dunkel liebt, in dem nur er noch leuchtet.
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