Der Kampf hat sich gelohnt – Andry Hernández Romero, das CECOT und das doppelte Exil eines Überlebenden

VonRainer Hofmann

Juli 26, 2025

Unter dem Titel „Der König ohne Krone“ ( https://kaizen-blog.org/der-koenig-ohne-krone-the-crownless-king/ ) brachten wir den Fall erstmals in die Öffentlichkeit, reisten nach El Salvador, sprachen mit Angehörigen, dokumentierten Haftbedingungen, involvierten auch das Immigrant Defenders Law Center und die Human Rights Campaign. Was damals wie ein Einzelfall wirkte, entpuppte sich als Teil eines Systems: ein queerer Geflüchteter, abgeschoben in ein Folterregime – und instrumentalisiert durch eine Regierung, die Menschenrechte zur Verhandlungsmasse machte. Heute, Monate später, ist Andry Hernández Romero wieder bei seiner Familie. Nicht in Freiheit – aber lebendig. Und mit einer Stimme, die nicht mehr schweigt.

Vier Monate verbrachte Hernández Romero im Hochsicherheitsgefängnis CECOT in El Salvador – einem Ort, der international als Vorzeigeprojekt im Kampf gegen Bandenkriminalität gefeiert wurde und doch für viele Insassen zum Albtraum wurde. Für Hernández war es, wie er selbst sagt, eine Begegnung mit Folter und Tod. Er sprach von gebrochenen Rippen, zerschundenen Handgelenken, sexueller Gewalt durch Aufseher und tagelanger Dunkelhaft – sie alle zeichnen das Bild eines Systems, das seine eigenen Regeln nicht mehr kennt. In einer Videobotschaft schildert Hernández, wie seine Tattoos – harmlose Widmungen an „Mom“ und „Dad“ – als Beweis für eine angebliche Mitgliedschaft in der venezolanischen Gang Tren de Aragua gewertet wurden. Ein Irrtum mit System. Und mit tödlicher Konsequenz. Was diesen Fall so brisant macht, ist nicht nur das Unrecht im CECOT, sondern der Weg dorthin. Donald Trump, zurück im Weißen Haus, nutzte den Alien Enemies Act von 1798 – ein Notstandsgesetz, das ursprünglich für feindliche Nationen in Kriegszeiten gedacht war – um über 250 Venezolaner ohne reguläres Verfahren aus den USA nach El Salvador abzuschieben. Auch Hernández Romero, der zu diesem Zeitpunkt unter der Biden-Regierung festgenommen worden war und noch einen aktiven Asylantrag hatte, wurde diesem juristischen Ausnahmezustand geopfert. Eine politisch gewollte Unsichtbarkeit: ohne richterliche Prüfung, ohne Abschied, ohne Schutz.

In Venezuela angekommen, begrüßten ihn Eltern und Bruder mit Tränen und Erleichterung. Doch es waren auch die anderen, die auf ihn gewartet hatten – jene, die Mahnwachen hielten, Nachrichten verbreiteten, Petitionen lancierten. Ich war nie allein, sagte Hernández, sichtbar bewegt. Und das stimmt. In der Ferne kämpften wir alle: Anwältinnen und Anwälte, Menschenrechtsorganisationen, Journalistinnen und Journalisten. Das Immigrant Defenders Law Center, die Human Rights Campaign – sie alle machten den Fall sichtbar. Für HRC ist der Umgang mit queeren Flüchtlingen längst keine Randnotiz mehr, sondern eine Verfassungskrise. Die gezielte Rückführung in Länder, aus denen Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung flohen, sei ein Bruch internationaler Menschenrechtsnormen. Dass Hernández Romero heute wieder sprechen kann, ist mehr als ein individueller Triumph. Es ist ein Beweis, dass Öffentlichkeit rettet. Dass internationale Solidarität Grenzen überschreiten kann – sogar die Mauern eines Megagefängnisses, gebaut für den Schrecken. Dass politische Gewalt, so technisch und sauber sie sich auch gibt, nicht das letzte Wort haben darf. Doch die Geschichte ist nicht zu Ende. El Salvadors Präsident Nayib Bukele schweigt zu den Vorwürfen. Die US-Regierung verweist auf die salvadorianischen Behörden. Und das Department of Homeland Security nennt die Abgeschobenen schlicht kriminelle illegale Bandenmitglieder. Reuters konnte die Foltervorwürfe bislang nicht unabhängig verifizieren. Aber die Wahrheit liegt in den Worten von Hernández Romero: Es erfüllt mich mit so viel Frieden, mit Trost, mit Ruhe – dass ich vom ersten Tag an nicht allein war. Man nennt das wohl das Gegenteil von Isolation. Es ist das, was Politik nicht zerstören kann: Menschlichkeit. Und wenn es dafür einen Beweis brauchte, dann ist es Andry Hernández Romero mit dem schmalen Gesicht, den dunklen Augen – und der klaren Stimme eines Überlebenden. Pass auf Dich auf, mein Freund.

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Horst Rakles
Horst Rakles
3 Monate zuvor

Bravo. Von Euch müsste es noch mehr geben, Bravo!

Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Es ist unglaublich, wie mit Menschen umgegangen wird.
Da fehlt von der Regierung, aber auch alles Mithelfenden der unseren Instanzen jegliches Mitgefühl.

Wieviel schlechtes in so vielen Menschen steckt, dass sie bereitwillig mit machen.

Danke, dass Ihr dran bleibt und diesen Menschen eine Stimme gebt.

Helga M.
Helga M.
3 Monate zuvor

 😘 viel Glück wünsche ich ihm und seiner Familie.🍀🍀🍀 Die Angaben zu der Lage in dem Gefängnis sind so furchtbar. Schlimm für die anderen Gefangenen.😢

Katharina Hofmann
Admin
3 Monate zuvor
Antwort an  Helga M.

Wir haben auch versteckte Aufnahmen von Cecot hinbekommen, diese sind im Magazin veröffentlicht. Natürlich werden wir versuchen weiter Menschen dort rausholen, bisher waren es über 20 Menschen plus Guatemala. Wir müssen das immer koordinieren, denn es sind heftige Kosten.

Tatjana Philipp
Tatjana Philipp
3 Monate zuvor
Antwort an  Katharina Hofmann

Danke für Euer Bemühen. Es ist in diesen Zeiten so wichtig, dass es Menschen wie Euch gibt!

Todeshi
Todeshi
3 Monate zuvor

Es läuft mittel- bis langfristig darauf hinaus, dass sich ein starker Teil unserer 8,16 Milliarden guten Menschen mit Herz, Verstand, humanistischen Werten, Engagement, Verantwortung für unseren Planeten und Wertschätzung für Leben als solches plus entsprechenden Möglichkeiten global zusammenfindet, um gezielt jene zahlenmäßig wenigen Brandstifter, die weltweit so viel irreparablen Schaden anrichten oder on a daily basis zündeln, zurück in die Hölle schicken, wo sie einst rausgekrochen kamen.

Dazu dürfte es jetzt schon kaum noch alternative Optionen geben, wenn man weitaus Schlimmeres verhindern möchte.

Thx much for great work!

Zuletzt bearbeitet 3 Monate zuvor von Todeshi
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