Der Hund, der nicht bellte – Neue Epstein-E-Mails belasten Trump schwer

VonRainer Hofmann

November 12, 2025

Es sind unscheinbare Zeilen, geschrieben vor Jahren, doch sie treffen ins Mark der Macht. In E-Mails, die uns vorliegen, schreibt Jeffrey Epstein, Donald Trump habe „Stunden in meinem Haus mit einem der Mädchen verbracht“. In einer anderen Nachricht heißt es, Trump habe „von den Mädchen gewusst“ und Ghislaine Maxwell gebeten, „damit aufzuhören“. Worte, die nun, mitten im politischen Stillstand Washingtons, wie ein Schlag in die Fassade der Verdrängung wirken. Ebenfalls liegt uns das offizielle Kongressschreiben vor, dass sich weiter unten im Artikel befindet.

Ich denke, du solltest ihn sich selbst hängen lassen. Wenn er sagt, er sei nie im Flugzeug oder im Haus gewesen, dann verschafft dir das wertvolles PR- und politisches Kapital. Du kannst ihn auf eine Weise hängen lassen, die dir potenziell einen Vorteil bringt – oder, wenn es wirklich so aussieht, als könnte er gewinnen, kannst du ihn retten und damit eine Schuld erzeugen. Natürlich ist es auch möglich, dass er, wenn man ihn fragt, sagt: „Jeffrey ist ein großartiger Typ, dem Unrecht getan wurde und der ein Opfer der politischen Korrektheit ist, die in einem Trump-Regime verboten werden soll.“

Am Dienstag, 15. Dezember 2015, um 23:52 Uhr, schrieb Jeffrey E. jeevacation@gmail.com

Am Dienstag, 15. Dezember 2015, um 20:00 Uhr, schrieb Michael Wolff <[geschwärzt]>:
Ich höre, CNN plant, Trump heute Abend nach seiner Beziehung zu dir zu fragen – entweder live auf Sendung oder im Anschluss.

Trump, inzwischen in seiner zweiten Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten, bestreitet jede Verbindung zu Epsteins Taten. Er nennt den verstorbenen Finanzier einen „Widerling“, bezeichnet alle Vorwürfe als „Schwindel der Demokraten“. Doch die neuen E-Mails, ausgewählt aus Tausenden Seiten, die dem Aufsichtsausschuss des Repräsentantenhauses vorliegen, zeichnen ein anderes Bild – eines, das längst über die Frage hinausgeht, ob die beiden Männer Freunde waren. Sie legen nahe, dass Epstein überzeugt war, Trump habe mehr gewusst, als er öffentlich eingesteht.

Ursprüngliche Nachricht
Von: Jeffrey Epstein jeevacation@gmail.com

An: Gmax
Gesendet: Samstag, 2. April 2011, 14:25:45 Uhr
Betreff:

Ich möchte, dass du dir klar machst, dass der Hund, der nicht gebellt hat, Trump ist. [OPFER] verbrachte Stunden bei mir zu Hause mit ihm – er wurde nie ein einziges Mal erwähnt. Polizeichef usw. Ich bin zu 75 % sicher.

In einer Nachricht vom April 2011 schrieb Epstein an Ghislaine Maxwell, die Jahre später wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch verurteilt wurde: „Ich möchte, dass du dir klar machst, dass der Hund, der nicht gebellt hat, Trump ist.“ Dann der Satz, der jetzt in Washington zitiert wird, als handle es sich um ein Beweisstück: „Ein Opfer verbrachte Stunden mit ihm in meinem Haus, er wurde nie ein einziges Mal erwähnt.“ Maxwell antwortete nur knapp: „Ich habe darüber nachgedacht.“

[OPFER] – Mar-a-Lago. [geschwärzt]. Trump sagte, er habe mich gebeten, zurückzutreten – niemals Mitglied, niemals. Natürlich wusste er von den Mädchen, da er Ghislaine bat, damit aufzuhören.

Eine weitere E-Mail stammt vom Januar 2019, nur wenige Monate vor Epsteins Tod im Bundesgefängnis. Adressat: der Autor Michael Wolff. „Natürlich wusste er von den Mädchen“, schrieb Epstein, „er bat Ghislaine, aufzuhören.“ Zu diesem Zeitpunkt war Trump bereits zum ersten Mal Präsident, und die öffentliche Debatte um Epstein hatte erneut Fahrt aufgenommen. Die Demokraten sprechen von einem „brisanten Fund“. Robert Garcia, Vorsitzender des Aufsichtsausschusses, erklärte: „Diese E-Mails werfen grelle Fragen auf – was das Weiße Haus vertuscht und wie eng das Verhältnis zwischen Epstein und dem Präsidenten tatsächlich war.“

Ghislaine Maxwell, Jeffrey Epstein

Aus dem Weißen Haus kam keine Stellungnahme. Man schweigt – vielleicht in der Hoffnung, die Öffentlichkeit habe sich an die Schatten der Vergangenheit gewöhnt. Doch der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist nicht zufällig. Das Repräsentantenhaus kehrt gerade aus der Zwangspause zurück, um über ein Ende des längsten Regierungsstillstands der US-Geschichte abzustimmen. Kaum jemand zweifelt, dass die Aufmerksamkeit nun wieder auf den Epstein-Komplex zurückschwenken wird.

Die E-Mails stammen sämtlich aus der Zeit nach Epsteins berüchtigtem Deal von 2008 in Florida, bei dem Bundesankläger auf eine Anklage wegen Menschenhandels verzichteten. Es sind also keine Erinnerungen aus der Ära jugendlicher Sünden, sondern Schreiben eines Mannes, der längst wusste, wie viel er zu verlieren hatte. Eine Nachricht aus dem Dezember 2015 zeigt, dass Epstein und Wolff sogar diskutierten, wie Trump auf Medienfragen reagieren sollte. Wolff warnte ihn, CNN plane, Trump während einer republikanischen Debatte nach seiner Beziehung zu Epstein zu befragen. Epstein antwortete: „Wenn wir eine Antwort für ihn formulieren könnten – wie sollte sie lauten?“ Wolff schrieb zurück: „Ich würde gar nichts tun. Wenn er leugnet, je bei dir gewesen zu sein, hast du politisches Kapital in der Hand – du kannst ihn später hängen oder retten.“

Es ist ein Brief, der wie eine Anklageschrift klingt. Jamie Raskin, ranghöchster Demokrat im Justizausschuss des Repräsentantenhauses, hat Präsident Donald Trump in einem sechsseitigen Schreiben schwer belastet. Der Brief, datiert auf den 9. November 2025, beschreibt detailliert, wie Ghislaine Maxwell, die wegen ihrer Rolle im Sexhandelsnetzwerk von Jeffrey Epstein zu 20 Jahren Haft verurteilte britische Sozialite, in einem texanischen Bundesgefängnis wie ein Staatsgast behandelt wird – und wie diese Sonderbehandlung direkt auf Anweisungen aus Trumps Justizministerium zurückgehen könnte.

Raskin schreibt von Whistleblower-Berichten, nach denen Maxwell im Federal Prison Camp Bryan ein Leben führe, das mit regulärer Haft nichts mehr zu tun habe: eigens zubereitete Mahlzeiten, private Besuchsräume mit Snacks und Getränken, unkontrollierte Computerzugänge, Hundespielstunden und persönliches Training außerhalb der normalen Zeiten. Ihre Korrespondenz werde von der Gefängnisleiterin selbst bearbeitet, E-Mails und Dokumente würden ohne Kontrolle durch die Zensur übermittelt. Wer sich im Gefängnis dagegen beschwere, werde bestraft oder versetzt.

Hinter dieser luxuriösen Behandlung, so Raskin, stehe eine gefährliche Verquickung von Politik, Justiz und persönlichem Interesse. Die Whistleblower-Dokumente legen nahe, dass Maxwell aktiv an einem Antrag auf Begnadigung oder Haftmilderung („Commutation Application“) arbeitet, der in Absprache mit Trumps Mitarbeitern vorbereitet wird. Raskin behauptet, Warden Tanisha Hall selbst helfe ihr dabei, die Unterlagen zu drucken und weiterzuleiten – ein direkter Verstoß gegen Dienstvorschriften und ein Hinweis auf politische Einflussnahme.

Im Zentrum der Vorwürfe steht Todd Blanche, Trumps früherer persönlicher Anwalt und heute stellvertretender Justizminister. Er habe Maxwell im Sommer 2025 persönlich im Gefängnis befragt, kurz bevor sie auf seinen Befehl hin in die bevorzugte Anstalt FPC Bryan verlegt wurde – obwohl Sexualstraftäterinnen dort normalerweise ausgeschlossen sind. Nach diesem Gespräch, so Raskin, habe Maxwell in einem offiziellen Interview beim DOJ Aussagen gemacht, die Trump entlasten sollten: Sie habe behauptet, ihn nie in unangemessener Situation gesehen zu haben und nichts über seine Verbindung zu minderjährigen Mädchen zu wissen. Raskin zitiert in seinem Schreiben aus Maxwells eigener Prozessakte: Sie habe „direkt und wiederholt über viele Jahre hinweg junge Mädchen an Epstein vermittelt, transportiert und zur Prostitution gezwungen“ und keinerlei Reue gezeigt. Dass sie nun im Gefängnis „einen Sonderstatus wie in einem Trump-Resort“ genieße, sei ein Schlag ins Gesicht ihrer Opfer.

Besonders scharf wird Raskin, als er Trumps eigene Worte aufgreift. Auf die Frage, ob er eine Begnadigung Maxwells ausschließe, habe Trump geantwortet: „Ich habe den Namen so lange nicht gehört. Ich müsste mir das anschauen.“ Für Raskin ist das kein Vergessen, sondern Kalkül – ein bewusster Versuch, politische Abhängigkeiten zu schaffen. Er nennt Trumps Verhalten „mysteriöse Amnesie“ und erinnert daran, dass der Präsident auch bei anderen Skandalen – etwa der Begnadigung des Kryptomilliardärs Changpeng Zhao – plötzlich keine Erinnerung gehabt habe.

Der Kongressabgeordnete verlangt nun schriftliche Antworten bis zum 24. November 2025 auf drei konkrete Fragen: ob Trump oder jemand aus seiner Regierung über eine Begnadigung Maxwells gesprochen hat, ob Anweisungen für ihre bevorzugte Behandlung erteilt wurden, und ob Maxwell oder ihr Umfeld Trump oder dessen Anwälten im Gegenzug etwas versprochen hat. Raskin warnt in seinem Brief, dass die Handlungen von Blanche und anderen Regierungsvertretern eine „weitreichende Verletzung des Strafrechts“ darstellen könnten – einschließlich Bestechung, Zeugenbeeinflussung und Behinderung der Justiz.

Der Brief wurde an mehrere Spitzenbeamte in Kopie geschickt, darunter Justizministerin Pamela Bondi, den Ausschussvorsitzenden Jim Jordan, Blanche selbst und Warden Hall. Was auf den ersten Blick wie ein parteipolitisches Gefecht wirkt, hat weit größere Sprengkraft. Sollte sich bestätigen, dass Maxwell tatsächlich mit Wissen oder Hilfe aus der Trump-Administration an einer Begnadigung arbeitet – und dafür falsche Aussagen zu den Kontakten zwischen Epstein und Trump geliefert hat –, wäre das nicht weniger als ein neuer Justizskandal im Zentrum der US-Regierung. Raskin schließt seinen Brief mit einem Satz, der wie eine Mahnung an den Präsidenten klingt – und wie eine Warnung an die Öffentlichkeit:
„Die Zeit ist gekommen, dass alle Ausflüchte und Schweigen über die Begnadigung einer verurteilten Sexualstraftäterin enden. Wir fordern Antworten – jetzt.“

Diese Korrespondenz – schmal an Worten, aber schneidend in Bedeutung – öffnet ein Fenster in die seltsame Nähe zwischen Macht, Geld und Schuld. Sie zeigt, wie Epstein selbst nach seiner ersten Verurteilung weiter über Verbindungen in höchste Kreise verfügte, und wie selbstverständlich er den künftigen Präsidenten als jemanden betrachtete, der Bescheid wusste. Trump wiederum hat in den letzten Jahren immer wieder betont, er habe Epstein aus seinem Club Mar-a-Lago geworfen, nachdem dieser dort „Spa-Mitarbeiterinnen abgeworben“ habe. Angeblich sei eine davon Virginia Giuffre gewesen, die später erklärte, Maxwell habe sie in Epsteins Sexring eingeführt, als sie noch minderjährig war. Doch in einer Mail schrieb Epstein 2019 spöttisch: „Nie ein Mitglied, niemals.“

Die Geschichte ihrer Bekanntschaft ist bekannt: Beide Männer bewegten sich in den 1990er Jahren in denselben Zirkeln – New York, Palm Beach, private Clubs, Partys, Fotografenblitze. 2002 sagte Trump in einem Interview über Epstein: „Er ist ein großartiger Kerl. Es macht Spaß, mit ihm zusammen zu sein. Man sagt, er mag schöne Frauen genauso wie ich – viele davon sind recht jung.“ Später will er das als „Scherz“ verstanden wissen. Doch im Rückblick klingt es wie ein Vorbote einer Wahrheit, die keiner hören wollte. Inzwischen ist Ghislaine Maxwell zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Nach Angaben eines Whistleblowers, den die Demokraten zitieren, soll sie in den letzten Wochen erwogen haben, Trump um eine Begnadigung zu bitten – eine groteske Vorstellung, die zugleich zeigt, wie verwoben Macht und Strafrecht in diesem Fall geblieben sind.

Epstein selbst nahm sich im August 2019 in seiner Zelle das Leben – offiziell. Seine E-Mails, sein Netzwerk, seine Gäste, seine Fluglisten, all das aber lebt als Schattenarchiv fort. Die Veröffentlichung durch den Aufsichtsausschuss bringt nur einen Bruchteil davon ans Licht. Namen von Opfern wurden geschwärzt, der Kontext bleibt unvollständig. Doch die Spuren sind klar: Ein Mann, der sich für unantastbar hielt, schrieb über einen anderen, der es heute ist.

In den Fluren des Kapitols flüstert man längst wieder. Ob der Präsident, der die Akten zurückhält, am Ende selbst Teil dieser Akten ist. Und ob jener „Hund, der nicht bellte“ nur deshalb schwieg, weil er wusste, wovor.

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Anja
Anja
1 Stunde zuvor

Oha, ich hoffe, sie hat eine gute Lebensversicherung 😳

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